# taz.de -- Putins Trennung: Die Ausnahme-Scheidung
       
       > Mit seinem öffentlichen Bekenntnis bricht Putin mit seinem Weltbild.
       > Gemäß russischer Familienpolitik droht ihm jetzt eine Geldstrafe.
       
 (IMG) Bild: Mit der öffentlichen Scheidung zeigt sich das Ehepaar Putin ungewöhnlich modern.
       
       MOSKAU taz | Wichtige Ereignisse werden in Russland fast immer von
       Ballettvorstellungen begleitet. Meist ist es Peter Tschaikowskys
       „Schwanensee“, der den Bürgern Veränderungen im Staate ankündigt. Das
       Ehepaar Putin wählte unterdessen die Pause im Ballett „La Esmeralda“ nach
       Motiven des Romans „Der Glöckner von Notre-Dame“ von Victor Hugo, das im
       Kreml-Palast gezeigt wurde, um dem Volk die bevorstehende Trennung
       nahezubringen. Auch die Auswahl dieses Stückes, das einen Konflikt zwischen
       Liebe und Pflicht beschreibt, dürfte kein reiner Zufall gewesen sein.
       
       Eine Journalistin des Fernsehsenders Rossija 24 fragte die Putins im Foyer
       beinahe beiläufig, ob sie noch ein gemeinsames Leben führten. Sie wirkte
       nervös, obschon wohl alles inszeniert war. Bisher hat kein Journalist
       gewagt, in die Privatsphäre eines Kremlchefs vorzudringen. Dass Präsident
       und Gattin getrennte Haushalte führen, wissen die Russen längst. Die
       Sensation bestand darin, dass sie sich scheiden lassen und es öffentlich
       machen.
       
       Zuletzt hatte sich vor 200 Jahren Peter der Grosse scheiden lassen.
       Scheidungen akzeptierte auch die Kommunistische Partei unter Funktionären
       nur in Notfällen. Putin ist ein Traditionalist, der der Sowjetunion
       nachtrauert und dennoch das Tabu gebrochen hat. Die frühere Freundin der
       Familie und Fernsehmoderatorin Xenia Sobtschak glaubt, Ljudmila habe ihren
       Mann zum Vollzug gedrängt. Aus freien Stücken hätte er das nicht getan, da
       er sich mit der bisherigen Situation gut arrangieren konnte.
       
       Die Trennung steht auch im Widerspruch zum Konzept einer neuen
       Familienpolitik, das Putin bei der Kirche in Auftrag gab. Der Entwurf sieht
       vor, Scheidungen mit Geldstrafe zu belegen und gesellschaftlich zu ächten.
       Auch Homo-Ehen, Lebensgemeinschaften ohne Trauschein, allein erziehende
       Elternteile und Abtreibungen sind dem Klerus ein Dorn im Auge. Was sich
       gesetzlich nicht verbieten lässt, soll zumindest einem gesellschaftlichen
       Bannstrahl ausgesetzt werden.
       
       ## Die Kirche scheint irritiert
       
       Patriarch Kyrill hält Scheidung für Sünde und stimmt ihr nur in
       Ausnahmefällen zu. Die Kirche hat noch keine Stellung zum Fall Putin
       bezogen. Ob das kirchlich getraute Paar vor der Scheidung beim Oberhirten
       Rat einholte, ist bislang nicht bekannt. Auch der für „Beziehungen zur
       Gesellschaft“ zuständige Oberpriester der Orthodoxen Kirche, Wsewolod
       Tschaplin, war für einen Kommentar „noch nicht bereit“. Dem
       ultrakonservativen Scharfzüngler hatte die Trennung erstmals die Sprache
       verschlagen. Die Kirche scheint irritiert.
       
       Wladimir Putin verunsicherte auch viele Dumaabgeordnete, die in der letzten
       Woche das Konzept einer staatlichen Familienpolitik bis 2025 erstmals der
       Öffentlichkeit vorstellten. Sie scheinen ratlos zu sein. Xenia Sobtschak,
       von der behauptet wird, sie sei Patenkind der Putins, gab noch zu bedenken,
       dass mit Ljudmila Putina der letzte Mensch aus der Umgebung des Kremlchefs
       scheide, auf dessen Mahnungen er gelegentlich noch hörte. Eine
       beunruhigende Perspektive sei das. Eine Bloggerin meinte dazu: „Ludmila ist
       der einzige Mensch in Russland, der sich von Putin befreien konnte“.
       
       Laut dem Soziologen Anatoli Antonow nehmen die Russen die Trennung des
       Präsidentenpaars gelassen auf. Scheidungen gehören inzwischen zum Alltag.
       Russland und Europa nähern sich diesbezüglich an. Allerdings habe ein
       Staatsoberhaupt auch Vorbildfunktion. Ältere verheiratete Frauen, Putins
       Stammwähler, könnten von ihrem Idol enttäuscht sein. Im Gegensatz zu seinem
       traditionalistischen Weltbild stellt sich Putin als moderner Mensch dar,
       der so ist wie andere auch.
       
       Laut der Elitenforscherin Olga Kryschtanowskaja interessiert Russland indes
       nur eins: Bleibt Putin allein, oder nimmt er sich eine jüngere Frau? In
       diesem Fall dürften ihn treue Wählerinnen durch Stimmenentzug bestrafen.
       Schlüpft er hingegen in die Rolle des Asketen steh ihm eine Beförderung
       bevor: zum Halbgott und Heiligen.
       
       9 Jun 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Klaus-Helge Donath
       
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