# taz.de -- Anschlag auf US-Botschaft in Ankara: Linke bekennen sich zu Attentat
       
       > Die radikale Splittergruppe DHKP-C bekennt sich zu dem Anschlag auf die
       > US-Botschaft. Die Tat könnte mit der jüngsten Verhaftungswelle in
       > Zusammenhang stehen.
       
 (IMG) Bild: Rettung eines Verletzten nach dem Anschlag
       
       ISTANBUL taz | Es erinnert an die 70er oder 80er Jahre. Auf einer Website
       hat sich die Revolutionäre Volkspartei – Front (DHKP/C) am Samstag zu dem
       am Vortag verübten Anschlag auf die US-Botschaft in der türkischen
       Hauptstadt Ankara bekannt. Mit dem Attentat wolle man gegen die
       völkermörderische Politik der USA im Nahen Osten protestieren und die
       Türkei, „ein Sklave der USA“, bestrafen. Außerdem wird ein Attentat auf
       Ministerpräsident Tayyip Erdogan angekündigt, der eine Marionette der USA
       sei.
       
       Zu dem Bekennerschreiben passt, dass die Ermittler in Ankara aufgrund von
       Aufnahmen der Überwachungskameras und einem DNA-Vergleich herausgefunden
       haben wollen, dass der bei dem Attentat umgekommene Täter Ecevit Alisan
       Sanli war, ein 40-jähriger Mann, der bereits 1997 als Militanter der DHKP/C
       im Gefängnis saß. Sanli soll damals an einem Anschlag auf ein Gästehaus des
       Militärs in Istanbul beteiligt gewesen sein.
       
       Sanli nahm im Jahr 2000 an einem der längsten und folgenreichsten
       Hungerstreiks in türkischen Gefängnissen teil. Diese Aktion, an der
       hauptsächlich Gefangene aus dem Umfeld der DHKP/C teilgenommen haben, wurde
       am 19. Dezember 2000 durch einen massiven Einsatz von Militär und
       Spezialkräften der Polizei beendet, die mitten in der Nacht landesweit 20
       Gefängnisse stürmten und dabei 36 Gefangene töteten.
       
       Seit diesem brutalen Einsatz galt die DHKP/C, die aus einer Abspaltung der
       Revolutionären Linken (Dev-Sol) entstanden war, als weitgehend erledigt.
       Der schwerkranke Ecevit Sanli erhielt 2001 Haftverschonung. Er entzog sich
       weiteren Zugriffen der Justiz, indem er untertauchte und illegal das Land
       verließ.
       
       ## Mit falschen Papieren in die Türkei
       
       Wie Hürriyet am Samstag berichtete, soll er kurz vor dem Anschlag mit
       falschen Papieren wieder in die Türkei eingereist sein, und zwar aus
       Deutschland kommend über eine griechische Insel, als Tourist getarnt. Mit
       seinen falschen Papieren soll er dann versucht haben, durch den
       Seiteneingang der Botschaft in die Visastelle vorzudringen. Als ein Wächter
       ihn aufhalten wollte, zündete er sechs Kilogramm Sprengstoff, tötete sich
       und den 36-jährigen Sicherheitsmann und verletzte die bekannte
       Fernsehjournalistin Didem Tuncey, die tatsächlich ein Visum beantragen
       wollte, lebensgefährlich.
       
       Ob die abstrakte, im RAF-Stil formulierte Antiimperialismuserklärung im
       Internet das einzige Tatmotiv wiedergibt, ist noch unklar. Der Anschlag
       könnte auch in Zusammenhang stehen mit einer Verhaftungswelle vor zwei
       Wochen, bei der die Polizei über 100 Personen festgenommen hatte, denen
       mehr oder weniger pauschal Unterstützung der DHKP/C vorgeworfen wird. Von
       den damals Festgenommenen sitzen nun 52 Personen in Haft, darunter 12
       Rechtsanwälte. Insbesondere die Inhaftierung der Anwälte hatte Proteste im
       In- und Ausland hervorgerufen, weil diese Anwälte, die in einem linken
       Anwaltsverein organisiert sind, vor allem Klienten vertraten, die sich
       gegen Übergriffe der Polizei zur Wehr setzten. Darunter waren auch die
       Freunde und Angehörige des nigerianischen Flüchtlings Festus Okay, der in
       Polizeihaft erschossen worden war. Auch den Anwälten wird vorgeworfen, sie
       hätten Kontakte zu untergetauchten DHKP/C-Mitgliedern.
       
       Seit Jahren wird von Beobachtern allerdings die aktive Existenz der DHKP/C
       in Frage gestellt. Zwar gab es immer mal wieder Anschläge, die der Gruppe
       zugerechnet wurden, als politische Organisation ist sie aber nur mehr ein
       Phantom. Kritiker vermuten stattdessen, dass der Verweis auf die DHKP/C in
       den letzten Jahren eher dazu diente, missliebige aktive Linke festzusetzen.
       
       3 Feb 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jürgen Gottschlich
       
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