# taz.de -- Heternormativitätskritik auf dem taz.lab: „Aschenputtel darf alles sein“
       
       > „Wie liest es sich queer?“ Andreas Kraß erklärt, wie man neue Lesarten
       > erschließt und was sich hinter dem sperrigen Begriff Heteronormativität
       > versteckt.
       
 (IMG) Bild: Darf alles: Cinderella!
       
       taz.lab: Herr Kraß, was ist Heteronormativität? 
       
       Andreas Kraß: Ein Denken und Handeln, das den scheinbaren Gegensatz von
       Männlichkeit und Weiblichkeit andauernd reproduziert. Ein Beispiel ist die
       Debatte um das Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare. Bei manchen
       Kritikern hat man den Eindruck, dass ihnen die Geschlechterdifferenz
       wichtiger ist als das Kindeswohl, das nicht vom Geschlecht, sondern von der
       Liebe der Eltern abhängt.
       
       Wie liest es sich queer? 
       
       Ganz hervorragend. Es macht mehr Freude als eine heteronormative Lektüre
       und auch intellektuell reizvoller. Wenn ich „Tristan und Isolde“ mit dem
       Ziel lese, dass die beiden ein großartiges Liebespaar waren, bin ich
       nachher so klug wie vorher. Spannend wird es, wenn ich mir die Rolle von
       König Marke ansehe und wie die Geschlechterdifferenz von Tristan und Isolde
       inszeniert wird. Je genauer die Analyse, desto unselbstverständlicher wird
       der Text. Das ist für einen Literaturwissenschaftler eine gute Nachricht.
       
       Kann man antiheteronormatives Lesen lernen? 
       
       Sicher, dafür gibt es Literaturwissenschaft. Aber auch auf der Couch, bei
       der Lektüre, reicht ein veränderter Blickwinkel, um eine neue Lesart zu
       finden, die man schon zu kennen glaubte.
       
       Schwul darf man nicht mehr sagen, ist wohl manchen allzu igitt. Aber ist
       ein Kürzel wie LGBTQIA nicht irgendwie akademisch verblasen? 
       
       Die Formel LGBTQIA hat in bestimmten Diskursen ihren Sinn, man darf ja auch
       in der Physik sagen E=mc2. Für die Alltagsrede sind solche Kürzel natürlich
       kaum geeignet.
       
       Sollten Märchen im heteronormativen Sinne umgedichtet werden? 
       
       Jede Lektüre ist bereits ein Umschreiben des Textes.
       
       Aschenputtel könnte auch ein biomännliches Wesen sein? 
       
       Aschenputtel darf alles sein - was Sie sich vorstellen mögen.
       
       Sind wir mit der Destruktion dessen, was man Natur nennt, nicht auf dem Weg
       in eine konstruierte Beliebigkeitsgesellschaft? 
       
       Das Problem ist nicht die Dekonstruktion des Begriffs Natur, mit dem man
       Heteronormativität als Naturtatsache begründet, sondern die Destruktion der
       Natur im Sinne von Umweltzerstörung.
       
       6 Mar 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jan Feddersen
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