# taz.de -- Kolumne Press-Schlag: Pochender Phantomschmerz
       
       > Der Winter ist noch da, aber wenigstens haben sich die
       > Wintersport-Wochenenden erledigt. Ein Glücksfall? Und was denken die
       > Rodler darüber?
       
 (IMG) Bild: Endlich mal im Bild: Schlittenfahrer.
       
       Es mag viele Sportfreunde im teils verschneiten Deutschland überraschen,
       aber der Winter ist vorbei. Im Fernsehen gibt es in den kommenden Monaten
       keine Langläufer mehr, keine Schlittensportler und auch keine Pistenhaie.
       Sie machen jetzt Urlaub, was bei einem beträchtlichen Teil des gereifteren
       Publikums erhebliche Phantomschmerzen erzeugen dürfte.
       
       Wie amputiert fühlt sich jetzt die Ü50-Fangemeinde, die ohne größere
       Ansprüche konsumierte, was ihnen die Fernsehleute an Schmankerln aus
       Sotchi, Lillehammer oder dem Fleimstal serviert haben. Das Gelage dauerte
       Stunden, Tage, Wochen, kurzum: eine halbe Ewigkeit.
       
       Kritiker sagen, das Fernsehen hätte mit diesen Endlosübertragungen den
       Gipfel der Redundanz und der journalistischen Beliebigkeit erklommen,
       dieser ganze Wintersport diene nur als Füll- und Spachtelmasse für
       einfallslose Hohlköpfe. Fürsprecher halten dagegen, dass der Mensch im
       Winter halt gern im Warmen vor der Glotze sitze und sich die verschneiten
       Berge anschaue. Was solle er auch sonst tun? Herausgehen? Nicht doch, da
       lauere nur Glatteis und der Norovirus.
       
       Aber was ist jetzt anzufangen mit den Wochenenden, wenn die Biathleten
       nicht mehr ballern und Peter Schlickenrieder nicht mehr den
       Gute-Laune-Terroristen spielt? Geht es jetzt vielleicht weiter mit der WM
       der Gewichtheber in Valencia oder ein bisschen Galoppsport aus Aintree?
       Mitnichten, der Sport wird jetzt wieder, sofern es sich nicht um Fußball
       handelt, auf Normalmaß zurechtgestutzt.
       
       ## Der Zuschauer ist müde
       
       Ein ähnliches Sommersportprogramm werden ARD und ZDF nicht stemmen. Sie
       können es nicht, sie wollen es auch nicht. Der Zuschauer ist müde, und die
       TV-Präsentatoren wollen nach ihren journalistischen Laubsägearbeiten auch
       mal ein bisschen ausspannen. Es müssen Kräfte gesammelt und die Stimmen
       geölt werden für den nächsten Winter, wenn das Fernsehen wieder eine Hymne
       auf den Wintersport singt.
       
       Bis auf ein paar versprengte Nörgler („Verschont mich mit Biathlon!“, „Hör
       mir auf mit Pechi!“) sind alle zufrieden, nur die Schlittenfahrer und
       Bobpiloten nicht – und deren Funktionäre. Sie sind der Meinung, nicht genug
       Fernsehzeit bekommen zu haben. Ja, ganz richtig: Sie wären zu wenig im Bild
       gewesen. Man darf an dieser Stelle fragen, ob sie in den Eiskanälen zu sehr
       durchgerüttelt wurden und dabei das Denkvermögen gelitten hat.
       
       Wenn die deutschen Dauersieger – Dreifacherfolge sind im Schlittensport
       keine Seltenheit – also zu wenig im Rotlicht der Kameras gewesen sind, was
       sollen dann Hockeyspieler sagen, was Fechter, Leichtathleten, Ringer,
       Amateurboxer, Curler, Frauenfußballbundesligaspielerinnen, was Volleyballer
       und Judoka, was Schachspieler und Kanuten, Ruderer, Schwimmer und Turner.
       Rodler gehören im deutschen Sport mittlerweile zu den Privilegierten einer
       TV-Oberschicht. Ihre Forderung ist in etwa so angesagt wie der Boni für
       einen Investment-Bänker.
       
       ## Übertragungen von der Sommerrodelbahn und Dunking-Wettbewerbe
       
       Aber die Schlittenfahrer sind nicht allein, ins gleiche Horn stößt Uli
       Hoeneß. Er meint, das Öffentlich-Rechtliche zeige zu wenig Basketball,
       womit vor allem seine Basketball-Bayern gemeint sind. Basketball müsse raus
       aus der Nische der Spartenkanäle. Es müsse einmal so bedeutend wie Fußball
       werden, womit Uli Hoeneß vor allem seine Fußball-Bayern meint.
       
       Es bleibt also noch viel zu tun für ARD und ZDF. Wie wäre es mit
       Übertragungen von der Sommerrodelbahn (für unsere unterrepräsentierten
       Schlittenfahrer) und Dunking-Wettbewerben an der Säbener Straße (für den
       besorgten Hoeneß). Es gibt noch so unendlich viel zu tun im
       Wochenendsportgewerbe.
       
       29 Mar 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Markus Völker
       
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