# taz.de -- Merkelprotest und Hitlervergleich: Wir machen das unter uns aus
       
       > Hitleranalogien werden inflationär, wenn gegen Deutschland protestiert
       > wird. Sie verlieren an Kraft. Nicht so bei innerdeutschen
       > Nazivergleichen.
       
 (IMG) Bild: Avantgarde der Merkel-Hitlerei: Ein Cover der polnischen Publikation „Najwyzszy Czas!“ aus dem Jahr 2007.
       
       Lang ist es her. Ewigkeiten. So lang, dass es eigentlich keinen mehr
       wirklich entsetzt. Inzwischen wohl fast drei Jahre. Da ging es los mit den
       „Merkel ist der neue Hitler“-Plakaten im Ausland. Historiker glauben, dass
       Angela Merkel, Europas Symbolfigur deutscher Sparsklaverei, zum ersten Mal
       in Griechenland zur Nationalsozialistin erklärt wurde. „Merkel in Athen,
       das ist wie Hitler in Paris“, stand auf Transparenten, auf denen die
       Kanzlerin SS-Uniform und Bärtchen trug.
       
       Damals empörte der Vergleich noch. Da störte sich das Volksblatt Bild noch
       an den Hellashetzern. Genauso wie es sich zuvor daran störte, dass
       Griechenland nicht einfach seine Inselgruppen verkaufte, um seinen
       Schuldenberg zu tilgen.
       
       Seitdem sind viele Hitlervergleiche ins Euroland gegangen. Man muss sich
       die deutsche Merkel in diesem Kontext als Prostituierte vorstellen. Als
       Nutte, die es nach Totalabsturz ins bürgerliche Leben zurückgeschafft hat.
       Was heißt zurückgeschafft? Sie macht Karriere und dominiert den Euroraum.
       
       Viel erfolgreicher als die Leute, die in Businessschools saßen, während sie
       auf dem Strich war. Als sie dann noch beginnt, den anderen vorzuschreiben,
       was die richtige Lebensführung sei, rasten die aus: „Na und? Du wirst
       trotzdem immer ein Nutte bleiben!“ Nach ein paar Mal ist dieser
       Frontalangriff erwartbar – und etwas Neues will dem Gegenüber partout nicht
       einfallen.
       
       ## Die Wut Europas
       
       Diese Analogie klingt aus deutscher Sicht sehr selbstherrlich und politisch
       um einiges rechter als es dem Autor lieb ist. Trotzdem: Teflonmerkel hat
       die Gleichsetzung mit dem skrupellosesten Massenmörder des 20. Jahrhunderts
       inzwischen wohl als alternativlos akzeptiert – und damit wirkungslos
       gemacht. Die meisten Landsleute tun es ihr gleich. Denn die Protestpraxis,
       Deutschland als ewiges Naziland zu brandmarken, hat wegen ihrer
       inflationären Verwendung während der Eurokrise an Wert verloren. Es ist
       nicht mehr das schärfste Schwert in der Waffenkammer der Beleidigungen.
       
       Vielleicht weil es auf der Hand liegt, dass der Vergleich schwachsinnig
       ist. Weil klar ist, dass es eine ohnmächtige Verzweiflungstat ist.
       Möglicherweise sind die Deutschen sogar empathisch genug zu verstehen, dass
       sie zwangsläufig die Wut Europas ernten, wenn um sie herum alles brennt und
       sie vom Wassersparen predigen.
       
       Aus den Schuhen fällt jedenfalls keiner mehr, wenn in Zypern Demonstranten
       Merkelmasken mit Hitlerbart tragen. Das heißt aber nicht, dass Deutschland
       sein Nazitrauma gänzlich überwunden hat. Zum Glück! Denn es ist etwas ganz
       anderes, wenn innerdeutsche Nazivergleiche angestellt werden. Wer seiner
       Karriere schaden will, braucht in Deutschland nicht mehr als einen debilen
       Nazivergleich. Martin Delius sagte: „Der Aufstieg der Piratenpartei
       verläuft so rasant wie der der NSDAP zwischen 1928 und 1933.“ Boom.
       Obligatorischer Shitstorm, PR-Katastrophe, Bundesvorstand ade.
       
       ## Innerer Reichsparteitag
       
       Sportmoderatorin Kathrin Müller-Hohenstein redete während der Halbzeit von
       einem „inneren Reichsparteitag“ für Miroslav Klose. Dafür wird sie
       hoffentlich noch ihre ganzes Berufsleben Häme bekommen.
       
       Und das sind ja noch die kleineren Baustellen. Es ist erst wenige
       Integrationsdebatten her, dass Thilo Sarrazin Millionen damit verdiente,
       Rassentheorien aufzuschreiben, die auch die Nazis klasse gefunden hätten.
       Dann kamen die NSU-Morde und ein mögliches NPD-Verbotsverfahren.
       
       Es ist also scheißrichtig, dass innerdeutsche Debatten über den Nazis quo,
       dann doch mit Empörung geführt werden. Und dass dann auch die Vergangenheit
       bemüht wird. Am NPD-Verbot will sich Angela Merkel nicht beteiligen. Aber
       im Ausland wird sie aus ganz anderen Gründen „Tochter Hitler“ bleiben.
       
       27 Mar 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dmitrij Kapitelman
       
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