# taz.de -- 3-Prozent-Klausel in Berlins Bezirken: Finale im Hürdenlauf
       
       > Gericht verhandelt heute über die 3-Prozent-Klausel bei Wahlen für die
       > Bezirksparlamente. Kippt sie, könnten Tierschützer, Satiriker und Rechte
       > profitieren.
       
 (IMG) Bild: Ist Ihre Stimme verloren?
       
       Das Landesverfassungsgericht verhandelt heute über die 3-Prozent-Hürde für
       die Bezirksparlamente. Klägerin ist die Tierschutzpartei, die im Jahr 2011
       in Tempelhof-Schöneberg 1,9 Prozent der Stimmen holte. Ohne die Hürde wäre
       die Partei also mit einer Person ins Parlament eingezogen – stattdessen
       blieb sie draußen. Mit einer Entscheidung des Gerichts ist heute noch nicht
       zu rechnen.
       
       Die 3-Prozent-Hürde ist in Artikel 70 der Berliner Landesverfassung
       festgeschrieben. Die Tierschutzpartei beantragt nun, dass das
       Verfassungsgericht diesen Teil der Verfassung für verfassungswidrig
       erklärt. Juristisch gesehen ist das möglich, wenn ein wichtiger
       Verfassungsgrundsatz im Widerspruch zu einem weniger wichtigen Paragrafen
       steht.
       
       Das Hamburger Landesverfassungsgericht hatte im Januar die dortige
       3-Prozent-Hürde für Bezirkswahlen gekippt. Es sah darin einen Verstoß gegen
       die Wahlgleichheit, weil die Stimmen der Wähler kleiner Parteien unter den
       Tisch fallen. Auch die Chancengleichheit der Parteien sah das Gericht
       verletzt.
       
       Zugleich sah das Hamburger Gericht keinen Hinweis darauf, dass es ohne
       3-Prozent-Hürde zu „relevanten Funktionsbeeinträchtigungen oder gar
       Funktionsstörungen der Bezirksversammlungen“ kommen könnte. Es gebe keine
       Belege dafür, dass es zu „instabilen Mehrheitsverhältnissen“ kommen könnte.
       Das Gericht stellte außerdem fest, Bezirksversammlungen seien „nur Teil der
       Verwaltung und deshalb weniger als gesetzgeberisch tätige Parlamente auf
       stabile Mehrheiten angewiesen“.
       
       Das gilt auch für Berlin: Die Bezirke sind keine eigenständigen Gemeinden,
       wie es sie in Flächenländern gibt. Das Land Berlin ist stattdessen
       Bundesland und Gemeinde zugleich. Es hat sich entschieden, Bezirke zu
       gründen und diesen einige Aufgaben zuzuweisen. Die Bezirke dürfen sich aber
       zum Beispiel nicht verschulden oder eigene Steuern erheben. Auch werden die
       Stadträte der Bezirke nicht von einer Koalition gewählt – stattdessen
       erhalten alle größeren im Parlament vertretenen Parteien einen oder zwei
       Stadträte. Aus all diesen Gründen wäre ein Urteil des Verfassungsgerichts
       über die Prozentklausel bei den Bezirksparlamenten auch nicht direkt auf
       das Abgeordnetenhaus übertragbar – dort liegt die Hürde nach wie vor bei
       fünf Prozent.
       
       Wenn die Tierschutzpartei mit ihrer Klage durchkommt, würde es faktisch
       immer noch eine Hürde geben, wenn auch eine geringere: Da ein
       Bezirksparlament immer aus 55 Abgeordneten besteht, bräuchte eine Partei
       rechnerisch 1,8 Prozent der Stimmen, um Anspruch auf einen Sitz zu haben.
       
       Profitieren von der neuen Regelung würden alle Parteien, die zwischen 1,8
       und 3 Prozent liegen. Bei den Wahlen 2011 wäre die FDP die größte
       Gewinnerin gewesen: Sie hätte in Charlottenburg-Wilmersdorf,
       Steglitz-Zehlendorf, Tempelhof-Schöneberg und Reinickendorf jeweils einen
       Abgeordneten ins Bezirksparlament schicken können. Die islamfeindliche
       Gruppierung „Pro Deutschland“ hätte drei Sitze bekommen, und zwar in
       Spandau, Marzahn-Hellersdorf und Lichtenberg. Die rechtsradikale NPD hätte
       in Pankow, Spandau und Reinickendorf profitiert, die Linke in Reinickendorf
       und Steglitz-Zehlendorf, die islamische BIG in Neukölln und das
       Satireprojekt „Die Partei“ in Friedrichshain-Kreuzberg.
       
       13 Feb 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Sebastian Heiser
       
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 (DIR) Europawahl
       
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