# taz.de -- Die Choreografin Sasha Waltz: Die Marke Tanz verspielt
       
       > Berlin ist stolz auf die Tanzcompagnie von Sasha Waltz, die vor zwanzig
       > Jahren hier gegründet wurde. Doch ihr Verbleib in der Stadt ist unsicher.
       
 (IMG) Bild: Die Chefin der Tanzcompagnie Sasha Waltz & Guest ist keine Frau der lauten Gesten.
       
       Am letzten Wochenende schien noch alles gut. Da führte die Tanzcompagnie
       Sasha Waltz & Guests „Matsukaze“ im Schillertheater auf, eine Koproduktion
       mit der Berliner Staatsoper und drei weiteren Musiktheatern in Brüssel,
       Warschau und Luxemburg. Die Karten für die Gespensteroper des japanischen
       Komponisten Toshio Hosokawa waren schnell weg, Waltz’ Inszenierung
       versprach ein großes sinnliches Vergnügen. Tänzer und Sänger winden sich
       durch ein Dickicht von Seilen wie durch einen finsteren Wald, unheimlich
       und romantisch zugleich ist ihre Klage um eine verlorene Liebe.
       
       Freuen konnte man sich auch, weil die Staatsoper Berlin im Oktober ein
       weiteres Projekt zusammen mit Sasha Waltz herausbringen will, eine Fassung
       des hundertjährigen Balletts „Le Sacre du Printemps“ von Strawinsky in
       großer Besetzung. Zuvor ist die Choreografin vom Marinsky Theater in
       Petersburg eingeladen, mit der dortigen Compagnie tief in die
       Ballettgeschichte einzutauchen und das 100-jährige Werk zu inszenieren.
       
       Am Dienstag aber kam der Paukenschlag, der die Vorstellung, die
       international gefragte Choreografin sei Berlin sicher, wieder zerstörte.
       Sasha Waltz verschickte eine Pressemitteilung, dass sie nach zwei Jahre
       währenden Gesprächen mit der Berliner Kulturverwaltung keine Perspektive
       mehr in Berlin sieht. In Gesprächen will sie nun sondieren, einen besseren
       Standort für ihre Compagnie zu finden.
       
       ## Kulturverwaltung reagiert erschrocken
       
       Zwar weiß der Senat, wie der Staatssekretär für Kultur, André Schmitz, kurz
       darauf in einer etwas erschreckten, aber kaum beruhigenden Pressemitteilung
       bestätigte, von den strukturellen Problemen der Compagnie, sieht sich aber
       angesichts des Haushalts nicht in der Lage, ihre Förderung zu erhöhen.
       Obwohl Schmitz schrieb, dass die Senatskulturverwaltung „Sasha Waltz in
       Berlin halten will“, bestätigte er die Absage nach mehr Geld als den 1,85
       Millionen Euro jährlich, die Waltz Compagnie aus einem eigenen
       Haushaltstitel und einer Regelförderung durch den Hauptstadtkulturfonds
       erhält.
       
       Nun ist es nicht einfach zu begreifen, worin die strukturellen Probleme
       liegen, die Sasha Waltz, die dieses Jahr das zwanzigjährige Bestehen ihrer
       Compagnie in Berlin feiern kann, so bedrängen, dass sie öffentlich mit
       ihrem Weggang droht. Sie ist keine Frau der lauten Gesten oder mangelnder
       Verhandlungsbereitschaft. Die zermürbende Sorge um die Möglichkeiten ihrer
       Compagnie, die Enttäuschung über ausbleibende Perspektiven müssen vor so
       einem Schritt schon sehr an ihr genagt haben.
       
       Der jährliche Etat der Compagnie umfasst ungefähr 4 Millionen Euro; die
       Hälfte davon erwirtschaften sie durch Koproduktionen und Gastpiele – und
       finanzieren damit auch ihre Auftritte in Berlin, etwa im Radialsystem. Die
       Produktionen von Sasha Waltz sind zwar meistens finanziert; die Förderung
       durch Berlin deckt die Fixkosten für das Personal. Die Wiederaufführungen
       aber, die die Stücke einem weitern Publikum zugänglich machen, oft mit
       Orchestern und zusätzlichen Gasttänzern, kosten jeweils mehr, als die
       Einnahmen einbringen.
       
       ## Die große Bewegung ist ihre Stärke
       
       Nun könnte man fragen, warum die Choreografin nicht weniger aufwendige
       Stücke plant. Das Dilemma resultiert auch aus ihrem Erfolg, ihre
       Produktionspartner wollen von ihr gerade die Stücke für große Compagnien,
       in deren Bewegungsbildern liegt eine ihrer Stärken ebenso wie in der
       Zusammenarbeit mit den Musikern auf der Bühne. Keiner ihrer Partner will
       von ihr günstige Kammerspiele.
       
       Das andere Problem ist das fehlende Haus. Auch Sasha Waltz muss das
       Radialsystem mieten, wenn sie dort auftreten will – das wird oft übersehen,
       weil ihr Mann Jochen Sandig dort einer der beiden Geschäftsführer ist.
       
       Sasha Waltz hat den zeitgenössischen Tanz in Berlin zu einer eigenen Marke
       der Kultur gemacht. Nicht nur mit ihren eigenen Stücken, sondern auch als
       Mitbegründerin der Sophiensæle. Mit diesem Pfund zu wuchern, das wäre die
       Aufgabe der Kulturpolitik in Berlin gewesen. Waltz’ Förderung ist aus
       Fördermitteln der Freien Szene erwachsen und teilweise dort noch verankert
       – aber sie hätte, ähnlich wie Forsythe in Frankfurt und Dresden oder Pina
       Bausch in Wuppertal, längst ein eigenes Haus und eine institutionelle
       Förderung verdient.
       
       Der Imageverlust, die Schlappe für die Berliner Kulturpolitik, sie nicht
       hier gehalten zu haben, wäre enorm, wenn sie wirklich in eine andere Stadt
       zieht. Und die Tanzliebhaber würden weinen. Und vielleicht, ähnlich wie die
       beiden Schwestern in der Oper „Matsukaze“, aus unerfüllter Liebe zu
       Gespenstern werden, die nachts den Berliner Kultursenator und Bürgermeister
       Klaus Wowereit heimsuchen.
       
       7 Feb 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Katrin Bettina Müller
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Sasha Waltz
       
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