# taz.de -- „Opfer-Abo“ für Männer: Ich will das Schwanzding
       
       > Bisher durften nur Frauen richtige Opfer sein, sogar ein Abo hatten sie
       > darauf. Nun gibt es das endlich auch für Männer. Unser Autor hat gleich
       > eins gekauft.
       
 (IMG) Bild: Ihm verdanken wir das Wort „Opfer-Abo“, das zum Unwort des Jahres 2012 gekürt wurde: Jörg Kachelmann.
       
       BERLIN taz | Es klingelt: Bestimmt wieder so ein Vertreter für überflüssige
       Produkte wie Hausdurchsuchungen oder Ewige Leben. Ich freu mich schon
       darauf, mit Schwung die Wohnungstür aufzureißen, um den Störer ordentlich
       zu erschrecken. Zwei Opfer unter sich. Mein Gegenüber zuckt jedoch nicht
       mal mit der Wimper, sondern nimmt mir gleich den Wind aus den Segeln:
       „Schönen guten Tag! Manfred Neuner von der Drückerkolonne Oppress. Haben
       Sie schon ein Opfer-Abo?“
       
       Normalerweise kaufe ich ja nichts an der Haustür. Aber das klingt
       interessant, denn ein Opfer-Abo habe ich erstens tatsächlich nicht und
       zweitens hätte ich schon immer gerne eins gehabt. Die Frauen sollen alle
       schon eins haben. Nur wir Männer nicht. Das finde ich wahnsinnig
       sexistisch. „Was haben Sie denn zur Auswahl?“, höre ich mich sagen.
       
       Raschelnd zieht Neuner eine Handvoll Listen aus der Tasche: „Der
       Bespringer-Verlag hat nach der Wahl von ’Opfer-Abo‘ zum ’Unwort des Jahres
       2012‘ marktgerecht reagiert und vor allem Opfer-Abos für Männer ins
       Portfolio aufgenommen. Mit der sogenannten Kachelmann-Sakkas-Kombi wären
       Sie für mein Gefühl ganz gut versorgt. Wenn Sie einmal schauen möchten.“
       
       Ich werfe einen Blick auf das Angebot. Sieht gut aus. „Dieses Schwanzdings
       nehme ich.“
       
       ## Nie mehr selbst bedauern
       
       „Eine hervorragende Entscheidung.“ Er klatscht wie ein Äffchen in die
       Hände, um anschließend die Regularien zu erklären: „Und weil das Ganze ja
       ein Abo ist, verlängert sich ihr Opferanspruch automatisch einmal im Monat,
       jährlich kündbar jeweils bis zum 31. Oktober. Sie brauchen sich fortan nie
       mehr selbst zu bedauern.“
       
       „Das ist toll“, freue ich mich. Ich sehe mich schon, wie ich feiern,
       tanzen, um die Welt reisen und all die Dinge tun werde, die ich niemals
       machen konnte, da ich immer nur damit beschäftigt war, auf dem Sofa liegend
       mein Los und die Ungerechtigkeit der Welt zu verfluchen.
       
       „Wenn Sie hier bitte unterschreiben möchten?“
       
       Auf einem Klemmbrett blättert er mir geschickt einen Opfer-Abo-Schein nach
       dem anderen auf: „Und hier, und hier, und hier …“
       
       ## „Wer ficken will, muss freundlich sein“
       
       Ich unterschreibe den Vertrag für „Meine Mutti hat mich nicht lieb“, „Meine
       Freundin hat mich betrogen“, „Kleine Jungen werden in der Schule nicht
       gefördert“, „Wer ficken will, muss freundlich sein“, „Ich halte es nicht
       aus, wenn eine Frau mein Chef ist“ und „Die Weiber wollen es ja im Grunde
       gar nicht anders“ sowie noch ein Dutzend weiterer Opferklagen. Aus dem
       allgemeinen Programm wähle ich dann nur noch das „Ich habe einen
       selbstbestimmten Beruf gewählt, der mich erfüllt, blicke auf alle anderen
       herunter und heule trotzdem über Armut und Unsicherheit“-Abo.
       
       Eher desinteressiert fragt der Drücker weiter: „Wohnen bei Ihnen noch
       Frauen im Haushalt?“ Das Wort „Frauen“ spricht er aus wie „Kakerlaken“, das
       gefällt mir. „Nein“, sage ich. „Um Gottes Willen.“ Ich schüttle mich schon
       allein bei dem Gedanken. Allerdings finde ich, dass er sich das als
       erfahrener Opfer-Abo-Agent hätte denken können. Ich meine, wozu habe ich
       denn gerade das gesamte Männersortiment abonniert. Wer bin ich denn? Da
       muss doch völlig klar sein, dass ich ein Mordsproblem mit den Weibern habe.
       
       ## Frustrierter Wichser ohne Rückgrat
       
       Er sieht seine Unachtsamkeit selber ein: „Dumm von mir. Bei Erwerb des
       Rundum-sorgenvoll-Pakets ist es natürlich klar, dass Sie ein frustrierter
       Wichser ohne Rückgrat sind. Tut mir leid.“
       
       „Schon gut“, sage ich, und er fährt fort: „Frauen-Opfer-Abos sind eh blöd.
       Viel zu billig, und außerdem besitzen die meisten Frauen in Deutschland
       längst eins. Denn bis auf die aufrechten paar Millionen selbstmitleidiger
       Psychopathen, die die Hellziffer von Fehlanschuldigungen schwerer gewichten
       als die hundertmal höhere Dunkelziffer nicht angezeigter Vergewaltigungen
       besteht doch leider ein gewisser Konsens über die angebliche Opferrolle der
       Frau.“
       
       „Ja“, seufze ich. „Das ist schon schlimm. Ich tu mir so leid.“
       
       „Das können Sie ja jetzt zum Glück auch – schwarz auf weiß!“ Herr Neuner
       schlägt mir kräftig auf die Schultern. „Und hier“, er zieht ein
       eingeschweißtes Glitzertuch aus der Tasche und überreicht es mir feierlich,
       „bekommen Sie noch ein kleines Geschenk von uns: Einen goldenen
       Jammerlappen.“
       
       Dankend schließe ich die Tür.
       
       23 Jan 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Uli Hannemann
       
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