# taz.de -- Inklusion an der Uni: Kein Ohr für Studierende
       
       > Eine Professorin weigert sich, ein Gerät zu benutzen, das einer
       > gehörlosen Frau das Studium ermöglichen würde. Die SPD sieht keinen
       > Grund, Lehrende zu verpflichten.
       
 (IMG) Bild: Nicht größer ist als ein MP3-Player: Carina Stoschek benötigt ein Gerät, um ihre Professoren hören zu können.
       
       Die Zukunft von Carina Stoschek hängt an einem Gerät, das nicht größer ist
       als ein MP3-Player. Stoschek studiert im vierten Semester Soziale Arbeit.
       Sie ist gehörlos. Um ihre Seminare und Vorlesungen trotzdem verstehen zu
       können, hat ihr die Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) eine
       sogenannte Funkmikroanlage ausgeliehen. Die Dozenten tragen dieses schmale,
       silberne Kästchen an einer Schnur um den Hals – und Stoschek verbindet das
       Gegenstück mit ihrem Hörgerät. So kann sie dem Unterricht folgen.
       
       Eigentlich ist das kein Problem für ihre Professoren und Professorinnen.
       Doch eine von ihnen weigert sich, das Gerät zu tragen. Stoschek kann nun an
       ihren Kursen nicht mehr teilnehmen. Ihre Beschwerde ist zwecklos. Denn
       niemand kann die Dozentin zum Tragen der Hörhilfe verpflichten.
       
       Bereits Ende 2011 legte die Studentin eine Dienstaufsichtsbeschwerde bei
       der Hochschule ein. Die Antwort, die ihr die Hochschulleitung ein Jahr
       später gab, ist ernüchternd. Es werde keine „weitere Möglichkeit einer
       rechtlichen Handhabe gesehen“, heißt es dort. Die Leitung der zuständigen
       Fakultät habe die Professorin „nachdrücklich aufgefordert, die Hörhilfe zu
       tragen, allerdings vergeblich“. Also musste Stoschek den Kurs wechseln.
       „Ich habe mich diskriminiert gefühlt“, sagt sie.
       
       Die Professorin habe ihr nie erklärt, warum sie sich gegen das Gerät wehrt,
       sagt die Studentin. Anderen habe sie allerdings gesagt, dass sie davon
       Kopfschmerzen bekomme und wieder anderen, dass sie davon ein
       Halswirbelsäulentrauma bekäme. Dabei wiegt die Anlage nur 50 Gramm.
       
       Der Beauftragte für die Belange behinderter und chronisch kranker
       Studierender, Dieter Röh, findet das Verhalten seiner Kollegin „höchst
       bedauerlich“. Er verweist auf den Landesaktionsplan, mit dem Hamburg seit
       vergangenem Dezember die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit
       Behinderungen umsetzen will. Darin steht auch „die Sensibilisierung der
       Mitglieder des Lehrkörpers für die Probleme von Studierenden mit
       Behinderung“ als erklärtes Ziel. Um die Professoren aufzuklären, empfiehlt
       das Papier den Universitäten die Einführung von „Fortbildungsmaßnahmen“,
       etwa in Form von „Informationsschriften“. Vorgeschrieben ist dies aber
       nicht.
       
       Der Senat will daran auch zunächst nichts ändern. Die Umsetzung der
       Konventionen für behinderte Menschen stecke schließlich „noch in den
       Kinderschuhen“, sagt die sozialpolitische Sprecherin der
       SPD-Bürgerschaftsfraktion, Ksenija Bekeris. „Da sollten wir nicht gleich
       über Sanktionen reden.“ Außerdem seien die Universitäten finanziell
       unabhängig. Die Umsetzung des Landesaktionsplans bleibe deshalb auch in
       ihrer eigenen Verantwortung.
       
       Die Grünen kritisieren das. „Wenn eine Professorin ihre Pflichten verletzt,
       müsste dies sowohl disziplinar- als auch zivilrechtliche Konsequenzen
       haben“, sagt deren Bildungssprecherin Stefanie von Berg.
       
       Der Hochschulpräsident konnte Carina Stoschek nicht helfen. „Aber dafür
       kann er auch nichts“, sagt sie, „denn es gibt bislang keine Regelung im
       Gesetz dafür.“
       
       15 Mar 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Kristiana Ludwig
       
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