# taz.de -- Kolumne Melodien aus Malmö #4: Missliche Werbekampagne
       
       > Plakate zum Eurovision Song Contest sollen europäische
       > Zusammengehörigkeit demonstrieren. Bezeichnend ist, wer nicht darauf
       > abgebildet wird.
       
 (IMG) Bild: So sieht der „Fjäril“ auf den Plakaten aus
       
       Die Innenstadt von Malmö ist mit diesen Plakaten tapeziert: Männliche und
       weibliche Antlitze, die um die Augen herum Masken gesprayt bekommen haben,
       lächeln und damit eines der 39 teilnehmenden Länder am Eurovision Song
       Contest symbolisieren. Sie schmunzeln alle unter dem diesjährigen Motto des
       ESC: “We Are One”. Man braucht nicht überreichliche Englischkenntnisse, um
       die Message zu verstehen.
       
       Wir im eurovisionären Europa sind eins, vereint, eine Familie – und in
       diesen Tagen treffe man sich in Malmö, um dieses Familientreffen zu
       symbolisieren. Marketingexperten nennen das Corporate Identity, zumal das
       Signet einen in pastosen Farben gezeichneten Schmetterling zeigt. Ein
       “fjäril” (schwedisch für die zart-flattrigen Wesen) stehe für das Kleine,
       Zufällige, aus dem Großes hervorgehe. Damit wird behauptet, dass der ESC
       einst als TV-Schaltprojekt begann – und inzwischen zum größten
       TV-Entertainment-Ereignis des Jahres in Europa herangewachsen ist.
       
       Allein: Die Gesichter der Kampagne, die in Malmö selbst die eigene
       Einwohnerschaft gewogen und gastfreundlich stimmen soll, irritieren. Nicht
       im Einzelnen, aber in Gesamtschau. Irgendwas stimmt, zumal nicht dann, wenn
       man einige Stunden ohne eurovisionären Zweck durch die Stadt flanierte. Und
       dann sieht man: Es sind nicht alle Hautfarben in der Riege der 39 Personen
       repräsentiert.
       
       Man sieht asiatisch aussehende Gesichter, auch solche, die man aus
       Lateinamerika kommend vermutet, Blonde und Brünette – was aber fehlt, sind
       genau jene Frauen und Männer, die in Malmö zum gewöhnlichen Blickfutter zu
       zählen sind. Nämlich: arabisch aussehende Menschen, vor allem sind keine
       schwarzen und braunhäutigen Männer oder Frauen vertreten.
       
       ## Freundlich gemeinte Propagandashow
       
       Und damit, das muss man sagen, ist diese Kampagne nicht nur in Malmöer
       Hinsicht eine, die vieles blind lässt an den modernen Realitäten einer
       multikulturellen Stadt. Sie ist also: eine Lüge.
       
       Die Kampagne, die marketingstrategisch darauf angelegt war, Gewogenheit und
       Identifikation zu stiften, stammt von der in Stockholm ansässigen Agentur
       [1][Forsmann & Bodenfors (Happy FB)]. Dem Vernehmen nach soll das
       schwedische Fernsehen SVT die freundlich gemeinte Propagandashow abgenickt
       haben – aber nähere Auskünfte erhält man nicht, sowohl SVT als auch Happy
       FB, wie die Agentur gekürzelt wird, wollen den Vorgang nicht kommentieren.
       Es heißt aber, beide Seiten befänden sich in der Anfangsphase eines
       Rechtsstreit, bei dem es auch die angeblich nicht ausreichende Präsentation
       der Sponsorenlogos geht.
       
       Aber wie dem auch sei: So ein Debakel an Selbstpromotion hat es im
       ESC-Kontext nie gegeben. Nach dem ESC 2001 begann die European Broadcasting
       Union (EBU) in Grand-Saconnex bei Genf, das eigene TV-Format zu vermarkten.
       Seither wird offensiv um Sponsoren und Drittmittel geworben. 2002 gab es
       erste Motto, “Modern Fairytale”. Die nächsten hießen: “Magical Rendez-Vous"
       (Riga), “Under the Same Sky” (Istanbul), “Awakening” (Kiew), “Feel The
       Rhythm” (Athen), “True Phantasy” (Helsinki), “Confluence of Sound”
       (Belgrad), “Fire Bird” (Moskau), “Share The Moment” (Oslo), “Feel Your
       Heart Beat” (Düsseldorf), “Light Your Fire” (Baku) und eben dieses Jahr “We
       Are One”.
       
       Man erkennt mit etwas gutem Willen, dass hinter allen Generalüberschriften
       der Versuch hervorscheint, eine Mixtur aus Gemeinsamkeit und Diversität,
       aus Selbstbehauptung und Zukunftswunsch – eine promotionelle
       Standortbeschreibung dessen, was Zeitgeist ist oder sein könnte. Der
       europäische Fußballdachverband Uefa [2][zeigte, wie es runder, besser],
       gelungener geht.
       
       Die EBU möchte im Übrigen den Vorgang ebenfalls nicht kommentieren. Als
       übergeordnete Instanz wolle sie sich in die Dinge der schwedischen TV- und
       Kommunalorganisatoren nicht einmischen. Die Frage lautete: Verfehlt die
       Selbstdarstellungsreklame nicht die gesellschaftlichen Wirklichkeiten von
       allen ESC-Ländern?
       
       13 May 2013
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.happy.fb.se/#/72/0
 (DIR) [2] http://de.uefa.com/uefa/socialresponsibility/respect/news/newsid=1792350.html
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jan Feddersen
       
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