# taz.de -- Bedrohter Mattensport: Schaut auf diesen Sport!
       
       > Am Münchner Stadtrand kämpfen Freistilringer um die nationalen Titel –
       > und um Aufmerksamkeit für ihr olympisches Anliegen.
       
 (IMG) Bild: Finales Ringen: Tim Müller müht sich vergeblich gegen Martin Daum
       
       UNTERFÖHRING taz | Der Ort der Titelkämpfe hat Symbolcharakter: die
       Isaria-Arena in Unterföhring, eine Sporthalle direkt am Münchner Stadtrand.
       Die Isaria-Arena kennt kaum einer, dafür ist Unterföhring als
       Medienstandort bekannt, einige Fernsehsender haben hier ihren Sitz. Und es
       sind tatsächlich ein paar Kamerateams gekommen, um der Deutschen
       Meisterschaft im freien Stil beizuwohnen.
       
       Die Ringer und ihr [1][Verband] wissen: Sie brauchen jetzt die
       Aufmerksamkeit der Medien, um den fast sicheren Ausschluss aus dem
       Olympischen Programm noch abzuwenden. Eine perfekte Vorstellung möchten die
       Ringer bei dieser Deutschen Meisterschaft in Unterföhring abliefern. Das
       fängt schon damit an, dass der Verband jetzt mit einer [2][PR-Agentur]
       zusammenarbeitet. Postkarten mit Slogans werden verteilt: „Pur. Fair.
       Klassisch. Olympia!“ steht da geschrieben, auf einer anderen „Wir bleiben
       dran. Wir bleiben drin!“.
       
       Seit dem 12. Februar ist die Ringer-Welt in Aufruhr. An diesem Tag
       verkündete die IOC-Exekutive: Man werde der Vollversammlung des
       Internationalen Olympischen Komitees empfehlen, Ringen aus dem Olympischen
       Programm zu streichen. Ausgerechnet Ringen, die klassische Sportart der
       Antike, schon immer Bestandteil bei Olympia. Eine bis heute an sich
       einfache Sportart: Zwei Menschen gehen aufeinander los und versuchen, den
       Gegner auf den Boden zu werfen. Ohne zu schlagen, zu treten, zu kratzen
       oder zu stoßen. An sich einfach – doch die Praxis ist komplizierter, immer
       wieder wurden die Regeln in den vergangenen Jahren verändert. Von
       Ringerseite heißt es: Der Sport soll so für den Zuschauer attraktiver
       werden.
       
       Geht es nach den Zuschauern in Unterföhring, ist Ringen schon heute
       attraktiv genug. Sonntagmorgen, es gibt Wurstsemmeln und Kaffee in Pötten.
       Einige der Zuschauer genießen ein Weißbier – Ringen ist irgendwie ein
       ehrlicher, authentischer Sport. Die Luft in der Halle ist warm, geradezu
       stickig. Unter lauten Bässen ziehen die Kontrahenten in die Halle ein. Dann
       wird gekämpft. Eine Runde dauert zwei Minuten, Sieger ist der Sportler, der
       zuerst zwei Runden gewinnt. Oder, dem ein Schultersieg gelingt – aber das
       passiert im Spitzenniveau nicht häufig. Viele Kämpfe laufen ähnlich ab:
       Schnell haben sich die Athleten ineinander verkrallt, die Zuschauer
       schreien immer wieder: „Ran, ran, geh ran.“ Eine flinke Bewegung, ein Griff
       – dann zückt der Kampfrichter seine Punkte. Etwas kompliziert, aber
       durchaus nachvollziehbar. Und im Zweifel gibt es die Möglichkeit eines
       Videobeweises.
       
       ## Der Traum der Studentin
       
       Der ist im Kampf von Aline Focken nicht nötig. Die 21-jährige Studentin aus
       Krefeld hat ihre Gegnerin vollkommen im Griff. Einmal hebt die junge Frau
       sogar ihre Gegnerin hoch und schleudert sie auf die Matte. Kurze Pause nach
       zwei Minuten: Die Trainer reden auf die keuchenden Athletinnen ein, wedeln
       dabei mit dem Handtuch frische Luft zu. Nach wenigen Sekunden geht der
       Kampf weiter. Und Aline Focken attackiert immer wieder die Beine ihrer
       Gegnerin, dreht sie einmal sogar auf dem Boden. Nach insgesamt 2:27 Minuten
       ist der Kampf schon vorbei, 13:0 Überlegenheitssieg für die
       Titelverteidigerin. Aline Focken strahlt. Und die Zuschauer jubeln. „Unsere
       Sportart ist nicht langweilig oder unpopulär“, sagt sie nach dem Kampf. Die
       Studentin hat gute Chancen, 2016 bei Olympia in Rio de Janeiro dabei zu
       sein. Geht es nach der IOC-Exekutive, ist Ringen dann zum letzten Mal Teil
       des Olympischen Programms.
       
       Doch die Ringer haben sich noch nicht aufgegeben. Aline Focken sagt zum
       Beispiel: „Am Anfang hatte ich überhaupt keine Hoffnung mehr, jetzt bin ich
       schon positiv gestimmt.“ In der Ringerszene gebe es einen großen
       Zusammenhalt. Von dem spricht auch der Präsident des Deutschen
       Ringer-Bundes. „Die Verbände stehen nun weltweit zusammen“, sagt Manfred
       Werner der taz. „Gemeinsam haben wir dem IOC klar unsere Reformwilligkeit
       signalisiert.“ Und nicht nur das: [3][International] laufen Kampagnen,
       unter anderem gemeinsam von Ländern wie USA, Iran und Russland.
       
       Und mittlerweile ist ein bulgarischer Olympiasieger in Hungerstreik
       getreten, will nur noch Sirup zu sich nehmen. Ob das alles etwas hilft?
       Wahrscheinlich nicht. Zu schlecht hat das Ringen in den Kriterien des IOC
       abgeschnitten, zu deutlich war das Votum der IOC-Exekutive. Das IOC will
       spektakuläre, telegene Sportarten, die insbesondere das junge Publikum
       anziehen.
       
       In Unterföhring sind viele junge Athleten vor Ort. Sie sprechen vom großen
       Ziel Olympia. Und lassen symbolisch mehrere Ballons mit einem Banner
       Richtung Hallendecke steigen. „Lasst unseren Traum nicht platzen“, steht da
       geschrieben.
       
       4 Mar 2013
       
       ## LINKS
       
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