# taz.de -- Schalketrainer Jens Keller: Der Durchbruch des Stoikers
       
       > Schalke läuft zu immer beserer Form auf. Das freut Jens Keller, der sich
       > vom Interimstrainer zu einem ernsthaften Kandidaten für den Job mausert.
       
 (IMG) Bild: Skeptisch, was seine Zukunft angeht: Jens Keller
       
       Jens Keller war zweifelsfrei im Derbyrausch, als er am Samstagabend mit
       seiner ledernen Umhängetasche in den Feierabend verschwand. So beschwingt
       ist der Trainer des FC Schalke 04 noch nie durch die Gänge der Arena
       gefedert, seit er im Dezember seine schwierige Rettungsmission begann.
       Keller strahlte, und das lag offenkundig nicht allein an den erhebenden
       Gefühlen, die so ein Sieg gegen Borussia Dortmund nun einmal auslöst im
       blau-weißen Teil des Reviers.
       
       Der Mann wusste genau, dass ihm rechtzeitig vor dem Achtelfinalrückspiel in
       der Champions League gegen Galatasaray Istanbul (Dienstag, 20.45 Uhr, live
       auf Sky) ein Durchbruch gelungen ist. „Die Art und Weise, wie die
       Mannschaft im Moment Fußball spielt, zeigt, dass sie die Dinge annimmt“,
       meint Keller. Genau das war in den fußballerisch enttäuschenden Wochen im
       Januar und der ersten Februarhälfte bezweifelt worden.
       
       Plötzlich spielt das Team einen furiosen Überfallfußball, und das ist
       offenkundig auch der beharrlichen Art dieses Trainers zu verdanken, der
       noch vor wenigen Wochen von einer Boulevardzeitung zum „Gesicht der Krise“,
       erklärt worden war. Folgt man der Logik dieses kurzfristigen
       Erfolgsdenkens, müsste der Interimscoach jetzt mindestens einen
       Dreijahresvertrag erhalten.
       
       „Der Trainer, der von Anfang an in der Kritik stand, hat sicher keinen
       leichten Stand“, sagt Kapitän Benedikt Höwedes, „aber wir haben uns da als
       Mannschaft nicht beirren lassen, wir arbeiten wirklich gut zusammen.“ Das
       freut die Schalker natürlich, macht die Zukunftsplanungen aber nicht
       einfacher.
       
       ## Ein Trainer, der zu Schalke passt
       
       Es ist ein offenes Geheimnis auf Schalke, dass Manager Horst Heldt im
       kommenden Sommer gern Frankfurts Armin Veh nach Gelsenkirchen holen möchte,
       unklar ist nur, ob Veh zögert oder ob seine Zusage unter Verschluss
       gehalten wird, um den laufenden Betrieb in Gelsenkirchen und in Frankfurt
       nicht zu stören. Wobei Heldt sagt: „Die Entscheidung ist noch nicht
       gefallen.“ Keller war bislang kein ernsthafter Kandidat, möglicherweise
       ändert sich das gerade. „Wir können Jens Keller nach den vergangenen
       Spielen nicht infrage stellen“, sagt Aufsichtsratschef Clemens Tönnies, der
       mittlerweile findet, dass der Schwabe „ein guter Trainer“ sei, der „zu
       Schalke passt“.
       
       Der Erfolg der Gegenwart macht die künftige Besetzung der Trainerposition
       also zu einem hoch komplizierten Projekt. Voller Ironie hat Heldt das
       Dilemma vorige Woche auf den Punkt gebracht: Möglicherweise formuliere im
       Sommer irgendein Journalist die Schlagzeile „Heldt entlässt
       Erfolgstrainer“, überlegte der Manager. Er ahnt, dass ihm die Wahl des
       nächsten Übungsleiters so oder so um die Ohren fliegen wird.
       
       Bleibt Keller, wird es beim ersten kleinen Leistungstief wieder heißen,
       diesem Trainer fehle die nötige Ausstrahlung, um international geachtete
       Stars wie Jefferson Farfan oder Klaas-Jan Huntelaar zu führen. Kommt
       hingegen trotz erfolgreichen Saisonfinales ein neuer Trainer, werden zwei
       Niederlagen am Stück die Frage aufwerfen, wie Heldt sich nur gegen Keller
       entscheiden konnte.
       
       ## Hilfeiche Nehmerqualitäten
       
       Trösten kann der Manager sich damit, dass seine Entscheidung, Keller nach
       der Trennung von Huub Stevens für den Rest der Saison von der U17 zu den
       Profis zu befördern, klüger war, als viele dachten. Und dass er keine
       Rücksicht auf den ehemaligen B-Jugend-Trainer nehmen muss, ist auch
       beruhigend. „Er ist hier durch die Hölle gegangen, egal was passiert, er
       wird als Sieger aus dieser Saison hervorgehen“, sagt Heldt über Keller, der
       viel bewegt hat in seinen gut zwei Monaten als Schalker Chefcoach. Er hat
       der Mannschaft strategisch weitergeholfen, er hat ihr die Freude am Beruf
       zurückgegeben. Und die stoische Ruhe, mit der er den Sturm der Kritik
       ertragen hat, ohne in einen bitteren Konflikt mit den Nörglern
       hineinzugeraten, zeugt von Nehmerqualitäten, die überaus hilfreich sind in
       diesem Milieu.
       
       Die Grundfrage, die die Verantwortlichen sich stellen müssen, lautet: Kann
       Schalke einen eher distanzierten Trainer inzwischen aushalten? Ralf
       Rangnick wurde während seiner ersten Amtszeit misstrauisch beäugt, weil er
       vielen (allen voran dem damaligen Manager Rudi Assauer) zu intellektuell
       wirkte. Auch Mirko Slomka scheiterte an seinem Mangel an
       Ruhrpott-Kumpelhaftigkeit. Die zweite Rangnick-Amtszeit hat ein paar dieser
       Vorbehalte aus der Welt geschafft. Nicht nur der Kicker fragt sich daher in
       einem großen Text über den möglicherweise ziemlich unterschätzten Keller:
       „Ist er DOCH der Richtige?“
       
       12 Mar 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Daniel Theweleit
       
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