# taz.de -- Kein Olympia in Wien: Einsames Stadtoberhäupl
       
       > Wiens Bevölkerung lehnt in einer Volksbefragung eine Olympiabewerbung ab.
       > Statt in riesige Sportstätten sollte die Stadt in die maroden
       > Trainingsanlagen investieren.
       
 (IMG) Bild: Die Lust auf Großereignisse ist vergangen: Ein Sportfeuerwerk wie nach dem EM-Finale 2008 wird es so schnell nicht wieder geben
       
       WIEN taz | Die Wiener lassen sich nicht einmal mehr von ihrem eigenen
       Bürgermeister für dumm verkaufen. Michael Häupl, der sozialdemokratische
       Vorsitzende Wiens, wollte am Beginn eines Wahljahres mit einer
       Volksbefragung den Schein seiner Volkstümlichkeit und die Chancen der
       Sozialdemokratischen Partei wahren.
       
       Neben Fragen nach der Zukunft der Parkraumbewirtschaftung, der
       Privatisierung von zentralen Dienstleistungen (Wasser, Spitäler, Energie)
       und der Entwicklung erneuerbarer Energieträger erkundigte er sich bei den
       Bewohnern, ob man sich für die Austragung der Olympischen Sommerspiele 2028
       bewerben solle. Das am Dienstag verlautbarte vorläufige Endergebnis: 28,06
       Prozent ja, 71,94 Prozent nein.
       
       „Für mich ist die Frage der Olympiabewerbung Wiens erledigt“, sagte Häupl.
       „Ich finde es persönlich schade.“ Das Ergebnis zeige jedenfalls, dass die
       Bewerbungsfrage alles andere als eine „Wischiwaschi-Frage“ gewesen sei. An
       dieser Stelle muss man fragen, ob Häupl noch zeitweise aus seinem Büro, in
       dem locker ein Hallenfußballspiel stattfinden könnte, auf die Straßen und
       in die Hallen geht.
       
       Denn die gesamte Aktion war eine Verhöhnung der direkten Demokratie: die
       Wiener Stadtbürokratie hielt es vor der Volksbefragung nicht einmal der
       Mühe wert, die Stimmbürger über die Kosten einer Olympiabewerbung zu
       informieren. Spekulationen schwankten zwischen zehn und 100 Millionen. Die
       Kosten der Spiele selbst betrugen in London 2012 angeblich mindestens 13
       Milliarden Euro. Das ist rund ein Fünftel der österreichischen
       Staatsausgaben 2012.
       
       Verständlicherweise hatten die Wiener, gewitzt durch Finanzierungs- und
       Planungsdebakel beim Ausbau des Wiener Flughafens (rund 400 Millionen Euro
       Mehrkosten), Angst vor den Risiken. Dazu kommt, dass sich Häupl (63) seit
       seinem Amtsantritt 1994 als unfähig erwiesen hat, die sportliche
       Infrastruktur der Stadt auszubauen oder auch nur aufrechtzuerhalten.
       
       ## Unfreiwillige Selbstironie
       
       Nur der Profifußball, vertreten durch Häupls große Liebe Austria Wien und
       deren Konkurrenten Rapid, wird über den Umweg von Stadionbauten und
       -renovierungen großzügig subventioniert. Fast alle anderen Sportarten
       vermissen in Wien zeitgemäße Wettkampf- oder Trainingsstätten.
       
       Die Selbstbezeichnung der Kommune als „Sportstadt“ ist unfreiwillige
       Selbstironie. Wiens einziges 50-Meter-Schwimmbecken ist leck. Die Schwimmer
       üben in einem Dauerprovisorium, einer zugigen, aufblasbaren Plastikhalle.
       Die Millionenstadt hat kein Ballsportzentrum, kein Leichtathletikstadion,
       das Radstadion war asbestverseucht und ist altersschwach. Das Kontrollamt
       der Stadt erzwang vor kurzem die Schließung vieler Ställe im
       Galoppreitverein Freudenau wegen akuter Einsturzgefahr.
       
       Eine Ausnahme bildet die renovierte Halle des Eishockeyklubs Vienna
       Capitals. Der Klub organisierte das Projekt mit der städtischen Förderung
       von 45 Millionen Euro selber. Ganz gegen die Wiener Regel wurde das
       Vorhaben innerhalb des Kosten- und Zeitrahmens fertiggestellt.
       
       Natürlich wären Sommerspiele ein schönes Fest in dieser kleinen Stadt. Aber
       Wien braucht, wie der prominente Leichtathletiktrainer Wilhelm Lilge
       feststellt, vor allem Trainingsstätten. Olympiagerechte Wettkampfstätten
       sind für diese Stadt überdimensioniert, und die Frage der Nachnutzung hat
       schon größere Metropolen wie Sydney und Athen überfordert.
       
       In der selbst geschaffenen Sportstättenwüste fragte das Wiener Rathaus, ob
       es Olympische Spiele organisieren solle. Nicht einmal ein Drittel der
       Wiener würdigte Häupl einer Antwort. Nicht das erste Signal, dass sich die
       seit vielen Jahrzehnten im Wiener Rathaus unangefochten regierende
       Sozialdemokratie von ihrem einst weltweit wegweisenden Projekt „Rotes Wien“
       entfremdet hat.
       
       Häupl riskiert, ein großes Erbe dem Gelächter preiszugeben. Sollte er diese
       in den Antworten und Nicht-Antworten verborgene Botschaft gehört haben, war
       die 7 Millionen Euro teure Volksbefragung vielleicht doch nicht vergebens.
       
       12 Mar 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Johann Skocek
       
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