# taz.de -- Die Frauen-Nationalelf vor der EM: Flexibles Power-Puzzeln
       
       > Zahlreiche Ausfälle zwingen Bundestrainerin Silvia Neid in der
       > EM-Vorbereitung zu Experimenten. Im Testspiel gegen Schottland reicht das
       > für ein 3:0.
       
 (IMG) Bild: Machte gegen Schottland Druck: Celia Okoyino da Mbabi traf in Essen doppelt
       
       Ein Teil der deutschen Spielerinnen war längst in Richtung Mannschaftsbus
       entschwebt, als sie das Kommando aus dem Stadioninnern ereilte: Hopp, hopp,
       zurück – schließlich wollte Bundestrainerin Silvia Neid nach absolvierter
       Pressekonferenz noch Kim Kulig aus ihrem vorläufigen EM-Kader
       verabschieden.
       
       Mit der 23-jährigen Mittelfeldspielerin meldete sich am Samstag bereits die
       fünfte tragende Kraft der DFB-Auswahl für die EM im Juli ab. Und so
       marschierten ihre Kolleginnen im Gänsemarsch zurück in die Kabine, um
       Kulig, die sich nun einer zweiten Knie-OP unterziehen muss, bis auf
       Weiteres Lebewohl zu sagen.
       
       Flexibilität ist aktuell eben das höchste Gebot im Lager der deutschen
       Fußballerinnen. Das mäßige 3:0 gegen drittklassige Schottinnen machte
       deutlich, was so ein hässlicher Strauß an Absagen für Abteilungsleiterin
       Neid bedeutet.
       
       Da wurde mit den 26 verbliebenen Spielerinnen in Essen nicht nur getestet
       und gewechselt, was das Zeug hielt. Da wuselte Leonie Maier, die im Verein
       üblicherweise verteidigt, plötzlich im linken offensiven Mittelfeld herum.
       Und Lena Goeßling von Triple-Gewinner Wolfsburg, einst Mittelfeldspielerin,
       dann zur Innenverteidigerin umgeschult, kehrte zu ihren Wurzeln zurück und
       nahm nun Kuligs Position im defensiven Mittelfeld ein.
       
       ## Silvia Neid nimmt keine Rücksicht
       
       Bis zum nächsten Test gegen WM-Teilnehmer Kanada am Mittwoch wird die
       Intensität nun weiter beibehalten. „Ich werde wieder keine Rücksicht nehmen
       auf das Spiel“, kündigte Silvia Neid für Montag und Dienstag jeweils zwei
       Trainingseinheiten an. Und sich selbst erinnerte die 49-Jährige beim Blick
       auf die zerrissene DFB-Auswahl an ihre Kardinalaufgabe. „Mein Ziel“, sagte
       Neid, „ist es jetzt noch, zu schauen: Wer passt am besten zu wem? Und dann
       werde ich mich relativ schnell festlegen.“
       
       Eine Alternative zum Power-Puzzeln gibt es ohnehin nicht. Das weiß auch
       Simone Laudehr, die – ähnlich wie ihre Frankfurter Vereinskollegin Fatmire
       Bajramaj – nach monatelanger Verletzungspause erstmals wieder im
       Nationalteam spielte. „Wir haben nicht so viel Zeit – aber wir sind ja auch
       nicht auf den Kopf gefallen. Jetzt ist wichtig, dass wir auf möglichst
       vielen Positionen spielen. Um herauszufinden, wer wo und wer zusammen mit
       wem spielen kann“, erläuterte die Weltmeisterin von 2007 erst die
       allgemeine Situation.
       
       Und anschließend ihren persönlichen Fitnesstand nach dreiviertelstündiger
       Feldarbeit gegen Schottland. „Ich könnte jetzt schon 90 Minuten spielen“,
       sagte Laudehr. „Aber dann müsste man mich morgen früh mit dem Kran aus dem
       Bett heben.“
       
       ## Lichtblick Jennifer Cramer
       
       Kranführerin Neid ist in dieser verzwickten EM-Vorbereitung froh über jede
       Akteurin, die für das gewisse Extra sorgt. Gegen die Schottinnen stach aus
       dem Kreis der vielen jungen Spielerinnen, die nun eine Chance erhalten, vor
       allem die Potsdamerin Jennifer Cramer hervor.
       
       „Sie hat sehr mutig gespielt, sehr viel Dampf über die Außenbahn gemacht.
       Und dabei auch mal was anderes versucht – nicht immer nur die Linie
       entlang“, lobte die Bundestrainerin die 20-jährige Defensivspezialistin,
       die sie zudem als Alternative für die Innenverteidigung sieht – und
       betonte: „So etwas lässt mich, nach der ganzen Verletzungsserie, für die EM
       doch hoffen.“
       
       Anders als in früheren Jahren reisen Deutschlands Fußballerinnen am 7. Juli
       nicht als Topfavorit zum Kontinentalturnier nach Schweden. „Wir haben gegen
       das beste Team in Europa, vielleicht sogar der Welt gespielt“, behauptete
       Anna Signeul, die schwedische Trainerin der Schottinnen, in Essen dennoch
       trotzig. Woraufhin Silvia Neid sanft lächelnd konterte: „Vielen Dank für
       die Blumen, Anna. Aber: Was trinkst du?“
       
       16 Jun 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Morbach
       
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