# taz.de -- Proteste in Istanbul: Polizei räumt gewaltsam Protestlager
       
       > Am Abend stürmen Sicherheitskräfte den Gezi-Park. Sie setzen Wasserwerfer
       > und Tränengas ein. Es gibt mehrere Verletzte. Augenzeugen berichten von
       > dramatischen Szenen.
       
 (IMG) Bild: Ohne Rücksicht auf die Demonstranten: brutaler Polizeieinsatz im Gezi-Park
       
       ISTANBUL ap/dpa | Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hat
       seine Drohungen wahr gemacht: Die türkische Polizei hat das Protestlager
       der Regierungsgegner im Istanbuler Gezi-Park mit Gewalt geräumt. Sie
       feuerte am Samstagabend zuerst massiv Tränengas-Granaten auf das Zeltlager
       ab und rückte anschließend mit mehreren Hundertschaften auf das Gelände
       vor.
       
       Es dauerte nur eine halbe Stunde, bis die Demonstranten ihr Zeltlager
       verlassen hatten. Ihre Zelte ließen sie zurück. Zehntausende
       Regierungsgegner zogen anschließend durch die umliegenden Stadtviertel und
       riefen Parolen gegen Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan.
       
       Sie skandierten: „Das ist erst der Anfang. Der Kampf geht weiter“. In einer
       angrenzenden Fußgängerzone setzte die Polizei Wasserwerfer ein, während
       Mitarbeiter der Müllabfuhr die Zelte und Matratzen aus dem Park entfernten.
       
       Nach der Räumung wurden mehrere Verletzte davongetragen. Einige von ihnen
       waren ohnmächtig geworden. Es gab etliche Festnahmen.
       
       Auch am späteren Samstagabend spielten sich dramatische Szenen ab. Hunderte
       von Demonstranten flohen zunächt in das Hotel Divan. Die Polizei versuchte,
       das Hotel zu stürmen, schoss wahllos Tränengasgranaten in das Gebäude.
       Augenzeugen berichten von unglaublichen Vorgängen und von Polizeigewalt.
       
       Die Protestbewegung hatte ein Ultimatum der Regierung verstreichen lassen,
       sich zurückzuziehen. Kurz zuvor hatte der Ministerpräsident eine Warnung an
       die Protestierenden ausgesprochen.
       
       Kurz zuvor hatte Ministerpräsident Erdogan eine Warnung an die
       Protestierenden ausgesprochen. Bei einer Kundgebung in Ankara mit
       Zehntausenden Anhängern seiner konservativ-religiösen Regierungspartei AKP
       rief er die Demonstranten auf, den Platz zu verlassen. Andernfalls wüssten
       die Sicherheitskräfte, was sie zu tun hätten.
       
       Bei der Kundgebung in Sincan, einem Vorort der Hauptstadt Ankara, brachten
       Erdogans Anhänger ihre Unterstützung für seinen Kurs zum Ausdruck. Erdogan
       sagte, die Demonstranten repräsentierten die „schweigende Mehrheit“ der
       Türken, die den regierungskritischen Protesten nichts abgewinnen könne. In
       den vergangenen Tagen hätten Millionen Menschen für seine Sache gebetet,
       sagte Erdogan. „Ihr seid hier und ihr vereitelt die verräterische
       Verschwörung, die verräterische Attacke“, rief er der Menschenmenge zu.
       
       „Bleib standhaft, das Volk ist mit dir“, erwiderten seine Anhänger. Eine
       weitere Demonstration von AKP-Sympathisanten war für Sonntag in Istanbul
       geplant.
       
       Die Demonstranten in Istanbul hatten das Ultimatum der Regierung nicht
       beachtet, den Gezi-Park in der Nähe des Taksim-Platzes zu räumen. Der
       Gezi-Park-Aktivist Tayfun Kahraman sagte der Nachrichtenagentur AP, man sei
       sich einig: „Wir bleiben im Park.“ Kahraman war am Vortag einer von zwei
       Vertretern der Taksim-Solidarität gewesen, die sich mit Erdogan getroffen
       hatten.
       
       ## Forderungen des Bündnisses
       
       Erdogan hatte dabei Zugeständnisse im Streit über die künftige Gestaltung
       des Parks in Aussicht gestellt, der die Massenproteste in der Türkei
       ausgelöst hatte. So soll ein Gerichtsurteil abgewartet und gegebenenfalls
       ein Referendum in Istanbul abgehalten werden. Gleichzeitig hatte Erdogan
       die Demonstranten aber ultimativ aufgefordert, den Park zu räumen. Man
       wolle nicht gezwungen sein, „andere Maßnahmen zu ergreifen“.
       
       Das Solidaritätsbündnis erklärte, der Erhalt des Parks sei bei weitem nicht
       die einzige Forderung, die erfüllt werden müsse. So müssten zudem alle
       Verantwortlichen, die die exzessive Polizeigewalt der vergangenen Tage
       angeordnet hätten, zurücktreten oder entlassen werden. Zudem müsse der
       Polizei der Einsatz von Tränengas untersagt werden.
       
       ## Claudia Roth: „Das ist wie im Krieg“
       
       Die Grünen-Politikerin Claudia Roth hat entsetzt miterlebt, wie das
       Protestlager von der Polizei geräumt wurde. „Das ist wie im Krieg. Die
       jagen die Leute durch die Straßen und feuern gezielt mit Tränengas-Granaten
       auf die Menschen“, sagte die Parteivorsitzende der Grünen am späten
       Samstagabend der Nachrichtenagentur dpa in Istanbul.
       
       Roth sprach mit den Protestierenden in dem seit zwei Wochen besetzten
       Gezi-Park, als der Polizeieinsatz begann. Die Stimmung in dem Protestlager
       sei zuvor friedlich gewesen, betonte sie. Andere Besucher des Zeltlagers
       berichteten, im Park hätten sich auch Kinder aufgehalten.
       
       Die Polizei hatte am 31. Mai in Istanbul eine Demonstration von
       Umweltschützern aufgelöst, die sich gegen die Abholzung von Bäumen am
       Gezi-Park zugunsten eines geplanten Einkaufszentrums wandten. Sehr schnell
       wurde daraus eine allgemeine Protestbewegung gegen Erdogan und seine
       Regierung in zahlreichen Städten der Türkei. Bei Zusammenstößen sind
       seither fünf Menschen getötet und mehr als 5000 verletzt worden, viele nach
       dem Einsatz von Tränengas.
       
       15 Jun 2013
       
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