# taz.de -- Funktionärswillkür im Beachvolleyball: Abservierte Profis
       
       > Ein neues Wertungssystem gibt Funktionären willkürliche Möglichkeiten.
       > Die betroffenen Sportler sprechen nun sogar über die Abspaltung vom
       > Weltverband.
       
 (IMG) Bild: Stress am Netz: Sportler kritisieren den Weltverband.
       
       MÜNSTER taz | Was macht ein Brasilianer, wenn er nach Münster kommt? Er
       besorgt sich eine „Leeze“, um sich in der deutschen Fahrradhauptstadt
       standesgemäß fortbewegen zu können. Harley Marques hat das getan, der Mann
       aus Rio de Janeiro war am Wochenende in Westfalen, um seinem Job als
       Beachvolleyballer nachzugehen. Er tingelt durch die Provinz. Warum? Einer
       der erfolgreichsten Profis muss das nehmen, was übrig bleibt.
       
       „Man lässt mich nicht spielen“, sagt der 39-Jährige und lächelt gequält.
       Was er fühlt? „Wut, Ohnmacht“ und vor allem eins: „Trauer“. Harley Marques
       sitzt im Spielerzelt auf dem Schlossplatz in Münster und sagt: „Dieser Mann
       hat meinen Traum zerstört.“ Der Traum, das sind die Olympischen Spiele 2016
       in Rio, seiner Stadt.
       
       „Ich traue mir das zu, dann noch gut genug zu sein“, sagt der
       Vizeweltmeister von 2009. Doch dazu wird es wohl nicht kommen, weil „dieser
       Mann“ etwas dagegen hat. Die Rede ist von Ary Graca, ebenfalls Brasilianer
       und seit September 2012 Präsident des Weltverbandes FIVB.
       
       Der umtriebige Geschäftsmann hat die World Tour umgekrempelt, indem er
       durchsetzte, dass die erspielten Punkte nicht mehr den Athleten gehören,
       die sie erspielt haben. Stattdessen erhalten die nationalen Verbände
       Quotenplätze, die sie nach Gutdünken verteilen dürfen. Der Sinn dieses
       Manövers: Alle Macht den Funktionären, keine Macht den Spielern.
       
       ## Herabgestuft, gedemütigt und entmündigt
       
       Graca hat bereits mehrfach gezeigt, dass er gewillt ist, sein Werkzeug
       einzusetzen. So wurde Harley Marques von einem Tag auf den anderen
       kaltgestellt. Herabgestuft, gedemütigt und entmündigt. Er springt nicht
       mehr auf der großen Bühne, sondern auf dem Schlossplatz in Münster. Julius
       Brink macht das „fassungslos und wütend“. „So kann man doch nicht mit
       Menschen umgehen“, sagt der Olympiasieger. Brink berichtet, wie er als
       junger Bursche auf die Tour kam, „da war Harley ein Idol für mich, und
       jetzt servieren sie ihn einfach ab“.
       
       Der Brasilianer erzählt, wie er auf einem Flug drei Stunden lang neben dem
       Mann saß, der sein Leben so nachhaltig veränderte. All seine Fragen seien
       an Graca abgeprallt, er habe keine Antworten gehabt, „sondern nichts als
       Ausflüchte“. Der Appell, „Herr Präsident, ich bin Profi, ich lebe von
       Beachvolleyball“, sei verhallt.
       
       Noch krasser als der Fall Harley Marques ist der seiner brasilianischen
       Kollegin Juliana Felisberta da Silva. Die 29-Jährige gilt als weltbeste
       Blockerin, sie ist Weltmeisterin 2011, sechsfache Gewinnerin der World Tour
       und hat 1,4 Millionen Dollar Preisgeld erschmettert.
       
       Doch auch sie wurde von Graca mit einem Bann belegt, der einem Berufsverbot
       gleichkommt. Der Grund für diese Maßnahme: Die Spielerin weigert sich, im
       vom brasilianischen Verband gesteuerten Zentrum in Saquarema zu trainieren.
       Außerdem übte sie Kritik an den neuen Zuständen.
       
       ## Drohanrufe von Funktionären
       
       Die Zeiten sind hart, seit Ary Graca die Zügel in der Hand hält. Harley
       Marques berichtet von Drohanrufen von Funktionären, wenn unliebsame
       Meinungen auf Facebook erscheinen: „Das ist wie in einem totalitären
       Regime.“ Ihr Recht auf freie Berufswahl vor einem Gericht zu erstreiten
       haben die kaltgestellten Profis bereits erwogen. Doch im internationalen
       Gewerbe Beachvolleyball sei es nicht so leicht, die Zuständigkeiten zu
       eruieren: „Ich bin Brasilianer“, sagt Harley Marques, „und der Weltverband
       sitzt in der Schweiz.“
       
       Einfach so in ihr Schicksal fügen wollen sich die entmachteten Sportler
       jedoch nicht. Nun gelte es, Flagge zu zeigen und für die Rechte der Spieler
       zu kämpfen. Von einem offenen Brief ist die Rede, den die olympischen
       Medaillengewinner gemeinsam verfassen wollen. Auch ein Streik, wie ihn die
       Spieler bereits 2005 bei der WM in Berlin durchzogen, um gegen den
       damaligen FIVB-Präsidenten Ruben Acosta aufzubegehren, wäre eine Option.
       
       Gesprochen wird sogar von noch radikaleren Maßnahmen wie einer Revolution.
       Eine Abspaltung mit Gründung eines neuen Verbandes und einer eigenen Tour
       ist in den 80ern von den Profis in den USA bereits durchgezogen worden. „Es
       gibt viele Szenarien“, sagt Julius Brink, „wir denken sie derzeit alle
       durch.“
       
       10 Jun 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Felix Meininghaus
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Beachvolleyball
 (DIR) Funktionäre
 (DIR) Schwerpunkt Sport trotz Corona
 (DIR) Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Leichtathlet Schrader über Comeback: „Ich mag meinen Körper“
       
       Nach langer Verletzungspause hat der Zehnkämpfer Michael Schrader im Mai
       eine Weltjahresbestleistung aufgestellt. Schmerzen hat er trotzdem.
       
 (DIR) Baggern & pritschen: Hamburgs Volleyball droht Abwärtsspirale
       
       Das VT Aurubis bekommt wegen des ausbleibenden großen Erfolgs weniger Geld
       und muss deshalb zusehen, dass es seinen Kader bei Laune hält
       
 (DIR) Beachvolleyballer beendet Karriere: Reckermann hat Rücken
       
       „Es tut weh“: Weil sein Rücken malad ist, beendet Olympiasieger Jonas
       Reckermann seine Karriere. Sein Partner Julius Brink macht weiter.