# taz.de -- Fiktiver Fernseh-Plot: Ich hatte eine Straußwirtschaft
       
       > Am Montag wird bekannt, welche TV-Sendungen für den Grimme-Preis
       > nominiert sind. Zum Glück gibt es nicht nur Qualität im Fernsehen. Ein
       > fiktives Drehbuch.
       
 (IMG) Bild: Annegret (Christine Neubauer) ist im taz-eigenen Drehbuch nach Südafrika gekommen, um ihr Burn-Out zu vergessen.
       
       Annegret Kranmacher (Christine Neubauer) ist nach Südafrika gekommen, um
       ihre Mitte wiederzufinden. Zuvor hatte sie in Deutschland einiges
       durchmachen müssen: Die gelernte Friseurin hatte sich nach einem
       Feierabend-Master-Studium inklusive Promotion zur Pressesprecherin von
       Wella Deutschland hochgearbeitet, doch sie wurde Opfer einer Intrige aus
       Kollegenkreisen. Ihr Doktortitel wurde ihr aberkannt. Innerhalb kurzer Zeit
       verlor sie ihre Arbeit und ihren Mann, der ausgerechnet mit ihrer
       Nachfolgerin durchbrannte.
       
       Burnout. In Südafrika will Annegret noch einmal von vorn anfangen. Sie hat
       sich ein kleines Appartement in einem Vorort von Kapstadt gemietet und
       engagiert sich ehrenamtlich und couragiert für schwarze Straßenkinder, die
       die warmherzige Frau aus Deutschland verehren.
       
       Annegret beginnt wieder zu sich zu finden. Als sie eines Tages durch Zufall
       im Jachthafen von Kapstadt flaniert, verliert sie ihren Seidenschal. Er
       landet im Hafenbecken – doch Marten van Lohe (Helmut Zierl), der gerade die
       Teak-Holz-Planken seiner Vintage-Jacht mit Leinölfirnis einreibt, bekommt
       ihn mit einem Bootshaken zu fassen.
       
       Die beiden lernen sich kennen. Van Lohe ist Witwer und Familientherapeut,
       er betreibt eine kleine Praxis am Rande eines Townships. Doch auch er hat
       Probleme: Das Haus, in dem er für einen Apfel und ein Ei bedürftige
       schwarze Familien mithilfe der Familienaufstellung nach Hellinger
       therapiert, gehört einem gewissenlosen deutschen Sektfabrikanten, der auf
       seinem südafrikanischen Weingut residiert und seinen einheimischen
       Arbeitern den Mindestlohn verweigert. Er möchte in den Therapieräumen eine
       Straußwirtschaft einrichten.
       
       ## Mit der Vintage-Jacht hinaus aufs offene Meer
       
       Marten und Annegret fahren mit der Vintage-Jacht hinaus auf das offene
       Meer. Als sie bei Sekt und Erdbeeren auf den Sonnenuntergang blicken, kommt
       ein Schwarm Delphine vorbei. Annegret fasst sich ein Herz: „Du glaubst gar
       nicht, wie glücklich du mich machst. Ich werde an deiner Seite kämpfen.“
       
       Nach einer romantischen Nacht an Bord geht es zurück nach Kapstadt. Am
       frühen Vormittag nehmen die beiden Martens Landrover Defender und machen
       sich auf die weite Reise zum Weingut des Sektfabrikanten. Auf dem Weg
       müssen sie viele Prüfungen bestehen, die sie aber nur stärker
       zusammenschweißen. Bei einer Reifenpanne werden sie von aggressiven Affen
       bedrängt, doch Marten kann sie mit dem Blitz seines iPhones in die Flucht
       schlagen.
       
       Der Sektfabrikant Richard Blöbele (Sigmar Solbach) empfängt die beiden in
       seinem rustikalen Partykeller. Es gibt rheinland-pfälzische Spezialitäten
       und kalten Riesling. Sie versuchen Blöbele zu überreden, von seinen
       Straußwirtschaftsplänen abzusehen - den Township-Familien zuliebe. Doch er
       bleibt hart und redet permanent von Diversifizierung, steuerlichen
       Abschreibungen und dem Gräuel des Mindestlohns.
       
       ## Annegret kann ihr Dirndl auch ausfüllen
       
       Als Marten mal kurz auf die Toilette muss, bedrängt Blöbele Annegret.
       Aufgrund des deutschen Themenabends hatte Annegret ein Dirndl angezogen,
       was Blöbele zu Zoten animiert: „Sie können ein Dirndl auch ausfüllen“,
       stöhnt er. Und lallt: „Ich möchte, dass Sie meine Tanzkarte annehmen.“
       
       Die Situation eskaliert, als Marten van Lohe vom Klo zurückkommt. Marten
       schlägt Richard Blöbele bewusstlos. Das Behältnis mit der Feuerzangen-Bowle
       fällt um, die Farm gerät in Brand. Die beiden fliehen, doch der Landrover
       Defender springt nicht an, weil die Glühkerzen des Turbodiesels verdreckt
       sind. Stattdessen nehmen sie Richard Blöbeles vollgetankte Cessna Caravan
       675.
       
       Auf dem Panoramaflug zurück nach Kapstadt überfliegen Annegret und Marten
       den Tafelberg. Im Tiefflug kommen sie fliehenden Giraffen und
       majestätischen Elefanten ganz nah. Und als sie schließlich auf einer Piste
       bei Kapstadt notlanden, berührt Annegret die rote Erde Afrikas, lässt den
       Sand durch ihre Hand rieseln und weiß: Hier, in Afrika, liegt ihre Zukunft.
       Und ihr Herz, mag es auch geschunden sein, gehört nun Marten.
       
       Zu Hause erfahren sie über das Radio, das Richard Blöbele erstens tot ist
       und zweitens wegen Steuerhinterziehung in Deutschland gesucht wurde, weil
       seine Daten auf einer Schweizer Steuersünder-Datei vermerkt waren. Das
       Weingut und das Therapiehaus gehören nun dem Land Rheinland-Pfalz. Und weil
       die Ministerpräsidentin des Bundeslandes ein soziales Gewissen hat, schickt
       sie ein Fax, das Mietfreiheit für immer garantiert.
       
       Annegret verbrennt im total vertrockneten Garten des kleinen Hauses die
       letzte verbliebene Kopie ihrer Doktorarbeit und das Dirndl. Sie hat
       endgültig mit Deutschland und ihrer Vergangenheit gebrochen. Annegret wird
       nun die Stiefmutter von Martens drei halbwüchsigen Kindern und eröffnet
       eine Keramikwerkstatt.
       
       ##
       
       28 Jan 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Martin Reichert
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Grimme-Preis
 (DIR) Fernsehen
       
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