# taz.de -- Transsexueller Stadtrat in Kuba: Geschlechtsumwandlung kostenlos
       
       > José Agustín Hernández ist für viele Kubaner „Abweichler“, denn er ist
       > transsexuell. Trotzdem konnte er Stadtrat werden. Denn Hernández ist
       > überzeugter Kommunist.
       
 (IMG) Bild: Der internationale Tag gegen Homophobie auf Kuba.
       
       CAIBARIÉN dpa | Klein, zierlich, blond gefärbtes Haar, Stöckelschuhe – José
       Agustín Hernández entspricht kaum dem Klischee vom männlichen
       lateinamerikanischen Revolutionär. Als „Abweichler“ wurden Trans- und
       Homosexuelle auf Kuba beschimpft.
       
       Trotzdem hat es der 49-Jährige zur neuen Polit-Prominenz in Villa Clara
       gebracht – der Provinz, wo einst „Che“ Guevara kämpfte. 50 Jahre nach dem
       Triumph der „Bärtigen“-Revolution von Fidel Castro sehen kubanische Helden
       anders aus. Denn Hernández ist Transsexueller. Seit Oktober ist er auch
       gewählter Stadtrat – ein Novum im Land.
       
       „Das war ein großer Sieg“, erinnert er sich stolz. In seinem Viertel, einem
       Slum am Rande der Hafengemeinde Caibarién im Zentrum der Insel, wird er von
       Nachbarn liebevoll nur „Adela“ gerufen. Doch wie man ihn anredet, mit José
       oder Adela – ob als Mann oder als Frau, ist ihm egal.
       
       Seit seiner Wahl bekam er viel Besuch von Journalisten, auch Abgesandte von
       Mariela Castro, der Tochter von Staatschef Raúl Castro, waren da. Seine
       Armut zeigt er offen: eine Holzhütte, etwa zehn Quadratmeter Fläche. Kein
       Leitungswasser, kein Klo.
       
       ## Straßenbeleuchtung für den Slum
       
       In der Nachbarschaft ist er beliebt. „Er hat immer den Schritt nach vorne
       getan, hat uns immer geholfen“, erzählt die 48-jährige Magaly Álvarez. In
       seiner kurzen Zeit als Stadtrat habe er schon erreicht, dass der Slum
       Straßenbeleuchtung bekomme. Das habe früher keiner geschafft.
       
       Hernández kam in Oktober bei den Regionalwahlen nach einer Stichwahl ins
       Amt. Sein Fall zeigt, dass gesellschaftlichen Veränderungen auf Kuba
       stattfinden. Trotz politischer Starre.
       
       Die von einem Einparteiensystem kommunistisch regierte Karibikinsel
       verteidigt ihre Wahlen als demokratisch. Auf dem Papier werden
       Volksvertreter auf lokaler und nationaler Ebene direkt von
       Bürgerversammlungen nominiert und später an der Wahlurne bestätigt.
       Dissidenten haben in der Regel keine Chance. Tatsächlich lenkt der
       Staatsapparat alles durch örtliche Komitees, so dass vor allem politisch
       Andersdenkende nicht zum Zuge kommen.
       
       Hernández wurde mangels anderer Kandidaten in seinem Wahlbezirk nominiert.
       „Die Nachbarn schlugen ein Parteimitglied als Kandidaten vor, aber der
       wollte nicht“, erzählt er. „Dann sagten sie: Hier gibt es keine anderen
       Vorschläge als Adela“. Auch dies ist ein Merkmal des politischen Systems
       auf Kuba: Das politische Interesse ist oft nicht besonders groß.
       
       ## Die Wahlbehörde war skeptisch.
       
       Für Hernández kam alles zum richtigen Zeitpunkt. Entscheidend bei seiner
       Wahl war auch, dass er überzeugter Kommunist ist. „Ich bin genau so
       homosexuell, wie ich revolutionär bin“, sagt er. „Alle Länder machen
       Fehler, und wenn es Momente für Wiedergutmachung gibt, heiße ich das
       willkommen“. Trotzdem war doe Wahlbehörde zunächst skeptisch, als die Wahl
       auf ihn fiel. „Sie dachten, das wäre ein Scherz“, erinnert sich Nachbarin
       Álvarez. Dann gaben sie aber nach.
       
       Homosexuelle hatten es in den Jahren nach der Revolution von 1959 nicht
       einfach. Die sogenannten „Abweichler“ wurden oft in Arbeitslager gesteckt
       und allgemein als „konterrevolutionär“ gesellschaftlich ausgegrenzt. 2010
       bezeichnete Revolutionsführer Fidel Castro die Verfolgung als Unrecht.
       
       Seine Tochter Mariela Castro tritt für die Rechte von Schwulen und Lesben
       ein. Die Tochter des Staatschefs leitet in der Hauptstadt Havanna das
       Nationale Zentrum für Sexuelle Erziehung (Cenesex). Als Abgeordnete in der
       Nationalversammlung setzt sie sich für die Einführung der Homo-Ehe ein.
       [1][Kritik an staatlicher Repression vermeidet sie aber.] 
       
       Sie lud Hernández kürzlich nach Havanna zu einem Straßenfest gegen
       Homophobie ein. Jetzt, da er eine Art „Vorzeige-Homo“ geworden ist. Auch
       soll Hernández sich bald einer Geschlechtsumwandlung unterziehen dürfen –
       einer Operation, die seit 2008 vom kubanischen Staat kostenlos angeboten
       wird. Rund zwei Dutzend Personen sind seitdem operiert worden.
       
       Hernández plagen aber auch andere Sorgen: Sein rund 30 Jahre jüngerer
       Lebenspartner sitzt im Gefängnis, weil er Vieh gestohlen hat. Ihm selbst
       ist derartiges nicht fremd. Als er jung war, ließ ihn sein Vater aufgrund
       seiner Homosexualität ins Gefängnis stecken.
       
       Allein schlug er sich später als junger Mensch in der Provinz durch, machte
       eine Ausbildung als Krankenpfleger. An seinen freien Wochenenden tritt er
       regelmäßig in einer Travestie-Show in der Nähe von Caibarién auf.
       
       16 May 2013
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /!116137/
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Homophobie
 (DIR) Homosexualität
 (DIR) Transgender
 (DIR) Kuba
 (DIR) Politik
 (DIR) Kubataz
 (DIR) Transgender
 (DIR) Transgender
 (DIR) Internet
 (DIR) Justizskandal
 (DIR) Homosexuelle
 (DIR) Kuba
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) LGBTQ in Kuba: Eine Diva bleibt immer eine Diva
       
       Mit 12 erkannte Raúl, dass er nicht Raúl sein konnte, sondern Fahrah sein
       wollte. Die Geschichte eines langen kubanischen Leidensweges.
       
 (DIR) Kommentar Transsexuelle in Schweden: Ermutigender Schritt vors Gericht
       
       In Schweden klagen 142 Transsexuelle gegen den Staat, weil sie sich
       sterilisieren lassen mussten. Heute erschließt sich die Inhumanität dieser
       Praxis selbst Konservativen.
       
 (DIR) Zwangssterilisierung in Schweden: Transsexuelle verklagen Staat
       
       Weil sie bei ihrer Geschlechtsumwandlung zu Unrecht sterilisiert wurden,
       fordern 142 Transsexuelle Geld. Die Regierung hat sich bisher noch nicht
       mal entschuldigt.
       
 (DIR) Internet in Kuba: Castros kurze Leine
       
       Bis jetzt surften Kubaner im Schneckentempo im Netz – nun schafft ein neues
       Glasfaserkabel Abhilfe. Internet für alle? Von wegen.
       
 (DIR) Transsexuelle Identität: Sandra auf der Flucht
       
       Vier Jahre Haft wegen Einbrüchen – obwohl sie transsexuell ist, kam Sandra
       O. in den Männerknast. Nun wird nach ihr gefahndet.
       
 (DIR) Tödlicher Angriff auf Homosexuellen: Homophobes Wüten in Wolgograd
       
       In Russland haben die Behörden nach dem tödlichen Angriff auf einen
       23-jährigen Homosexuellen zwei Verdächtige festgenommen. Das Opfer wurde
       verstümmelt.
       
 (DIR) Marsch gegen Homophobie in Havanna: Sexuelle Revolutionärin
       
       Mariela Castro, Tochter des kubanischen Präsidenten, macht sich für die
       Rechte sexueller Minderheiten stark. Kritik an staatlicher Repression
       vermeidet sie aber.