# taz.de -- Die Wahrheit: Däumchen im Pfläumchen
       
       > Wohin bloß galoppiert unser Staatsschiff?
       
 (IMG) Bild: Das Staatswesen sollte man ebenso aufmerksam beobachten wie zum Beispiel ein römisches Kriegsschiff.
       
       „Caveant consules, ne quid detrimenti res publica capiat“, sagten einst die
       Römer; „ich habe keine Ahnung, was das heißt“, sagen wir Deutschen. Nun
       hatten es die Römer freilich leichter, denn sie sprachen fließend Latein
       und hatten den Satz auf Anhieb voll im Sack. Dafür sind sie heute tot. Wir
       Deutschen aber leben und müssen extra aus dem Bücherregal ein schweres
       Nachschlagewerk herauspopeln, in dem es schwarz auf deutsch steht: „Mögen
       die Konsuln Sorge tragen, dass die Republik keinen Schaden erleide.“
       
       Nimmt man den Sinn beim Ohr und setzt in sehr freier Auslegung für
       „Konsuln“: Politiker und für „Republik“: Deutschland, so erkennt jeder, der
       mit offenem Hals durch die Welt geht, die Spannweite eines Satzes, der, wie
       immer und überall, genau hier und heute passt wie das Däumchen ins
       Pfläumchen. Mögen also die Politiker und PolitikerInnen sehr genau in ihren
       gut gewärmten Oberstübchen bedenken und erwägen, was ihre kurzgebratenen
       Beschlüsse draußen anrichten und was für Folgen ihre Konsequenzen nach sich
       ziehen!
       
       Das Staatsschiff, erkannte zu Lebzeiten schon Herr Cicero, ist ein scheues
       Reh, das selten lacht. Es soll an der langen Leine geführt werden, damit es
       keinem draußen im Lande über die Leber läuft; andererseits darf es seine
       Ellenbogen nicht nur auf der Zunge tragen, sondern muss imstande sein, mit
       ihnen scharf zuzubeißen.
       
       Ein falscher Schritt, und das ganze Land rutscht vom Sattel – das ist die
       eine Seite der Porzellankiste; doch zugleich muss eine Regierung genug Eier
       haben, um jeden Widerstand niederzumähen – das ist die andere Devise, die
       man im Rücken haben muss. Sonst geht, an dieser Erkenntnis ist wahrlich
       kein krummes Haar zu finden, dem Staatsschiff unten und oben die Luft aus.
       
       Eine seriöse Politik, die ihre Löffel gewaschen hat, darf deshalb weder
       angesichts hohler öffentlicher Kassen den Kopf in den Lokus stecken noch
       über das löchrige Gesundheitssystem die Hände über den Armen
       zusammenschlagen! Sie muss die Exportwirtschaft ebenso weiter aufpumpen,
       damit sie den Medusen des globalen Wettbewerbs trotzt und allen
       Konkurrenten den Saft abgräbt, wie sie der hinkenden Binnennachfrage zu
       dicken Backen verhelfen muss, damit dem stationären Einzelhandel nicht die
       Motten hochkommen – auch daran besteht kein Gramm Zweifel.
       
       Sie muss der Integration unserer gutwillig gestrickten Mitbürger
       ausländischen Glaubens schnelle Füße machen, ehe die Gesellschaft weiter
       verbeult wird, und der braven Mittelschicht, um die wir uns rund um die Uhr
       beneiden, wieder den eigenen Siegfried einflößen, der ihn in der
       Vergangenheit zum Zentrum des Sonnensystems aufblies. Dies der Tenor der
       bis in die Wäsche liberal gefärbten Presse, und sie hat bis untenhin recht.
       
       In dieselbe Meinung hauen deshalb die übrigen Medien in unserer
       pluralistisch gebauten Gesellschaft. In den anderen sich aufbäumenden
       Fragen darf die Regierung daher ebenso wenig in den ewigen Morpheus fallen:
       Sie muss die Eurokrise unter die Hutschnur drücken, ohne dass dem deutschen
       Konsumbürger die Zähne ausfallen; sie muss den Bundeswehrsoldaten, die an
       den wunden Punkten des Planeten ihren Beruf verüben, die Unsterblichkeit
       verleihen, ebenso wie der FDP; sie muss Bildung und Forschung den Kompass
       geradeziehen, damit man sie breiten Gewissens mit echtem Geld füttern kann
       und weiß, dass hinten was Nützliches rauswächst; und sie muss – auch und
       gerade im Sternkreiszeichen des Internets, das schon heute schneller ist
       als es selbst – dem technologischen Fortschritt die Menschen aus dem gut
       gewachsten Weg räumen.
       
       Es versteht sich von selbst und wird deshalb hier nicht extra auf den Tisch
       gepackt, dass das Staatsschiff sich dabei nicht nur um Deutschland und
       Europa dreht, sondern dass auch die Welt nicht zu kurz kommen darf. Dazu
       ist sie einfach zu wichtig! Und nachdem auch dieser gute Punkt hiermit
       ausreichend behandelt ist, steht fest: Alles, was nottut, sind richtig
       dicke Möpse, also nach Adam Riese Mut zur Zuversicht im Vertrauen auf eine
       gut geheizte Zukunft.
       
       Eine Regierung, die ihren Scheffel nicht unter den Schemel stellt, darf
       diesen Mut offen im Gesicht tragen, obwohl auch dann niemand sagen kann,
       wohin das Staatsschiff galoppieren wird, wie schon Herr von Cicero wusste.
       Schön, dass auch Sie es jetzt wissen!
       
       Damit klappen wir diesen aufschlussreichen Kommentar zu und danken für Ihre
       Aufmerksamkeit. Sie haben jetzt Zeit, andere Artikel der deutschen
       Tagespresse in Empfang zu nehmen. Super!
       
       30 Jan 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Peter Köhler
       
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