# taz.de -- Jahrestag in Libyen: Bengasi bleibt eine rebellische Stadt
       
       > Die libysche Regierung rüstet sich für die Revolutionsfeiern. Im Osten
       > des Landes wird zum Protest gegen Islamisten mobilisiert.
       
 (IMG) Bild: Bengasi bereitet sich auf den Revolutionstag vor
       
       TRIPOLIS taz | Unter strengen Sicherheitsvorkehrungen bereitet sich Libyen
       auf die Feierlichkeiten zum zweiten Jahrstag der Revolution am 17. Februar
       vor. Die Grenzen nach Tunesien und Ägypten sind geschlossen, internationale
       Flüge nach Misurata und in die Sahara-Metropole Sebha verboten. Von
       Trainingskursen in Jordanien zurückgekehrte Revolutionäre stehen in neuen
       Polizeiuniformen an zahlreichen Kontrollposten. Stadtteilmilizen schließen
       sich dem Aktionismus an.
       
       Die Schlangen an den Tankstellen und Supermarktkassen erinnern an die
       Hamsterkäufe zu Beginn der Revolution. „Die Regierung ist völlig
       inkompetent und korrupt“, knurrt ein genervter Autofahrer in einer Schlange
       vor einer Tankstelle. „Keine Ahnung, ob es wirklich zu Auseinandersetzungen
       kommt, aber dieses Mal möchte ich nicht unvorbereitet sein.“
       
       Seit Wochen kursieren in sozialen Netzwerken Gerüchte über geplante
       Demonstrationen gegen die Übergangsregierung und mögliche Anschläge von
       Anhängern des gestürzten Gaddafi-Regimes. Wie schon vor der Revolution
       bestimmt Mund-zu-Mund-Propaganda die öffentliche Meinungsbildung. „Facebook
       war nützlich, um gegen das Regime zu mobilisieren. In diesen chaotischen
       Zeiten brauchen wir aber endlich gute Journalisten, die ernsthaft
       recherchieren und die Gerüchte durch Fakten ersetzen“, sagt der Aktivist
       Hassan Ali aus Mansura in Tripolis.
       
       ## Die Bürger fühlen sich von Tripolis im Stich gelassen
       
       In Bengasi, 2.000 Kilometer weiter östlich gelegen, wird schon für den 15.
       Februar mobilisiert. An diesem Tag vor zwei Jahren löste die Festnahme des
       bekannten Anwalts Fathi Terbil hier die ersten Proteste aus. Nun bedrohen
       Islamisten und unbekannte Attentäter die liberalen Revolutionäre und
       Sicherheitskräfte. Im östlich gelegenen al-Beida und Derna hat sich der
       Staat sogar völlig zurückgezogen. Katholische Nonnen haben die Region nach
       Drohungen in der vergangenen Woche ebenso verlassen wie Polizei und Armee.
       
       Die Bürger Bengasis fühlen sich von der Regierung in Tripolis im Stich
       gelassen. Sie wollen daher ein Zeichen setzten und „die Revolution des 17.
       Februar wieder auf den rechten Weg bringen“, wie sie sagen. Ihre
       Themenpalette ist breit. Sie reicht von Frauenrechten bis zu Forderungen
       nach einem föderalen System und der Verlegung von Ministerien in Libyens
       offizielle Wirtschaftshauptstadt.
       
       „Wir haben die Revolution begonnen und kämpfen nun an zwei Fronten: gegen
       die Islamisten im Osten und den Zentralismus in Tripolis“, sagt ein
       Student.
       
       Medienmacher Ibrahim Shebani will keine neue Revolution. Er möchte den
       Werten, für die einige seiner Freunde im Krieg gestorben sind, wieder Gehör
       verschaffen. „Wir jungen Leute haben vor zwei Jahren am 15. Februar für
       unsere Freiheit demonstriert. Jetzt wollen die Islamisten uns ihre Art des
       Glaubens aufzwingen. Ihnen passt die moderate Form des Islams in Libyen
       nicht.“
       
       ## Abgeordnete diskutieren ihre eigene Lohnerhöhung
       
       Viele Aktivisten haben schon im Vorfeld des 15. Februar ihre Parolen auf
       Plakate geschrieben. Sie wollen in der libyschen Tracht ihrer Großeltern
       auf den Freiheitsplatz gehen. Ibrahim hat sein Schild für die Demonstration
       gerade fertig gemalt. „Hier ist das neue Libyen, nicht Afghanistan“, steht
       darauf.
       
       Die Unzufriedenheit der Libyer mit dem Nationalkongress und der
       Übergangsregierung von Ministerpräsident Ali Seidan hatte in den
       vergangenen Wochen einen Höhepunkt erreicht. Während die
       Kongressabgeordneten ausgiebig und live im Fernsehen ihre eigene
       Gehaltserhöhung diskutierten, warten die Bürger immer noch auf Zeichen
       irgendeiner staatlichen Struktur oder öffentlichen Investition. In zwei
       Jahren ist kein einziges Schlagloch repariert worden. Vor einigen Tagen
       erinnerte die Überflutung ganzer Stadtteile in Tripolis und Bengasi an die
       marode Infrastruktur Libyens.
       
       „Das ist das Erbe der Korruption in der Gaddafi-Diktatur. Nur damals waren
       vielleicht tausend Leute korrupt, jetzt sind es Abertausende“, fasst ein
       Gesprächspartner den Ärger vieler Unzufriedener zusammen.
       
       Dabei ist Wirtschaftslage besser als ihr Ruf, denn im Gegensatz zu seinen
       Nachbarländern herrscht in Libyen kein Mangel an Geld. Die Privatwirtschaft
       brummt, die Ölexporte sind auf Vorkriegsstand. Die zahlreichen neuen
       Geschäfte mit teurer Importware sind gut besucht, und in den langen
       Verkehrstaus stehen neue BMWs aus Deutschland.
       
       15 Feb 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Mirco Keilberth
       
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