# taz.de -- Die Wahrheit: Mein lieber Benedetto …
       
       > Die Geschäftsbilanz von Papst Benedikt XVI. fällt ernüchternd aus. Nun
       > meldet sich in einem offenen Brief sein oberster Boss zu Wort.
       
 (IMG) Bild: Gerade noch rechtzeitig hat Benedikt beschlossen, seinen Hut zu nehmen.
       
       Mein lieber Benedetto, ich war es nicht. Ich bin zwar der Allmächtige, aber
       selbst ich kann Kim Jong Un nicht davon abhalten, Atomböller und -raketen
       abzufeuern. Wenn die Nordkoreaner ihrer Freude über deinen Rücktritt so
       Ausdruck verleihen wollen, bin auch ich machtlos.
       
       Und damit zu uns, Benedetto, zum Geschäftlichen. Du wirst zwar in
       absehbarer Zeit vor meinen Stuhl treten, aber wenn du vorzeitig deinen
       Posten räumst, dann kann ich auch schon jetzt deine Bilanz vorlegen.
       Persönlich hatten wir uns sowieso nie viel zu sagen.
       
       Erst einmal, Benedetto – oder sollte ich dich jetzt besser wieder Joseph
       nennen? Ja, Joseph, dir gebührt meine aufrichtige Anerkennung für dein
       Gespür, die Bombe just zum Rosenmontag platzen zu lassen. Das hast du
       wirklich fein hingekriegt! Und selbstverständlich marketingtechnisch nicht
       mit mir abgesprochen. Wenn die Meldung von deinem Rücktritt in den
       Nachrichtensendungen umrahmt wird von all diesen Karnevalsumzügen, denkt
       doch jeder da draußen, wir wären der größte Karnevalsverein der Welt.
       
       Wenn du so stur und einsam eine solch weitreichende Entscheidung triffst,
       glauben die Menschen da unten doch tatsächlich, die katholische Kirche wäre
       ebenso engstirnig und würde brecheisenfest auf dem exklusiven Zugangsrecht
       zu einer ewig gültigen, universellen Wahrheit beharren. Das ist als Unique
       Selling Proposition heute wahrlich nicht mehr zu gebrauchen!
       
       Dann heißt es wieder, der Glaube würde einzig und allein auf einem von
       anonymen Kopisten über Jahrhunderte hinweg aus alten Mythen
       zusammengestückelten heiligen Buch basieren, das ein zuvor durch
       Generationen von Analphabeten geschleustes Sammelsurium beliebter Sagen und
       altertümlicher Räuberpistolen präsentiert. Das kauft einem heutzutage
       keiner mehr ab. Und außerdem hatte ich mir beim Erfinden der Geschichten
       große Mühe gegeben.
       
       Haben wir, lieber Joseph, um solche irrigen Ansichten zu unterdrücken,
       nicht jahrhundertlang mit Schwert und Scheiterhaufen auf dem kleinen
       Dienstweg Nächstenliebe und Barmherzigkeit gepredigt? Gut, heute ist das
       alles nicht mehr so einfach. Viele Menschen denken tatsächlich, dass die
       Kirche auch im 21. Jahrhundert die Realität großräumig umbetet und sich
       auch in der Gegenwart wacker an den frühen Hirngespinsten und dem rituellen
       Brimborium einer archaischen Hirtenkultur orientiert.
       
       Selbst die Leichtgläubigen werfen uns vor, dass wir unseren Kunden den seit
       Ewigkeiten überwucherten Trampelpfad als einzigen Weg in die Glückseligkeit
       verscherbeln. Dabei wissen wir beide doch, dass das, was von uns schon
       immer für gut befunden wurde, nicht einfach heute, kaum ein paar
       Jahrtausende Menschheitsgeschichte später, schlecht sein kann.
       
       Machen wir uns nichts vor, Joseph. Die katholische Kirche ist und bleibt
       die Avantgarde der intellektuellen Nachhut. Unsere Leute sind der
       Husarentrupp der geistig Daheimgebliebenen, der mehr schlecht als recht zu
       verteidigen versucht, was an frühgeschichtlichen Gedankenruinen noch zu
       halten ist.
       
       Hier mal, lieber Joseph, von den ganzen Missbrauchseinzelfällen und ähnlich
       unübersichtlichen Dingen wie gewohnt zu schweigen. Das war nun wirklich
       kein einträgliches Geschäftsmodell. Das stellt sich der Return on
       Investment auch nicht vor dem Jüngsten Gericht ein! Und du, Joseph, hast
       uns bei all dem in den letzten Jahren nicht einen Millimeter
       weitergebracht.
       
       Also nichts für ungut, lieber Joseph. Deine Bilanz fällt miserabel aus.
       Aber als mein Stellvertreter kann ich dir schlecht das Höllenfeuer als
       Alterssitz anbieten. Du wirst verstehen, dass ich dir auch keinen Bonus
       anbieten kann, ich muss an unsere Investoren denken. Und für deinen
       Nachfolger als obersten katholischen Ladenhüter muss ich mir jetzt
       irgendetwas ausdenken, was uns alle voranbringt. Und notfalls muss ich eben
       mal wieder auf die gute, alte Inquisition zurückgreifen, die als einzige in
       der Lage ist, unser brennenden Probleme zufriedenstellend zu erledigen.
       
       Also, Joseph, altes Haus, bei aller Liebe, halt dich wacker und hau rein,
       dein Herr Gott.
       
       12 Feb 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jörg Schneider
       
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