# taz.de -- Video der Woche: Der Mensch mag Zerstörung
       
       > Die Klickmoster dieser Woche: Eine kaputte Waschmaschine und ein Strudel
       > in Lettland. Ein Erklärungsversuch für den Erfolg dieser Videos.
       
 (IMG) Bild: Die Lösung.
       
       Schmutziges Wasser, etwas Blubbern, Dreck verschwindet in einem Loch. Was
       ist an diesem [1][Video aus Lettland] so besonders? Das sehen Leute mit
       Badewanne jeden Tag. Fast acht Minuten lang einem Strudel zuzugucken, wie
       er Wasser einsaugt – die Begründung für die rund drei Millionen Aufrufe
       liegt in der Psyche des Menschen.
       
       Die [2][Waschmaschine] ist Sinnbild der Sauberkeit, der Effizienz, der
       technologischen Überlegenheit. Sie ist der Nebenaltar des bürgerlichen
       Haushalts. Wichtiger ist nur der Fernseher, der das Chaos der Welt in
       aseptischen Häppchen in unsere aufgeräumten Wohnstuben bringt.
       
       Den Fernseher aus dem Fenster zu werfen war einst nicht zufällig rite de
       passage jeder tourenden Rockband. Na gut, vielleicht doch zufällig. Die
       Röhrenbildschirme sind einfach sehr ästhetisch zersplittert. Jetzt aber ist
       es an der Zeit, die Waschmaschine zu vernichten. Millionen sollten es sehen
       – oder besser noch: tun. 
       
       Der Mensch mag Geheimnisse. Dinge, die sich auf den ersten Blick nicht
       erklären lassen, sind aufregend: Kornkreise, die Entstehung der Welt,
       Daniela Katzenberger. Wie kommt es zu so einem Sog? Was passiert mit dem
       ganzen Zeug, was er einsaugt? Und warum tauchen die Unmengen an Dreck und
       Eis nicht wieder auf?
       
       ## Ruhe und Chaos
       
       Der Mensch mag Zerstörung. Und hat gleichzeitig Angst vor ihr. Hin und her
       gerissen ist er zwischen dem Wunsch nach Ruhe und Sicherheit und dem Drang
       alles umzuwerfen und im Chaos des allgemeinen Zwangs sich zu erlösen.
       Selbstverständlich gibt es keinen guten, vernünftigen Grund, eine
       Waschmaschine zu ermorden. 
       
       Der Mensch mag Ordnung. Endlich macht hier einer mal Reine. Außerdem passt
       das Phänomen gut in die Osteuropa-Schublade im Kopf: Vampire in
       Transsilvanien, die Mafia in Russland und das Loch in Lettland. Alle saugen
       und lassen verschwinden. Das lässt sich wunderbar einreihen.
       
       Ja, der Mensch mag geordnete Verhältnisse. Er will wissen, wo er steht und
       wo die anderen. Da, die Verrückten im Internet machen Sachen kaputt. Das
       sind Narren, die sich selber Schmerzen zufügen, gefährliche Stunts
       vollführen oder einfach nur Haushaltsmaschinen zerstören. Weil sie es tun,
       müssen wir das nicht auch noch erledigen, wir können aus sicherer
       Entfernung zuschauen. Die – das sind die anderen, die Vampire, die Mafia,
       die Osteuropäer, die Amerikaner. Wir sind vernünftig. 
       
       Zuletzt mag der Mensch Spannung. Youtube lehrt, dass sich Geheimnisse am
       Ende eines Videos oftmals auflösen. Deshalb bleibt der Zuschauer auch bei
       den 7:46 Minuten dran. Stark unbefriedigend hier, dass mitten in den
       Ereignissen, gerade während die große Eisscholle zerbricht, das Video
       endet.
       
       ## Die Sicherheit
       
       Der Mensch weiß gerne, wie die Sache ausgeht, am liebsten gleich von Beginn
       an. Das Ende ist klar: Die Waschmaschine wird sterben. Überrascht werden
       wir nur von der Gewalt, mit der sich das Objekt aufbäumt, grad so, als
       würde es kämpfen. Dabei ist doch gerade der brutale Kampf das, was die
       Machine am Ende zerstören muss. Die Revolution frisst gewissermaßen ihre
       eigenen Waschvollautomaten. 
       
       Und dann? Wie geht es weiter? Über drei Millionen Zuschauer durchlebten
       diesen emotionalen Moment. Gestärkt mit dem Wissen, da sei noch
       Unerforschtes in der Welt, könnten sie nun ihr Leben leben und tun, was
       immer sie gerade umtreibt. Oder sie googlen ein bisschen, finden die
       Auflösung des Videos und kaufen sich aus Frust einen Becher Eiscreme:
       
       Die letzten 30 Sekunden in der [3][8:18 Version des Videos], die inzwischen
       gelöscht wurde, zeigt, dass der Sog von einer Art Schleuse erzeugt wird.
       Und das ganze Wasser fließt auf der anderen Seite Weges, die mit
       niedrigerem Wasserstand, wieder ab, wie auf der professionell erstellten
       Skizze zu sehen ist. Leider verbietet das Urheberrecht eine andere
       Darstellungsweise.
       
       26 Apr 2013
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://youtu.be/eqROBTVgL6A
 (DIR) [2] http://youtu.be/dq6T5BojXc8
 (DIR) [3] http://www.youtube.com/watch?v=5eKaJSfIcn4
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Daniél Kretschmar
 (DIR) Svenja Bednarczyk
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Video der Woche
       
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