# taz.de -- Die Knigge-Frage: Darf man Liebesbriefe mailen?
       
       > Schnell geschrieben, vielleicht noch vom Smartphone und mit Tippfehlern –
       > steckt da Liebe in den Zeilen?
       
 (IMG) Bild: Handgeschrieben und von Herzen.
       
       Niemals, nie, sagt Kollegin S., Liebesbriefe wirfst du in den Briefkasten
       und im selben Moment verfluchst du dich noch, dann läufst du vor der
       Haustür auf und ab und überlegst, wo du jetzt Brandsatz kaufen gehst, den
       du deinen Zeilen hinterherwerfen musst.
       
       Gut, oder? Wissen nicht alle.
       
       Snail Mail, sagt Kollegin W., handgeschrieben muss er sein. Parfümiert und
       mit gepressten Blumen, Vergissmeinnicht am besten. Der Liebesbrief muss
       Charakter haben, Individualität, er darf nicht austauschbar sein und mit
       ein paar Klicks in der Welt. Sonst kannst du ihn ja gleich als Sammelmail
       ausspucken.
       
       Edit message as new? A love letter? Never ever.
       
       Kein Mensch mailt mehr Liebesbriefe, sagt Kollege E.
       
       Nein? Nein.
       
       Twittert der Mensch sie?
       
       Nein. Nein?
       
       Der Mensch schickt Penisbilder.
       
       Gut, oder? Wissen nicht alle.
       
       Zur Sache: Die Liebe will raus. Die frische vor allem. Sie will erzählt
       werden, auch denen, die sie nicht hören möchten, sie will überallhin, auf
       Papier, durch den Magen, in den Kopf. Warum dann nicht auch: ins
       Motherboard? Zu Gmail, Webmail, Yahoo Mail, compose message, save message,
       send message, wenige und einfache Handgriffe, meistens sogar in der
       Muttersprache formuliert - warum nicht?
       
       Angenommen, es geht um Leben und Tod. Also: Es fühlt sich so an,
       filmszenenartig. Er will weg, sie ihn halten, er steht am Flughafen, die
       Augen suchen seinen Abflug auf der Anzeige, sie, Oslo, Rom, weiß, Zürich,
       jetzt erst, was sie will. Wie fragt sie nun wohl: Wenn ich dir sage, dass
       ich dich liebe, immer, ewig, jede Sekunde, bleibst du dann? Bitte? Mit noch
       ein paar schönen Worten drum herum, die sie loswerden und ungern in
       SMS-Form quetschen möchte?
       
       Richtig! Sie schickt eine Mail. Es vibriert in seiner Tasche, er zückt sein
       Smartphone, zu spät, um Brandsatz zu werfen, viel zu spät für
       Vergissmeinnicht, er liest - und antwortet vielleicht: Ja.
       
       Oder nein. Oder nicht. Trotzdem hat ihn die Liebe noch erreicht. Mit der
       Post hätte sie ihren Zeitpunkt verpasst - oder wäre gar verloren gegangen,
       womöglich wäre der Empfänger verzogen gewesen oder der Brief nicht
       zustellbar oder beim Nachbarn abgegeben worden oder es hätte einen
       Abholzettel gebraucht und der Abholzettel wäre in Haus Nummer 54 statt 56
       gelandet.
       
       Klar, sagt Kollege F., das Medium E-Mail muss für die Liebe viel stärker
       genutzt werden als bloß für kaltes Technokratenzeug.
       
       Ja? Ja. Das würde die Mail an sich erwärmen.
       
       22 Jun 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Annabelle Seubert
       
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