# taz.de -- Kommentar zu Merkels Internet: Hihi, sie hat „Neuland“ gesagt
       
       > „Das Internet ist für uns alle Neuland“, hat Merkel gesagt. Prompt machen
       > sich alle über die Kanzlerin lustig. Dabei haben sie das Entscheidende
       > überhört.
       
       Angela Merkel hat einen dummen Satz gesagt, als Barack Obama bei der
       Pressekonferenz neben ihr stand. Merkel – schnallen Sie sich an – sprach:
       „Das Internet ist für uns alle Neuland.“
       
       Das hat sie jetzt nicht wirklich gesagt, oder? Das Internet ist doch schon
       so viele Jahrzehnte alt! Mehr oder weniger lustige Fotomontagen von der
       rückständigen Merkel machten kurz darauf die Runde. Mehr oder weniger
       witzige Sprüche auch. Jede Minute kamen am Mittwoch Dutzende neuer Tweets
       hinzu. Der Hashtag „neuland“ überflügelte gar „obamainberlin“.
       
       Die Onlinemedien stürzten sich auf diesen Satz. Endlich konnte neben den
       Livetickern noch ein Artikel über den Staatsbesuch veröffentlicht werden.
       stern.de sprach vom „Neuland-Fauxpas“, focus.de stellte messerscharf fest,
       dass „das Netz“ über Angela Merkel lachen würde, laut welt.de zog die
       Kanzlerin „den Spott der Netzgemeinde“ auf sich, für tagesspiegel.de war es
       ein „Patzer auf der Pressekonferenz“, und für Zeit Online war sie von nun
       an „die Kanzlerin von Neuland“.
       
       Wie schön ist es doch, sich über andere erheben zu können. Das war schon in
       der Schule das simpelste Mittel, um sicherzustellen, dass man selbst nicht
       zum Außenseiter wird. Wenn ich mich als Onlinemedium über eine nicht gerade
       netzaffine Kanzlerin lustig mache, kann ich mir des Beifalls meiner Leser
       gewiss sein. Sie haben ja schließlich den Weg auf meine Seite gefunden, sie
       kennen sich aus in diesem „Neuland“. Und wer sich bei Twitter rumtreibt,
       ist sowieso mit dem Internet sozialisiert. Lasst uns alle im Kreis
       aufstellen und mit dem Finger auf die Angela zeigen.
       
       Und jede/r versucht noch einen draufzusetzen. Selbst Sigmar Gabriel weiß
       einen auf Kosten von Merkel rauszuhauen: „Also ich fühle mich in diesem
       #Neuland eigentlich meistens ganz wohl“, schreibt er. Hohe Fünf, Siggi Pop.
       Bist du cool!
       
       Dabei braucht sich, wer von „dem Netz“ oder „der Netzgemeinde“ schreibt
       oder spricht, nicht für seinen Pioniergeist beklatschen zu lassen. Er oder
       sie spricht von „dem Netz“ genauso wie Merkel vom „Neuland“.
       
       Für Merkel hat die Häme über dieses eine dämliche Wort immerhin etwas
       Gutes. Im Meer der Neuland-Witzeleien geht völlig unter, was sie
       anschließend sagte: Das Internet „ermöglicht auch Feinden und Gegnern
       unserer demokratischen Grundordnung, mit völlig neuen Möglichkeiten und
       völlig neuen Herangehensweisen unsere Art zu leben in Gefahr zu bringen“.
       
       Das war ihre Antwort auf die Frage nach dem NSA-Überwachungsprogramm Prism
       – und es klingt wie eine Verharmlosung, eine Rechtfertigung dieser
       gigantischen Ausspähung durch die US-Behörden. Merkel kuschte vor Obama –
       und kaum einer hat's gemerkt.
       
       20 Jun 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jürn Kruse
       
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