# taz.de -- Die Wahrheit: Widewidewitt bum bum
       
       > Der weltberühmte Doktor Eisenbarth hatte schon zu Lebzeiten einen
       > schlechten Ruf und verfasste deshalb die Mutter aller Promotionen.
       
 (IMG) Bild: „Der nächste Halt ist Brilon-Wald!“
       
       Fragt etwa ein von Krankheit geplagter Chinese seinen Barfußarzt beim
       Setzen der Akupunkturnadeln nach dessen Promotionsschrift? Fragt etwa ein
       vom Marterpfahl des Leidens ins Leben zurückgeholter Indianer den
       Medizinmann nach der rechten Zitierweise im Medizinbuch des Großen Manitu?
       Wohl kaum. Und so nimmt es auch nicht wunder, dass der berühmteste aller
       Doktoren lachen würde über die Promotionsdebatte, die derzeit durch
       Deutschland tobt.
       
       Johann Andreas Eisenbarth, weltbekannt als „Doktor Eisenbarth“ und auf
       diesem Planeten von 1663 bis 1727 unterwegs, war dabei in so vielen
       Hinsichten stilbildend, dass seiner an dieser Stelle einmal erinnert werden
       muss.
       
       „Person und Gewissen“, der Titel der Promotionsschrift unserer ehemaligen
       Bundesbildungsministerin Annette Schavan, waren ihm Begriffe, mit denen er
       täglich nicht nur theoretisch, sondern auch aufs Fleischlichste zu tun
       hatte. Doch anders als die zurückgetretene Kanzlerinvertraute hat er nie
       einen Hehl daraus gemacht, dass er sehr wohl Personen auf dem Gewissen
       hatte, wie er in seiner – fälschlicherweise „Testament“ genannten –
       Promotion bekannte, die er am 1. September 1727 im Schwarzen Bären in der
       Kurzen Straße zu Göttingen verfasste: „Es hatt einmal ein alter Mann /
       widewidewitt bum bum / im Rachen einen hohlen Zahn, / widewidewitt bum bum.
       / Ich schoss ihn raus mit der Pistol, / ach Gott, wie ist dem Mann so
       wohl.“
       
       Mit diesen wenigen selbstkritischen Zeilen bekannte sich eine
       wissenschaftliche Koryphäe zur medizinischen Verantwortung – mit allen
       Risiken des akademischen Procedere und lange vor Professor Sauerbruch, dem
       auch nicht wenige unter der Häkelnadel wegstarben.
       
       Dieser unprätentiöse ehrliche Umgang mit den Fakten fand schon bei seinen
       Zeitgenossen Anklang, wie der umgehend erfolgte Ruf an den russischen Hof
       belegt: „Drauf rief mich stracks der große Zar, / widewidewitt bum bum. /
       Er litt schon lang am grauen Star, / widewidewitt bum bum. / Ich stach ihm
       beede Augen aus, / jetzt ist der Star auch wohl heraus.“ Das sitzt – erst
       recht mit dem nachfolgenden, schier triumphalen „Gloria, Viktoria,
       widewidewitt juchheirassa! / Gloria, Viktoria, widewidewitt bum bum“, das
       eine Freude an der Wissenschaft verspüren lässt, wie man sie in den
       vertrockneten Ministerialpromotionen von heute vergeblich sucht. Doktor
       Eisenbarth war nicht nur seiner Zeit voraus, sondern sogar einem Friedrich
       Nietzsche, der mit seiner „Fröhlichen Wissenschaft“ erst gut anderthalb
       Jahrhunderte später in Fachkreisen punktete.
       
       Ein Wort muss freilich über das böse Werk der damaligen Rechtschreibung
       gesagt werden. Dass ein so großer Mediziner wie Eisenbarth überhaupt in
       einen gewissen Ruch geraten konnte, liegt einzig an der Lese- und
       Schreibschwäche seiner Zeitgenossen. Wo sein Vater nachweislich
       Bruchschneider und Okulist war, lasen die Leute „Aufschneider und
       Okkultist“. Wo Eisenbarth selber Wundversorgung leistete, wurden seine
       Heilmethoden gleich zu „Wunderkuren“ hochstilisiert, um nicht zu sagen:
       hochsterilisiert. Immerhin ist belegt, dass er sein Operationsgeschirr
       schon eigenhändig in Flammen hielt.
       
       Wie also hätte wohl der Doktor Eisenbarth, der tüchtige Operateur von
       Hernien und Steinschneider, der Erfinder des Polypenhakens, die Vorwürfe
       entkräftet, die die Ministerin Schavan den Titel kosteten? Vielleicht so:
       „Ich bin die Frau Ministerin, / widewidewitt bum bum. / Gewissen ist bei
       mir nicht drin, / widewidewitt bum bum. / Zitate sind mir eh ein Graus, /
       da mach ich liebe Thesen draus.“ Und weiter: „Mich heimlich schämen tu ich
       nicht, / widewidewitt bum bum. / Das mache ich im Rampenlicht, /
       widewidewitt bum bum. / Ich bin jetzt die Annette pur / und habe nicht mal
       Abitur.“
       
       Mit diesem posthumen Geständnis im Buchrücken muss sich die Düsseldorfer
       Universität daher schon die Frage gefallen lassen, ob sie während der drei
       tollen Tage nicht doch noch ein Auge zudrücken sollte, denn eine Promotion,
       auf die sich derart prima singen und schunkeln lässt, ist doch mal was
       anderes – „Gloria, Viktoria, widewidewitt juchheirassa! / Angela, Viktoria,
       Katharinawitt dum dum …“
       
       11 Feb 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Reinhard Umbach
       
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