# taz.de -- Charité: Unsensibel war nur die Presse
       
       > Nach dem Missbrauchsverdacht in der Klinik untersuchte eine
       > Expertenkommission den Umgang mit dem Fall. Ihr Schluss: Eigentlich
       > klappt’s schon ganz gut.
       
       Im Fall des vermuteten sexuellen Missbrauchs einer jugendlichen Patientin
       durch einen Pfleger hat die Charité alles richtig gemacht – der Umgang mit
       vergleichbaren Fällen soll aber noch besser werden. Das ist im Prinzip das
       Ergebnis einer Expertenkommission unter Vorsitz der früheren
       Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD), die nach dem im November
       bekannt gewordenen Verdacht am Virchow-Klinikum der Berliner
       Universitätsmedizin eingesetzt worden war.
       
       Als die Kommission ihren Bericht am Dienstag der Presse vorstellte, sorgte
       die milde Bewertung für Überraschung unter den zahlreichen JournalistInnen.
       Von einem „Persilschein“ war die Rede. Denn der Fall der 16-Jährigen hatte
       nicht zuletzt deshalb für Furore gesorgt, weil er interne und externe
       Kommunikationsprobleme der Klinik offenbarte: Sie machte den Vorfall, den
       die Eltern des Mädchens Mitte November gemeldet hatten, zunächst nicht
       öffentlich. Erst ein Bericht der Bild-Zeitung, in dem von einer
       Vergewaltigung die Rede war, veranlasste den Charité-Vorstand zu einer
       Pressekonferenz und einer Anzeige – eine Woche nachdem der Vorfall
       klinikintern bekannt geworden war. Und auch das nur teilweise: Ausgerechnet
       die Pressestelle der Klinik wusste offenbar von nichts, als die Bild
       anrief.
       
       Dennoch ermahnte die Vorsitzende der Kommission, der auch der einstige
       Pflegedirektor der Tübinger Universitätsklinik, Günther Brenzel, der
       Oberarzt der Kinderchirurgie und Leiter der Kinderschutzgruppe des
       Vivantes-Klinikums Neukölln, Sylvester von Bismarck, sowie Sigrid
       Richter-Unger von der Beratungsstelle „Kind im Zentrum“ und Julia von
       Weiler vom Netzwerk „Innocence in Danger“ angehörten, weniger die Klinik
       selbst als die Presse – wegen „boulevardesker Berichterstattung“. Die
       Charité dagegen habe den Fall „sachgerecht behandelt“, heißt es im
       Abschlussbericht der ExpertInnen, in dem sie zudem acht Empfehlungen für
       den Umgang mit und die Vermeidung von Missbrauchsfällen geben.
       
       Diese Empfehlungen bleiben freilich im Rahmen dessen, was der von der
       Bundesregierung eingerichtete runde Tisch „Sexueller Kindesmissbrauch“ vor
       gut einem Jahr vorlegte: Verhaltenskodizes und Sensibilisierungsmaßnahmen
       sowie die Vorlage eines erweiterten polizeilichen Führungszeugnisses für
       Beschäftigte, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten. Dazu die
       Einführung einer Software, die das anonyme Melden von Vorfällen ermöglicht.
       
       Ein „Wir-Gefühl“ der MitarbeiterInnen forderte die Kommission ebenso wie
       eine „Kultur des Hinschauens und Handelns“ (Zypries). KollegInnen hatten
       das Verhalten des beschuldigten Pflegers offenbar schon vor dem bekannt
       gewordenen Fall bemerkt. Damals resultierte daraus zunächst nichts.
       Mittlerweile laufen zwei weitere Ermittlungsverfahren gegen den Mann. Das
       Verfahren wegen des Vorfalls im November wurde unterdessen eingestellt, da
       das Opfer nicht aussagte. Der Beschuldigte ist derzeit bei vollen Bezügen
       von der Arbeit suspendiert. Einer Kündigung habe die Einigungsstelle der
       Innenverwaltung wegen der Einstellung des Verfahrens nicht zugestimmt, so
       der Vorstandsvorsitzende der Charité, Karl Max Einhäupl. Sollten auch die
       beiden offenen Ermittlungen nicht zu einer Verurteilung führen, muss der
       Pfleger von der Charité weiter beschäftigt werden.
       
       12 Mar 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Alke Wierth
       
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