# taz.de -- Call A Reporter: Drahtseilakt im Jugendklub
       
       > In der Linse gibt es Zoff: Der Träger des Jugendzentrums in Lichtenberg
       > will das Konzept erneuern. Nutzer fürchten die Kontrolle von oben.
       
 (IMG) Bild: Fürs unbeschwerte Kickern - den Sportklassiker in jedem Jugendzentrum - haben die Lichtenberger gerade keinen Nerv.
       
       Sein neuer Job ist für Olaf Driedger ein Drahtseilakt: Seit vier Wochen
       leitet er das Jugendkulturzentrum namens Linse in Lichtenberg. Verliert er
       das Gleichgewicht, droht er zwischen den Fronten zerrieben zu werden. Auf
       der einen Seite steht der Libero e. V., ein Verein junger Leute, die in der
       Linse seit Jahren helfen, die Proberäume zu organisieren, Workshops zu
       veranstalten, Partys zu planen – sprich, die den Laden am Laufen halten.
       Mit ihnen hat Driedger jeden Tag zu tun, von der Kooperation mit ihnen
       hängt die Qualität der Jugendarbeit ab. Andererseits darf er es sich nicht
       mit seinem Arbeitgeber verscherzen, der Sozialdiakonischen Jugendarbeit
       Lichtenberg (SozDia). Der Verein der evangelischen Kirche ist der Träger
       der Linse.
       
       Am Dienstagabend sitzt Olaf Driedger im Jugendklub zwischen 30 Leuten, die
       meisten von ihnen „Liberos“, viele in dunkler Punk- und Metalkleidung, auf
       den Tischen Bier und Mate. Besprochen werden sollen Feste, Raumbelegungen,
       Organisatorisches. Driedger schaltet sich nur selten ein: „Ich bin neu
       hier, ich beobachte erst noch alles.“
       
       Immer wieder dringt an diesem Abend das Thema durch, das den Anwesenden auf
       den Nägeln brennt: „Die SozDia hat den langjährigen Leiter der Linse
       gefeuert und eine andere Mitarbeiterin zwangsversetzt“, beklagt Tobias
       Krüger von Libero, „ohne die beiden läuft hier erst mal gar nichts.“
       Driedger, der den Posten des Gefeuerten übernommen hat, hört aufmerksam zu.
       – „Die Jugendlichen und Libero fordern Mitsprache bei Budgetfragen und
       anderen Entscheidungen wie bisher auch“, so Tobias Krüger weiter. Das aber
       verweigere die SozDia, sie biete nur Scheinpartizipation. „Damit zerstört
       die SozDia über Jahrzehnte gewachsene Strukturen.“
       
       Michael Heinisch, Geschäftsführer der SozDia und Driedgers Arbeitgeber,
       sieht die Dinge naturgemäß anders: „Wir haben einen Leistungsvertrag mit
       dem Bezirk, den müssen wir erfüllen.“ Und im Plan stehe, dass die
       Zielgruppe des Jugendklubs die 14- bis 21-Jährigen seien. „Von denen gibt
       es kaum welche in der Linse.“ Er schätze die Arbeit der Liberos sehr und
       habe ihnen ehrenamtliche Mitarbeit angeboten. „Nur als Jugendliche können
       sie nicht mehr dort sein, dafür sind sie jetzt zu alt.“ Von Rausschmiss des
       Personals könne keine Rede sein: „Der ehemalige Leiter wollte sich unserem
       Qualitätsentwicklungsprozess nicht stellen, einer weiteren Mitarbeiterin
       hat die Vision gefehlt, neue Jugendliche für den Klub zu begeistern, und
       sie ist freiwillig gegangen.“
       
       ## Deutliche Worte
       
       Die Liberos finden deutlichere Worte: „Der Träger hat uns vermittelt, dass
       er unsere Jugendarbeit für Schrott hält“, regt sich einer auf. „Dass die
       SozDia so tut, als seien wir ein Haufen Etablierter, die keine Entwicklung
       zulassen, ist ein Tritt in den Arsch.“
       
       Als Driedger den nächsten Punkt angeht, die Suche nach jungen Freiwilligen
       für ein neues Klubgremium, stellt sich heraus: Nur sechs der 30 sind jünger
       als 21. Die Zielgruppe ist also kaum vertreten. „Es ist eine schwierige
       Situation. Wir müssen im Gespräch bleiben“, sagt der Leiter des
       Jugendzentrums und seufzt. „Dann können wir die Chance, die die Linse ist,
       nutzen.“ Stabil ist das Gleichgewicht jedenfalls nicht.
       
       15 Feb 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Felix Austen
       
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