# taz.de -- Mario Gomez beim FC Bayern: Hektors Erbe
       
       > Münchens Angreifer Mario Gomez hat es derzeit schwer beim FC Bayern. Doch
       > er wehrt sich – wie sich das für einen Shooting-Star gehört.
       
 (IMG) Bild: „Ich fürchte mich vor niemandem!“ Mario Gomez, der Mythos.
       
       Als Homer sein tragisches Versepos um den Trojanischen Krieg verfasste,
       dachte er an alles. Helden wie den rasenden Achilles oder den ausgefuchsten
       Odysseus setzte der Grieche in den Dünen der trojanischen Küste ab. Den
       Sympathischsten unter ihnen aber stellte Homer an die Spitze der
       Belagerten: [1][Hektor]. Über die Jahrtausende hinweg wurde sein
       tugendhaftes Bild in die idealtypische Form eines noblen Ritters gegossen.
       
       Die Sagenwelt des deutschen Fußballs hatte lange keinen mehr wie ihn
       gesehen. Bis Mario „Hektor“ Gomez kam. Brav absolvierte der Schwabe die
       Nachwuchsschule beim VfB im Ländle. Dann rief der bayerische Hofstaat. 2009
       kam der Wechsel zum FC Bayern. Vorbildlich ertrug der flott gegelte
       Musterathlet den Zirkus im Verein und um die eigene Karriere.
       
       Edelmann Gomez erreichte auch bald mit den Kollegen das Endspiel der
       Königsklasse gegen Mourinhos Mailand. Ein Auftakt für eine sagenhafte
       Heldenbiografie: Mit dem niederländischen Disziplinfanatiker Louis van
       Graal („Ich war überall der Cäsar“) kam der sensible Knipser ebenso wenig
       zurecht („Das Schönste für mich in dieser Saison war, dass ich mich gegen
       einen Trainer, der einen nicht will, durchgesetzt habe“) wie mit der oft
       eigenwillig agierenden Heldenphysis.
       
       Doch es folgte die Bundesligatorschützenkrone 2011. Danach kam der
       mythengerechte, folglich elegisch besungene Champions-League-Gipfel dahoam.
       Dann jedoch griff grausig ARD-Herold Mehmet Scholl den gestählten
       Nationalspieler während der EM an. Die deutsche Sportmedizin weiß nun um
       das Leiden „wund gelegener“ Fußballer.
       
       Doch was damals unter der dichten Tunika des Diskurses verborgen blieb,
       war, dass Scholls Analyse zutraf: Gomez war und ist ein Shooting-Star – auf
       Porträts hübsch anzusehen und vor dem Tor eiskalt, aber limitiert. Sein
       einziges Argument ist Effektivität (130 Tore in 224 Bundesligaspielen).
       Bleibt die aus, wird es eng mit der Startaufstellung in Liga und
       Nationalelf.
       
       Insofern war die Entscheidung von Bundestrainer Löw, Gomez gegen Frankreich
       zu bringen, zwar ein Paradigma gewohnter Loyalität unter Ehrenmännern, aber
       am Ende stand die Erkenntnis, dass das Team seiner Dienste momentan nicht
       bedarf. Für Spielkultur standen die modernen Grazien Gündogan, Khedira und
       Özil.
       
       ## Gerüchte kreisen über München
       
       Der bescheidene Unterlegene wusste diese Niederlage elegant zu
       kommentieren, indem er sich Förderer Jupp „Priamos“ Heynckes an der Säbener
       Straße zuwandte: „Ich weiß nicht, wie viele Bundesligatrainer mich gebracht
       hätten nach dem Mittwochspiel.“ Gomez traf und bereitete einen Treffer
       gegen desolate Schalker vor. Ob Don Jupp allerdings gegen die Kanoniere in
       der Londoner Innenverteidigung auf ihn setzen wird, ist ungewiss.
       
       Obendrein kreist in München seit der Winterpause das Gerücht – zuletzt
       geflüstert vom Münchner Hofnarr Lothar Matthäus – von der Verpflichtung
       eines neuen Stürmers über der bayerischen Landeshauptstadt. Robert
       Lewandowski hat den Instinkt eines Odysseus und verfügt dazu über die
       wuchtige Durchschlagskraft eines Achilles. Zudem hat BVB-Coach Klopp ihm
       eine perfekte moderne Spielanlage verpasst. Der Pole ist die Symbiose aus
       den Feinden Hektors. In der Ilias endete diese Konfrontation unschön.
       
       Die Reaktion von Gomez auf derartige Spekulationen kam prompt: „Ich habe
       keine Angst – vor niemandem! Der Verein muss sich klar bekennen.“ Da ist
       sie wieder, die noble Gesinnung. Gefallen dürfte den Bayern dieser
       ungewohnt laute Vorstoß weniger, aber vielleicht jemandem, der ein ähnlich
       ehrbares Mäntelchen trägt und im Sommer dort seinen Dienst antritt. Der
       strahlende Stratege kommt aus Spanien und könnte sogar mit Mario Gomez
       zweisprachig der Minne frönen.
       
       19 Feb 2013
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://de.wikipedia.org/wiki/Hektor
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jan Scheper
       
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