# taz.de -- Golf-Masters: Ermächtigung eines Superstars
       
       > Zum ersten Mal gewinnt ein Australier in Augusta. Doch am Ende redet
       > wieder mal alle Welt über den geschlagenen Tiger Woods.
       
 (IMG) Bild: Toller Preis. Für seinen Sieg beim Masters bekommt Adam Scott ein hässliches Sakko.
       
       Golf ist der Sport des Konjunktivs. Wäre dieser eine Ball doch nur den
       einen Millimeter weiter links … Hätte ich doch eine Idee mehr
       durchgeschwungen … Könnte nicht einmal … Solche Zitate begleiten weltweit
       Woche für Woche jedes Hobbyspielerturnier und manchmal auch die Szenerie,
       wenn sich die Besten dieses Sports beim [1][Masters] messen.
       
       Martin Kaymer zum Beispiel. Der beendete den letzten Tag mit sensationellen
       fünf Birdies hintereinander, das (mit einer Ausnahme) beste
       Sonntags-Finish, seit die Pockenbälle in Augusta zum Fliegen gebracht
       werden. Alles klappte auf einmal. Hätte Kaymer die 67 Löcher davor nur
       annähernd so perfekt gespielt, würde er heute vielleicht das hässliche
       grüne Sieger-Jackett tragen. Aber Kaymer agierte unterwegs zwar konstant
       und sicher, hatte am Ende aber eine der schlechtesten Putt-Statistiken des
       gesamten Feldes. Für die berüchtigt schnellen und schiefen Grüns in Augusta
       fehlte ihm lange jeder Touch. Und so war sein Anspruch schnell geplatzt:
       „Ich muss einfach oben mitspielen.“ Kaymer wurde 35. und hatte, mal wieder,
       „viel gelernt“.
       
       Oder Bernhard Langer. Der mittlerweile 55-Jährige, der sonst nur noch
       Seniorenturniere spielt, lag kurz nach Beginn seiner Schlussrunde plötzlich
       nur zwei Schläge hinter den Führenden. Es wäre die Sensation schlechthin
       geworden: Ein Golf-Opa auf dem Thron, auf den Tag genau 28 Jahre nach
       seinem Masters-Sieg 1985. „Ich will um den Sieg mitspielen“, hatte der
       Leisesprecher vorher unerwartet selbstbewusst gesagt. Leider gingen die
       letzten Bahnen daneben, sonst wäre weit mehr als Platz 25 möglich gewesen.
       Nachher erkannte er nach fast 40 Jahren auf der Tour: „Unglaublich, was bei
       diesem Spiel alles passieren kann.“
       
       Die Altersüberraschung gelang so dem dürren 14-jährigen Chinesen Guan
       Tianlang, der als asiatischer Amateurmeister für das Masters qualifiziert
       war. Er schaffte sensationell den Cut und wurde am Ende toller 58.
       
       ## Umstrittene Gnade für Tiger Woods
       
       Master des Konjunktivs aber war Tiger Woods. Hätte der Weltranglistenbeste
       gewonnen, wären noch nachhaltigere, wahrscheinlich hohnstrotzende und
       wütende Diskussionen die Folge gewesen. Intensiv und giftig waren sie
       ohnehin. Anlass war ein skurriler Vorfall am Freitagabend an Loch 15. Und
       wie das oberste Schiedsgericht der 77. Masters damit umging.
       
       Woods hatte einen Ball unglücklich gegen die Fahnenstange geschlagen, von
       wo er ins Wasser kullerte. Dramatisch ärgerlich. Nun sehen die sehr
       komplexen, aber konjunktivfreien Golfregeln bei solchen Wassertreffern
       diverse Varianten vor; Woods entschied sich, mit dem üblichen Strafschlag,
       von der Stelle des ersten Schlages einen neuen Ball zu spielen. Allerdings
       tat er das ein Schritt dahinter, wie er vor dem Masters-Komitee selbst
       zugab, wahrscheinlich um sich einen Vorteil zu verschaffen, weil ihm die
       Stelle ebener und somit leichter erschien. Das ist nicht erlaubt – die
       Regeln verlangen „so nah wie möglich“. Am Morgen danach bekam er
       nachträglich zwei Strafschläge extra verbucht.
       
       Das nun wurde von vielen Beobachtern als Skandal empfunden. Sie verlangten,
       wie etwa der dreimalige Masters-Sieger Nick Faldo, eine Disqualifikation.
       Denn jeder Spieler, ob Anfänger oder Weltranglistenerster, ist für sein
       Spielergebnis verantwortlich, trägt dieses in seine Zählkarte ein und
       unterschreibt. Eine falsch beurkundete Score-Karte zieht automatisch eine
       Disqualifikation nach sich. Normalerweise. Es sei denn, die kaum bekannte
       [2][Regel 33-7] wird eingewechselt.
       
       Diese erlaubt „in besonders gelagerten Einzelfällen“ auf einen Ausschluss
       zu verzichten, „wenn es die Spielleitung für gerechtfertigt hält“. Als
       Beispiel wird im Regelkonvolut die Verspätung eines Spielers genannt, weil
       er auf dem Weg zum Abschlag Erste Hilfe leisten musste. In Augusta wurde
       die Ausnahme-Klausel als eine Art Ermächtigungsgesetz gehandhabt. Man habe
       vom Regelverstoß erst verspätet erfahren, argumentierte die Turnierleitung
       dünn, Fernsehbilder hätten Regeltreue vermuten lassen.
       
       Naheliegend, dass man den medienwirksamen Megastar nicht aus dem Verkehr
       ziehen wollte. Viele empfahlen Woods, auf ein Weiterspielen zu verzichten
       und sich also mit Größe selbst zu disqualifizieren. Der Schummler konterte
       solches Begehr nachher kühl aus. Äußerlich unbeirrt machte er weiter und
       wurde am Ende mit vier Schlägen Rückstand Vierter wie schon 2010 und 2011.
       
       ## Jubilierender Caddie
       
       Lange hatte es am Sonntagabend in strömendem Regen so ausgesehen, als würde
       überraschend der wohlbeleibte Argentinier Angel Cabrera (43) gewinnen, der
       wegen seines schlurfigen Gangs den Spitznamen Ente trägt. Schließlich
       musste das Stechen mit dem Australier Adam Scott (32) über den Sieg
       entscheiden. Cabrera, der mit seinem Sohn als Caddie über den Platz lief,
       verfehlte das Loch um Haaresbreite, was ihn zum Konjunktiv-Sieger machte.
       Am zweiten Extraloch lochte Scott mit seinem überdimensionierten
       Besenstil-Putter entscheidend ein. Damit ist er endlich der erste
       Masters-Gewinner von Down Under – nach 19 anderen Major-Titeln und acht
       zweiten Plätzen in Augusta seiner Landsleute. „Ich weiß auch nicht, wie mir
       das passieren konnte“, sagte er und strahlte.
       
       Während das Ermächtigungsgesetz Woods ein Weitermachen erlaubte, hatte sein
       Ex-Caddie für Scotts Ertüchtigung gesorgt. Steve Williams, ein
       neuseeländischer Hitzkopf, war vor zwei Jahren vom Krisen-Woods nach
       gemeinsamen 14 Major-Titeln kommentarlos aussortiert worden. Das gab viel
       böses Blut und Williams einen neuen Job bei Scott. Williams gab im Stechen
       auffallend intensive Tipps, achtete wohl auch auf Regelpetitessen und
       feierte nach dem entscheidenden Putt den panpazifischen Doppeltriumph mit
       wilderen Sprüngen als der Champion selbst. Gratulationen von Woods an Steve
       Williams sind nicht überliefert.
       
       Tiger Woods hat jetzt schon acht Masters nacheinander nicht gewonnen und
       wartet seit fünf Jahren auf seinen 15. Major-Sieg. Hätte der König des
       Schwungs seinen Ex-Mann Williams mal behalten.
       
       15 Apr 2013
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.masters.com/en_US/index.html
 (DIR) [2] http://www.randa.org/Rules-and-Amateur-Status/Rules-of-Golf.aspx#/rules/?ruleNum=33&subRuleNum=7
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bernd Müllender
       
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