# taz.de -- Inklusion in Baden-Württemberg: Behinderte Schüler müssen warten
       
       > Grün-Rot in Baden-Württemberg versprach mehr gemeinsamen Unterricht
       > behinderter und nicht behinderter Schüler. Doch das Gesetz verspätet
       > sich.
       
 (IMG) Bild: Behinderte und nicht behinderte Schüler sollen zusammen lernen.
       
       STUTTGART taz | Die Zukunft hat an der Gebhard-Schule in Konstanz schon vor
       zwölf Jahren begonnen. In den Klassen eins bis zehn lernen nicht behinderte
       und behinderte Kinder zusammen. „Heute ist das schon alles so
       selbstverständlich, dass wir über viele Dinge gar nicht mehr nachdenken“,
       sagt Schulleiterin Elke Grosskreutz. Andernorts tut man sich dagegen immer
       noch schwer mit der Inklusion, dem gemeinsamen Unterricht von Schülern mit
       und ohne Behinderung – obwohl die grün-rote Landesregierung das Thema
       beherzt angehen wollte.
       
       Inklusiven Unterricht gibt es bisher nur an fünf Modellschulen wie in
       Konstanz, außerdem an den von Grün-Rot neu geschaffenen
       Gemeinschaftsschulen. An den Gymnasien und Realschulen sind Schüler mit
       Behinderung dagegen weiterhin außen vor.
       
       Bereits 2007 hat Deutschland die UN-Behindertenrechtskonvention
       unterschrieben. In Artikel 24 verpflichten sich die Vertragsstaaten zu
       einem integrativen Bildungssystem auf allen Ebenen. Die grün-rote
       Landesregierung in Baden-Württemberg hat in ihrem Koalitionsvertrag
       versprochen, diesen Artikel „konsequent“ umzusetzen. Doch Kritikern geht
       die Umsetzung nicht schnell genug – im Gegenteil: Während die
       Landesregierung Lehrerstellen streicht, fragen sie sich, wie das Ziel so
       überhaupt erreicht werden soll.
       
       „Die Landesregierung hat nach den vollmundigen Versprechen im
       Koalitionsvertrag fast nichts getan. Sie muss jetzt die Weichen stellen,
       dass in allen Schularten die Inklusion umgesetzt werden kann“, sagt die
       Landesvorsitzende der Lehrergewerkschaft GEW, Doro Moritz. Im Land hatten
       2011 rund 73.000 Kinder offiziell einen sonderpädagogischen Förderbedarf.
       27 Prozent dieser Schüler besuchen den normalen Unterricht. Allein 1.500
       zusätzliche Lehrkräfte müsste das Land einstellen, wollte man diese Quote
       auf 50 Prozent erhöhen.
       
       ## Geld und gut ausgebildetes Personal nötig
       
       Auch die Inklusionsinitiative „Schule mit Zukunft“ macht Druck. Die
       Landesregierung müsse mehr tun, „und dies geht leider nicht nur mit gutem
       Willen, sondern auch Geld und gut ausgebildetes Personal sind dringend
       vonnöten“, heißt es in einer Stellungnahme.
       
       Der sozialpolitische Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion, Thomas Poreski,
       sagt, dass er die Kritik verstehen könne – und bittet um Geduld.
       Ursprünglich wollte die Landesregierung schon zum kommenden Schuljahr per
       Gesetz festschreiben, dass Eltern die freie Wahl zwischen Sonder- und
       Regelschule haben sollen. Doch inzwischen wurde das Ziel auf das Schuljahr
       2014/15 verschoben. „Das war von Vornherein ein ehrgeiziger Plan“, so
       Poreski.
       
       Die Tücken stecken im Detail: Unklar ist Poreski zufolge zum Beispiel,
       welchen rechtlichen Status Sonderpädagogen haben, wenn sie kurzfristig an
       Regelschulen geschickt werden. Bleiben sie weiterhin Angestellte der
       Förderschule oder werden sie Teil des neuen Kollegiums? Entspannt sehe er
       aber die Frage der Ressourcen, trotz der Streichungen von Lehrerstellen.
       „Wir haben netto mehr Sonderpädagogen vorgesehen“, sagt er.
       
       ## Die Erwartungen sind hoch
       
       Der Landes-Behindertenbeauftragte Gerd Weimer hatte darauf gedrängt, das
       Gesetz schon früher zu ändern. „Aus vielen Gesprächen und Begegnungen mit
       betroffenen Eltern und Pädagogen weiß ich, dass die an diese zentrale
       Weichenstellung geknüpften Erwartungen entsprechend hoch sind, für deren
       Enttäuschung ein nicht akzeptabler politischer Preis zu bezahlen wäre“,
       hatte er schon vor Monaten an das Kultusministerium geschrieben. Dies aber
       verweist auf laufende Schulversuche wie in Konstanz.
       
       Schulleiterin Elke Grosskreutz hingegen würde gern dazu aufrufen, mutiger
       zu sein. Die Rahmenbedingungen müssten natürlich stimmen. Aber im Rückblick
       sei alles viel leichter gewesen, als sie es sich zunächst vorgestellt habe.
       „Viele Sorgen waren völlig unbegründet.“
       
       15 Mar 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Nadine Michel
       
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