# taz.de -- Die Wahrheit: Querelen am Außenposten
       
       > Ich hielt mich am Außenposten auf, um herauszufinden, weshalb ich dort
       > war.
       
       Ich hielt mich am Außenposten auf, um herauszufinden, weshalb ich dort war.
       Diese Frage beschäftigte mich sehr, denn es war nicht meine Art, irgendwo
       hinzureisen, schon gar nicht zum Außenposten. Für mich lag der Verdacht
       nahe, dass Brahms etwas damit zu tun hatte, also verlor ich keine Zeit mit
       privaten Nachforschungen, sondern ging gleich zur Polizei.
       
       „Wollen Sie Anzeige erstatten?“, wurde ich vom diensthabenden Offizier
       gefragt. „Gott bewahre, nein!“, entfuhr es mir. Anzeige gegen Brahms?
       Ausgeschlossen! Brahms würde mich, sowie er durch seine Agenten davon
       erführe, unweigerlich vernichten. Ihm standen sämtliche Mittel zu Gebote,
       über die ein totalitärer Herrscher nur verfügen konnte. Von meinem Verdacht
       musste ich daher schweigen. Was ich stattdessen vorbrachte, war vielmehr
       der dringende Wunsch, den Grund für meine Anwesenheit zu erfahren.
       
       „Sprechen Sie mit Kommissar Kleb“, sagte der Offizier vom Dienst,
       „augenblicklich ist er allerdings im Außendienst. Er wurde heute morgen zur
       Blockstelle gerufen.“
       
       Zur Blockstelle? Ich fragte mich, wie ich dorthin kommen sollte. Da war es
       mein Glück, dass in diesem Moment ein älterer Mann die Wache betrat, der
       von dem Offizier mit den Worten begrüßt wurde: „Ach, der Herr Pfarrer! Na?
       Wieder zurück?“ Hierauf erwiderte der so Angeredete, er habe den Ausflug
       genossen, und pries die Vorzüge des Kraftwagens, den er nun zurückbringe.
       
       „Der Eigentümer ist bereits abgereist“, lautete der Kommentar des
       Diensthabenden. Ich mischte mich ein und machte den Vorschlag, der Herr
       Pfarrer könne mich, wenn der Wagen nicht sofort von seinem Besitzer
       gebraucht würde, doch damit zur Blockstelle chauffieren. Indem er mich
       scharf fixierte, fragte mich der Offizier: „Nehmen Sie Drogen? Rauchen
       Sie?“ Nachdem ich beides wahrheitsgemäß verneint hatte, entschied er: „Na
       gut, meinetwegen.“
       
       Wer von uns sich mehr freute, der Pfarrer oder ich, kann ich nicht sagen.
       Jedenfalls waren wir beide wenig später auf dem Weg zur Blockstelle.
       Während der gesamten Fahrt sang mein Chauffeur, so dass ich mir bald
       wünschte, zu Fuß aufgebrochen zu sein. Unzählige Male musste ich mir
       anhören: „Fahr mich Dreirad, fahr mich fromm. Elefant mich zum Störlökken!“
       Wie erleichtert ich war, als ich endlich an der Blockstelle aussteigen
       konnte! Der Pfarrer rief mir etwas nach, das mit einer „neuen
       Marienverordnung“ zu tun hatte, aber was kümmerte mich das!
       
       Ich ließ mir von der Tochter des Blockwärters zeigen, wo Kommissar Kleb
       war. Er nahm gerade einen Fall auf, den Suizid eines unbekannten Mannes,
       der sich unweit der Blockstelle vor einen Zug geworfen hatte. Sein Kopf war
       bislang noch nicht gefunden worden.
       
       „Guten Tag, glauben Sie, dieser Fall hat etwas mit meinem Hiersein zu
       tun?“, sprach ich den Kommissar an. „Oder mit Brahms?“ – „Wer weiß?“,
       erwiderte er. „Möglich ist beides.“ – „Hören Sie, Kleb“, fuhr ich fort,
       „ich muss unbedingt wissen, weshalb ich hier bin. Finden Sie es heraus.“ –
       „Das wird nicht ganz leicht sein“, meinte Kleb.
       
       23 Jan 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Eugen Egner
       
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