# taz.de -- Kommentar Obama-Rede: Keine falschen Kompromisse mehr
       
       > Einfach nur eine Rede zur Lage der Nation? Obamas Worte waren ein wohl
       > formuliertes „Fuck you“ an die Adresse der Republikaner und der
       > Tea-Party.
       
 (IMG) Bild: Wem die Kusshand wohl gilt? Den Republikanern jedenfalls nicht.
       
       US-Präsident Barack Obama hat die jährliche Rede zur Lage der Nation
       genutzt. Er hat die Prioritäten seiner zweiten Amtszeit deutlich gemacht,
       und er hat sie mit dem Prädikat „dringend“ versehen. Wirklich neu waren die
       meisten seiner Ankündigungen nicht.
       
       Dass Investitionen in Bildung, Wissenschaft und Infrastruktur nötig sind,
       um die USA für Investitionen attraktiv zu halten, hat er schon vor zwei
       Jahren an gleicher Stelle ausgeführt – jetzt hat er einige Vorschläge ein
       wenig konkretisiert. Der Unterschied: Obama hat Aufwind, die Republikaner
       sind im Abstieg begriffen. Was damals noch undenkbar war, könnte heute
       umgesetzt werden.
       
       Tatsächlich überraschend ist die Entschiedenheit, mit der Obama die
       Prioritätensetzung der oppositionellen Republikaner auf Defizitreduzierung
       für unsinnig erklärt. „Defizitreduzierung allein ist kein Wirtschaftsplan“,
       sagte er, und „wir können unseren Weg zum Wohlstand nicht zusammensparen“.
       Diese Analyse paart Obama mit der Erzählung, der Weg zur Reduzierung des
       Defizits sei schon zur Hälfte zurückgelegt, im übrigen müssten die
       Wohlhabenden noch ein bisschen mehr tun, Steuerschlupflöcher müssten
       geschlossen werden.
       
       Vor allem aber müsse Washington aufhören, mit ständigen neuen Deadlines, ob
       nun zur Erhöhung der Schuldenobergrenze oder selbstgemachten Ultimaten zu
       automatischen Ausgabenkürzungen. Mit diesen Deadlines stürzten sich die USA
       ständig selbst in neue Krisen. Stattdessen müsse endlich eine dauerhafte
       große Steuerreform her und ein ausgeglichener Haushalt, der aber nicht auf
       Kosten der Armen und der Mittelschicht gehen dürfe. Das ist ein
       wohlformuliertes „Fuck you“ an die Adresse der Republikaner-Fraktion im
       Repräsentantenhaus und die Tea Party.
       
       Vom kompromisssuchenden Obama, der versucht, sich an den republikanischen
       Diskurs anzupassen, ist nichts mehr übrig. Zum Glück.
       
       ## Obama führt endlich
       
       Dabei bleibt Obama in der Haushaltspolitik inhaltlich vage. Seine Rede ist
       weniger ein konkreter Vorschlag an den Kongress als vielmehr einen Aufruf
       an die Nation, durch Druck von außen die Blockademöglichkeiten der
       Republikaner einzuschränken. Dazu passt, dass er in den kommenden Tagen im
       Land unterwegs ist, um seine Botschaft weiterzutragen.
       
       Man kann das Populismus nennen – man kann aber auch sagen, dass Obama
       endlich führt. Er will nicht Umfragen hinterherlaufen, er will das Denken
       verändern, will aufbauen auf den Popularitätswerten, die ihm derzeit
       bescheinigt werden, will die Republikaner an den Rand drängen, ihnen die
       Möglichkeit nehmen, noch einmal eine Amtszeit lang seine
       Regierungsfähigkeit zu torpedieren.
       
       Nein, diese Rede zur Lage der Nation ist nicht historisch, sie ist strikt
       funktionell. Und sie ist geschickt. Ganz am Ende der guten Stunde, die
       Obama, unterbrochen von Applaus mal vom ganzen Kongress, mal nur von den
       Demokraten, am Mikrofon verbringt, kommt er auf Waffenkontrolle zu sprechen
       und schafft damit den emotionalen Höhepunkt.
       
       Die Angehörigen von Newtown und allen anderen Orten, in denen Massaker in
       den letzten Jahren Menschenleben gekostet haben, „verdienen eine
       Abstimmung“, sagt Obama. Genau diese Angehörigen sind im Raum, und selbst
       die Republikaner, die mehrheitlich keine neuen Waffengesetze wollen, müssen
       stehend applaudieren.
       
       Reform der Migrationsgesetze, Energiewende, Waffenkontrollgesetze,
       Steuerreform, Durchfinanzierung der Gesundheitsreform – Obamas Vorhaben
       sind tatsächlich ambitioniert, und er hat dafür nicht allzu viel Zeit.
       
       Was er mit seiner Rede überhaupt bewirken konnte, hat er versucht, und die
       Antworten vom Republikaner-Star Marco Rubio und erst recht der
       Tea-Party-Ikone Rand Paul wirkten dagegen beim Mainstream-Publikum ungelenk
       und kleingeistig.
       
       Schafft es Obama, in diesem Tempo weiterzumarschieren, könnte er
       tatsächlich in den kommenden zwei Jahren mehr bewirken als in seiner
       gesamten ersten Amtszeit. Diese Rede zur Lage der Nation dürfte in den
       Geschichtsbüchern keine große Rolle spielen. Obamas Präsidentschaft
       womöglich schon, und genau dafür brauchte er diese Rede.
       
       13 Feb 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bernd Pickert
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Barack Obama
 (DIR) USA
       
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