# taz.de -- Psychedelic-Rock: Behutsam austariertes Rock-Stillleben
       
       > Nach dem sperrigen Konzeptalbum „The Death Defying Unicorn“ gibt sich
       > Motorpsycho auf „Stillife with Eggplant“ nun wieder etwas eingängiger.
       
 (IMG) Bild: Rock-Virtuosen auf Augenhöhe: Hans Magnus "Snah" Ryan, Kenneth Kapstad und Bent Sæther.
       
       HAMBURG taz | Ganze Kneipenabende lang konnte man die sich dazu berufen
       Fühlenden Mitte der 90er leidenschaftlich diese Frage erörtern hören: Wer
       ist denn nun gerade die Indierock-Band der Stunde, Pavement oder
       Motorpsycho? Die schnoddrigen Kalifornier um Stephen Malkmus hatten damals
       gerade ihr zweites Album „Crooked Rain, Crooked Rain“ veröffentlicht, heute
       mit seiner eigenwilligen Gratwanderung zwischen Rock-Dilettantismus und
       Genie unbestritten eine der einflussreichsten Platten der 90er.
       
       Die Norweger wiederum hatten sich mit der Dreifach-LP-Schatzkiste
       „Timothy’s Monster“ erstmals vom metallenen Hardrock der Frühphase befreit
       und gleich einen Meilenstein in Sachen stilistische Weitläufigkeit gelegt.
       Plötzlich sang Bent Sæther heiser zu traurigen Mellotron- und
       Akustikgitarrenklängen und in klassische Rocknummern schlichen sich ein
       verspieltes Banjo, ein Klavier oder wabernde Flächen.
       
       Mit stoischer Ruhe errichteten Motorpsycho fünfzehnminütige Klangwände
       hinter zuckrig-poppigen Liebeserklärungen und vermählten Black Sabbath mit
       den Beach Boys, als sei es das Selbstverständlichste auf der Welt. So
       „prog“ und zugleich poppig hatte Indierock bis dahin nicht geklungen.
       
       In den darauf folgenden Jahren entwickelten sich die Trondheimer nicht nur
       in Skandinavien zu Superstars. Eigens zur Verbreitung motorpsychologischer
       Klangerzeugnisse in der Welt außerhalb Norwegens wurde das – übrigens in
       Hamburg ansässige – Label Stickman Records gegründet. Vor allem mit den
       Indierock-lastigen Alben „Blissard“ und „Angels And Daemons At Play“
       spielte sich das Trio in die Herzen immer neuer Fans. Silvester 1999
       schließlich spielte der norwegische Rock-Radiosender „P3“ den Song „Vortex
       Surfer“ 24 Stunden nonstop als besten norwegischen Song des vergangenen
       Jahrtausends – sogar „Final Countdown“ von Europe haben Motorpsycho damit
       auf den zweiten Platz verwiesen.
       
       Unermüdlich tourten die Norweger durch die Benelux-Länder, Deutschland und
       Italien und bewiesen ihre eindrucksvollen Live-Qualitäten: Bei jedem
       Konzert spielt das Trio bis heute eine andere Setlist, eigentlich
       dreiminütige Popminiaturen verwandeln sich dabei nicht selten in
       halbstündige Erkundungen aller in ihnen liegenden Möglichkeiten. Nicht
       zuletzt deshalb verzeihen waschechte „Motorpsychologen“ ihrer Band denn
       auch abrupte Stilbrüche wie die weichgespülte Radiopop-Phase der
       Jahrtausendwende.
       
       Verschreckt haben Motorpsycho im vergangenen Jahr dann aber selbst die am
       treuesten Ergebenen und Hartgesottensten unter ihren an allerlei
       experimentierfreudigen Wahnwitz gewöhnten Fans. Sogar für die Trondheimer
       ungewohnt sperrig, episch ausladend und durch und durch verkopft kam deren
       gemeinsam mit dem Jazzpianisten Ståle Storlokken entwickelte und mit dem
       Jazzviolinisten Ola Kvernberg, dem Kammerorchester Trondheim Solistene und
       dem Trondheim Jazz Orchestra eingespielte „Fanciful and Fairly Far-Out
       Musical Fable“ „The Death Defying Unicorn“ daher.
       
       Eine zwar viel gelobte und in ihrer gedrängten Detailfülle und
       stilistischen Vielfalt ungemein spannende, aber eben auch schwer
       verdauliche, überwiegend instrumentale Prog-Jazz-Oper in Doppelalbumlänge,
       die nicht wenige fürchten ließ, das Trio habe endgültig alle Popambitionen
       hinter sich gelassen und wildere fortan nur noch im verzottelten Reich der
       abseitigen Psychedelik.
       
       Geradezu versöhnlich klingt da das nun erschienene 15. Studioalbum der
       skandinavischen Ausnahmerocker. Keine Rückkehr in die Zuckerpopjahre zwar,
       aber doch deutlich eingängiger und vor allem konzentrierter: Gerade mal 45
       Minuten brauchen die fünf Songs.
       
       Inspirieren lassen haben sich die Trondheimer für „Still Life with
       Eggplant“ diesmal von Paul Cézannes Gemälde „Stilleben mit Aubergine“. Und
       tatsächlich nehmen sich Motorpsycho ebenjene Freiheit, die sich Cézanne in
       seinen Stillleben ebenfalls nahm. Statt auf traditionelle Perspektiven zu
       achten, stellen sie hier alle Bestandteile kompositorisch sinnvoll
       nebeneinander: verschwurbelte Psychedelik, wahnwitzige Gitarrenduelle oder
       balladeske Folklore. Ein langsam austariertes Gleichgewicht der
       Klangfarbflecken, angerichtet auf geradezu barock verfalteter Fülle.
       
       Erfrischend anachronistisch klingt das, ohne in die augenzwinkernde
       Retrofalle zu tappen. Statt gefälliger Berechnung ein geradezu
       alchemistischer Ansatz: eine aus der Zeit fallende Transmutation des Rock.
       
       ## ■ So, 12. 5., 20 Uhr, Gruenspan, Große Freiheit 58
       
       10 May 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Robert Matthies
       
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 (DIR) Norwegen
       
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