# taz.de -- Bauis werden an Stadtrand gedrängt: Kein Platz für alternatives Wohnen
       
       > Oldenburger Wagenburg muss nach 18 Jahren einem Neubaugebiet für
       > Besserverdienende weichen – und eine höhere Pacht bezahlen.
       
 (IMG) Bild: Sind umgezogen, aber nicht so, wie es sich die Stadtverwaltung vorgestellt hat: Die Oldenburger Wagenburg campiert vor dem Technischen Rathaus.
       
       OLDENBURG taz | Am Donnerstag ist sie dann doch umgezogen, die Oldenburger
       Wagenburg – ganz plötzlich und nicht so, wie die Stadtverwaltung es sich
       vorgestellt hat. Mit Treckern, Bauwagen und ausgebauten Lkws machten sich
       rund zwei Dutzend Wagenbewohner auf und richteten sich vor dem Technischen
       Rathaus der Stadt ein – dort, wo das Baudezernat seinen Sitz hat, das über
       ihre Zukunft entscheidet.
       
       Wäscheleinen wurden aufgehängt, Abendessen gekocht, aus den Wagen dudelte
       Musik – eine bemüht erzeugte gemütliche Stimmung. „Keine Angst, hier
       entsteht ein neuer Wagenplatz“, klärte ein gelbes Schild auf, für den Fall,
       dass sich Passanten in diesem eher funktional ausgerichteten
       Verwaltungskomplex verlaufen sollten.
       
       Denn einen neuen Wagenplatz brauchen die Mitglieder des „Vereins zur
       Förderung selbstbestimmten Lebens“ dringend, seit die Stadtverwaltung zum
       Februar den Pachtvertrag für ihren bisherigen Standort gekündigt hatte.
       Seit 18 Jahren existiert die Wagenburg auf dem Gelände eines ehemaligen
       Schlachthofs im Bereich des Oldenburger Hafens, einer von Gleisanlagen und
       Brachen geprägten Gegend, in der sich in den vergangenen Jahrzehnten wenig
       getan hat.
       
       Das soll sich in naher Zukunft jedoch ändern: Die Stadt will dort das
       Quartier „Alter Stadthafen“ entwickeln, ein Viertel mit hochpreisiger
       Wohnbebauung am Wasser. Für alternative Wohnmodelle ist dann kein Platz
       mehr. Vielleicht fürchtet man auch bloß um etwaige Investoren.
       
       Dass sich die Ereignisse zurzeit überschlagen, erscheint angesichts der
       Dauer der Diskussion merkwürdig. Seit acht Jahren, seit das Konzept des
       „Alten Stadthafens“ erstmals vorgestellt wurde, fahnden Behörden und Verein
       nach Ausweichstandorten; seit 2008 ist die Verwaltung sogar durch einen
       Ratsbeschluss beauftragt, ein geeignetes Gelände ausfindig zu machen,
       „möglichst zentral“, wie es in einer Resolution hieß, in der sich die
       Ratsfraktionen zur Wagenburg bekannten. Verschiedene Grundstücke wurden ins
       Auge gefasst und verworfen, mal von der Stadt, mal vom Verein.
       
       Der soll nun auf den ehemaligen Fliegerhorst ziehen, ein riesiges Gelände
       im Nordwesten der Stadt, alles andere als zentral gelegen. Das Angebot
       klingt ultimativ, ein unterschriftsreifer Vertrag liegt vor. Nach mehreren
       Treffen am runden Tisch erklärten sich die Wagenburgler zähneknirschend
       bereit, eines der drei diskutierten dortigen Areale zu akzeptieren – das
       Gelände C verfügt über einen Bunker, in dem sich Kulturveranstaltungen
       durchführen ließen.
       
       Kaum abgenickt, fühlten sie sich von der Verwaltung über den Tisch gezogen:
       „Plötzlich hieß es, das Gelände sei uns irrtümlich angeboten worden“, sagt
       Thomas, einer der Bauwagensprecher. Zur Verfügung stand nur das Gelände A.
       Das am wenigsten geeignete.
       
       Alles falsch, sagt Stadtsprecher Andreas van Hooven, die Grundstücke B und
       C seien „zu keinem Zeitpunkt angeboten worden“. Man habe sie in den
       Gesprächen nur nebenbei erwähnt. Der Bunker sei für Sportinitiativen
       vorgesehen, etwa für Skater. Die aber wollten da gar nicht hin, sagen die
       Wagenburgler.
       
       Das Hauptproblem ist aber ohnehin ein anderes: Geld. 1.523,01 Euro soll die
       monatliche Pacht betragen, rund dreimal soviel wie bisher. „Das können wir
       uns schlicht nicht leisten“, sagt Benno. „Normalerweise zieht man doch aus
       dem Zentrum an den Rand, um weniger Miete zu zahlen“, fügt Lisa hinzu. 19
       Cent pro Quadratmeter sieht der Vertrag vor – weitaus mehr als die
       Wagenplätze in Bremen oder Hannover kosten, kritisiert der Verein.
       
       Der Betrag setzt sich je etwa zur Hälfte aus der Pacht und den
       Erschließungskosten für das Gelände zusammen: Versorgungsleitungen,
       Zuwegung und ein Zaun, auf dessen Errichtung die Bundesanstalt für
       Immobilienaufgaben besteht, die den Großteil des Fliegerhorsts verwaltet.
       Summa summarum 150.000 Euro, die die Wagenburg in 20 Jahren abstottern
       soll. Schon für ihren jetzigen Standort hätten sie die Erschließung
       bezahlt, sagten sie: „Und den verlassen wir ja nicht freiwillig.“
       
       Überhaupt, der Pachtvertrag. Der regelt neben dem Finanziellen auch gleich
       Dinge wie Verbote von Lagerfeuern und Pflanzungen, regelmäßige namentliche
       Meldungen oder die Höchstzahl an Bewohnern (20) sowie Haustieren (fünf). Er
       wirkt weniger wie ein Mietangebot als vielmehr wie eine bewusst überzogene
       erste Runde eines Vertragspokers, und auf Nachfragen antwortet die
       Stadtverwaltung auch, dass man über diese „weichen“ Klauseln ja reden
       könne. Nur die Höhe des Pachtzinses sei „nicht verhandelbar“.
       
       Ein Gelände, das sie nicht wollen, eine Pachthöhe, die sie sich nicht
       leisten können und allzu gängelnde Klauseln – es verwundert kaum, dass der
       Verein angekündigt hat, seine Unterschrift zu verweigern. In den kommenden
       Tagen wollen sie ihren Protest – der sich auch gegen die generelle
       Wegsaniererei seitens der Stadt richtet – gezielt in die Öffentlichkeit
       tragen: Nach dem Technischen Rathaus ging es am nächsten Tag zur
       Weser-Ems-Halle, „erstmal auf Achse sein“, sagt Thomas. Flyer werden
       verteilt, bei den „sesshaften“ Oldenburgern stießen sie durchaus auf
       Sympathie, sagen sie.
       
       Allerdings weht ihnen aus anderer Richtung der Wind zunehmend ins Gesicht –
       denn auch die ihnen Wohlgesonnenen unter den Lokalpolitikern lassen bei
       diesem Thema allmählich eine gewisse Genervtheit erkennen. Zu lange schon
       wird hin und her diskutiert. „Das liegt auch daran, dass bei uns
       Entscheidungen immer im Konsens gefällt werden“, sagt Thomas: „Das dauert
       seine Zeit.“ Zeit, die ihnen langsam davonzulaufen droht. Das unschöne Wort
       „Räumung“ ist hier und da bereits gefallen.
       
       2 Jun 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Maik Nolte
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Bremen
 (DIR) Stadtentwicklung
       
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