# taz.de -- Ein Lob des Valentinstags: Sie stand vor mir – nackt
       
       > Der Valentinstag, ein Marketingtrick der Floristen? Nein! Viel mehr: ein
       > Tag der Freude. Ein Blumenbote erinnert sich an schön schräge Momente.
       
 (IMG) Bild: Als Blumenfahrer wird man schnell zum Liebesboten - zum Stellvertreter des Liebhabers.
       
       Falls jemand immer noch der Ansicht ist, der Valentinstag, der nun wieder
       die Blumenhändlerbilanzen frisieren helfen wird, sei nur eine miese Masche
       des Floristenkartells – bitte, er soll das denken. Mag ja sein, dass es
       dreister Abzocke gleichkommt, ausgerechnet in der blumenarmen Zeit die
       Leute dazu zu animieren, Schnittblumen zu verschenken; die Kunden also zum
       Kauf von Etwas zu animieren, was es mitten im kalten Winter gar nicht gibt.
       Bedarfsweckungsgesellschaft! Schlimm!
       
       Es gibt auch Öko- und Gender-Argumente gegen den Valentinstag: Die Blumen
       müssen von weit her klimaschädlich herbeigeschafft werden und zementieren
       alte Rollenmuster, weil an diesem Tag meistens Er Ihr Blumen schenkt als
       Dank fürs Bügeln, für die Vollverpflegung zu Hause, fürs Rückenfreihalten.
       
       Ja, ja, denkt das nur, ihr Nieselprieme und Konsumbesserwisser. Oder, um im
       Blumenladenpausenraumjargon zu sprechen: welke Nelken! Ich lasse mir diesen
       Tag nicht kaputt machen. Ich schenke Blumen, meinetwegen auch am 14.
       Februar. Ich liebe Blumen – und noch viel lieber habe ich sie als
       Blumenbote zu den Leuten gebracht. Und das dann auch sehr gern an genau
       diesem Tag, der Valentinstag heißt.
       
       ## Ein Liebesbote
       
       Früher, als ich Teil der Amaryllis-Armee war, die unschuldigen Menschen
       Blumen aufnötigt, war ich – auch wenn ich mich nicht entschuldigen muss –
       jung und brauchte das Geld, außerdem hatte ich Bock, Auto zu fahren. Nun
       ja, es gab auch konkreten Anlass: Ich hatte gerade den Führerschein
       erworben; der Klasse-3-Lappen, damals noch rosafarben und aus Papier, hatte
       mich 42 Fahrstunden gekostet und drei Anmeldungen zur praktischen Prüfung.
       Teuer!
       
       Ich verdiente also Geld, wobei das Trinkgeld den Stundenlohn oft
       verdoppelte, und erwarb Fahrpraxis, was dem Auto egal sein konnte, denn der
       Passat Variant von Blumen Cordes in Oldenburg hatte eh schon ein paar
       Macken. Er wurde zum geliebten Gefährten – und ich mit Wonne ein schamloser
       Profiteur des Blumenkapitalismus, gerade an Blumenstrauß-Tsunami-Tagen wie
       dem 14. Februar.
       
       Auf die Werbekampagne der Blumenhändler fielen viele Menschen rein, was ich
       großartig fand. Die Touren durch die Stadt wurden länger, das gab noch mehr
       Geld. Zwischendurch brachte ich Wiener Würstchen der damals noch
       existierenden Schlachterei Hutfilter für alle in den Laden, damit die
       ständig Blumensträuße Bindenden nicht vom Fleische fielen, ich durfte
       mitessen. Und wurde im metallicblauen VW zum Postillon d’Amour, was – in
       Geld nicht aufzuwiegen – das Beste überhaupt war.
       
       ## "Kannst reinkommen" - Upps
       
       Stellvertreter des Liebhabers, Überbringer eines Wiedergutmachungsgeschenks
       nach bösem Zerwürfnis, Tröster, ohne zu wissen, warum, Seelsorger, immer
       mittendrin in den Lebenssituationen und -welten der Adressaten, ohne
       allerdings belastet zu sein von dem, was da auch immer vorgefallen sein
       mochte. Nie Streitbeteiligter, stets ohne Verantwortung für ein Vergehen,
       und dabei immer positiv konnotiert, weil ich mit einem Blumenstrauß in den
       Händen vor irgendeiner Tür stand.
       
       Wer je den Ausspruch geprägt hat, Blumen schenken heiße Freude verschenken
       – ich bekam es zu spüren. Wie oft ich in leuchtende Augen sah! Und mir
       gedankt wurde, obwohl ich kaum etwas getan hatte. Im Prinzip war das die
       Umkehr dessen, was mir als Journalist widerfährt: Man wird beschimpft, weil
       man die schlimmen Nachrichten überbringt: Hungersnot da, Nazis hier, Krise
       überall – was für miese Typen, diese Schreiberlinge! Und: Was für ein
       liebenswerter Mensch, der Blumenbote!
       
       Manchmal, wirklich nur manchmal brachte mich meine Rolle als in jeder
       Hinsicht unbeteiligter Freudenbote aber auch in knisternde Situationen.
       Auch das konnte ich nicht schlecht finden, zumal ich Dienst und Privatleben
       nie vermischte.
       
       Einmal, in einem rot geklinkerten Wohnblock war’s, zweiter Stock, stand die
       Wohnungstür offen, von drinnen wurde ich von einer Frauenstimme freudig
       hereingerufen: „Kannst reinkommen!“ Du? Also: ich? Als ich drin stand,
       stand sie vor mir: nackt. Merkte aber ebenso schnell wie ich, dass nicht
       ich es war, den sie erwartet hatte. Während ich mir also – hatte ja nichts
       anderes zur Hand – den in gelbes Papier gehüllten Blumengruß – raschel,
       raschel – vor die Augen zog, verschwand sie im Nebenzimmer, warf sich was
       über. Was ich völlig angemessen fand. Denn – nein – ich wollte nicht mehr
       sein als Blumenbote, schon gar nicht so plötzlich.
       
       ## Es rührte mich jeden Samstag
       
       Auch nicht, als eine von einem Freund begehrte Mitschülerin, zwei
       Jahrgangsstufen unter uns, eines Samstagmorgens, Station drei meiner
       Blumentour, im – ähem – lasziv verrutschen Pyjama vor mir stand. Wollte sie
       das? Wollte sie etwas von mir? War das alles nur ein Versehen? Egal. Ich
       überreichte die Blumen und ging, ein Trinkgeld gab es dort nicht.
       
       Ans Herz wuchs mir in meiner Zeit als Blumenfahrer nur eine: die alte Dame,
       die mich im Seniorenheim auf ihrem Sofa liegend empfing. Also, sie lag dort
       immer und hatte sich nicht etwa extra für mich dort drapiert. Sie zog an
       einer langstieligen Zigarette der heute – sicherlich zu Unrecht – in
       Vergessenheit geratenen Tabakmarke Atikah und freute sich, dass ich kam.
       Ihre Stimme war rauchig, was auch irgendwie sinnlich war, eine mit Wasser
       gefüllte Vase stand bereit, daneben die Schere zum Durchschneiden des
       Blumenbandes und zwei Mark Trinkgeld. Ein kurzes Gespräch über die
       Fährnisse des Alters und vor allem ihren fernen Liebhaber, der ihr alle 14
       Tage Blumen kommen ließ. Das rührte mich jeden zweiten Samstag aufs Neue.
       
       Was dieser mir gänzlich unbekannte Mann voll guter Manieren und liebevoller
       Zuneigung über die Entfernung und all die Jahre dieser Frau an Freude
       bereitet hat – man wird es nie beziffern können. Und allein schon deshalb
       sage ich: Kauft Blumen! Schenkt Freude! Im Winter! Am 14. Februar.
       
       14 Feb 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Felix Zimmermann
       
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 (DIR) Liebe
 (DIR) Blumen
       
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