# taz.de -- Wasserstreit in Afrika: Am Nil beginnt eine neue Eiszeit
       
       > Äthiopien baut einen großen Staudamm am Blauen Nil, um Strom in die
       > Nachbarländer zu exportieren. Ägypten fürchtet um „sein“ Wasser.
       
 (IMG) Bild: Bauarbeiten für den Nildamm in Äthiopien.
       
       NAIROBI taz | Ägypten und Äthiopien beschimpfen sich gegenseitig mit
       kriegerischen Worten. Der Grund: Äthiopien hat begonnen, den Lauf des
       Blauen Nils um 500 Meter zu verlegen, um Afrikas größte Wasserkraftzentrale
       zu bauen. Der „Grand Renaissance Dam“ soll 6.000 Megawatt erzeugen, etwas
       mehr als sechs Atomkraftwerke. Aber Ägypten fürchtet jetzt um „sein“
       Nilwasser. In Kairo rufen Politiker zu Aktionen gegen Äthiopien auf, sogar
       zu Anschlägen.
       
       So weit wird es wohl nicht kommen. Beide Länder können sich einen
       Wasserkrieg nicht leisten. Die ägyptische Regierung hat zu viele eigene
       Probleme. Die äthiopische ist zu beschäftigt mit dem Aufbau der Wirtschaft
       und damit, die Bevölkerung unter der Fuchtel zu halten.
       
       Der Nil, mit 6.650 Kilometern der längste Fluss der Welt, speist sich aus
       dem Weißen Nil, der in Burundi entspringt und durch den Victoriasee, Uganda
       und den Südsudan strömt, und aus dem viel größeren, aber kürzeren Blauen
       Nil aus Äthiopiens Hochland. Bei Sudans Hauptstadt Khartum kommen beide
       zusammen und bilden den mächtigen Fluss, der Ägypten bewässert. Ungefähr 85
       Prozent des Nilwassers kommt aus dem Blauen Nil.
       
       ## Der umstrittene Damm soll in zwei Jahren fertig sein
       
       Äthiopien benutzt vom Nilwasser bisher nur 1 Prozent, obwohl es mit 85
       Millionen Menschen mehr Einwohner hat als Ägypten mit 82 Millionen. Der
       riesige Renaissance-Damm von 170 Meter Höhe und 1.800 Meter Länge bei
       Benishangul-Gumuz soll in zwei Jahren fertig sein.
       
       Eine Studie von Experten aus Äthiopien, Ägypten und Sudan über mögliche
       Konsequenzen des Dammbaus hat Äthiopien nicht abgewartet, um mit der
       Flussumleitung zu beginnen. Sie soll in den nächsten Wochen veröffentlicht
       werden. Das ganze Projekt ist bereits zu einem Viertel fertig, und es sieht
       nicht danach aus, dass Äthiopien sich hineinreden lässt. Ägypten fürchtet,
       dass Äthiopien ihm mit der Flussumleitung im Wortsinne den Hahn abdreht.
       
       ## In Ägypten ist Landwirtschaft nur am Nil möglich
       
       Im trockenen Ägypten ist Landwirtschaft nur entlang des Nils möglich, der
       den Boden an seinen Ufern bewässert, sowie im Flussdelta am Mittelmeer.
       Andere Wasserquellen hat das Land nicht.
       
       Äthiopien mit einer schnell wachsenden Bevölkerung ist viel ärmer als
       Ägypten. Zwar wächst die Wirtschaft mit 7 Prozent im Jahr, aber das Land
       ist geplagt von wiederkehrenden Dürren und Hungersnöten. Die Wirtschaft
       wird dirigistisch geführt, nach chinesischem Muster. Regierungschef
       Hailemariam Desalegn, Nachfolger des 2012 verstorbenen Meles Zenawi,
       verweigert jede Liberalisierung. So bleiben Banken und Telekommunikation
       und die Gewinne daraus in Händen der Regierung.
       
       Der Strom aus dem Renaissance-Damm wird nicht in erster Instanz in
       Äthiopien selbst genutzt werden, wo öfter die Elektrizität ausfällt und
       Kerzen die Beleuchtung übernehmen. Äthiopien will Elektrizität daraus an
       Nachbarländer wie Kenia, Uganda, Dschibuti, Somalia und Jemen verkaufen.
       Auch Ägypten wäre ein potentieller Kunde, aber es verzichtet, weil es sich
       dem Bau widersetzt. Sudan wird wahrscheinlich auch Strom kaufen und
       versucht jetzt, zwischen den Raufbolden zu vermitteln.
       
       ## Der Streit geht auf einen Vertrag von 1929 zurück
       
       Die äthiopische Regierung zuckt nur mit den Schultern, wenn Ägypten auf
       einen Vertrag von 1929 deutet, wonach Ägypten das Recht auf 90 Prozent des
       Nilwassers hat. Damals war Ägypten britische Kolonie, Äthiopien unabhängig.
       Die Briten, so die äthiopische Argumentation, waren damals vor allem daran
       interessiert, in Ägypten Baumwolle für die britische Textilindustrie
       anzubauen. Die meisten anderen Nilanrainer erkennen Ägyptens Anspruch
       ebenfalls nicht mehr an und haben miteinander einen neuen Vertrag
       geschlossen. Äthiopiens Parlament ratifizierte diesen Vertrag am
       Donnerstag.
       
       Für Bewässerungsprojekte wie in Ägypten eignen sich die riesigen
       Wassermengen des Blauen Nils nicht. Er fließt durch eine tiefe Schlucht und
       der sehr trockene Nordwesten des Landes an der Grenze zum Sudan, wo der
       Damm gebaut wird, ist nicht geeignet für Landwirtschaft.
       
       Das ganze Projekt kostet rund 4 Milliarden Euro, und Äthiopien sagt, dass
       es den Damm bezahlen kann. Das Land hat von China einen Kredit von knapp 1
       Milliarde Euro für den Bau der Stromtrassen bekommen.
       
       24 Jun 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ilona Eveleens
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Äthiopien
 (DIR) Ägypten
 (DIR) Nil
 (DIR) Äthiopien
 (DIR) Südsudan
 (DIR) Somalia
 (DIR) Ägypten
 (DIR) Afrikanische Union
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Konflikt um Renaissance-Staudamm: Jeder will zu viel vom Nil
       
       Äthiopien und Ägypten steuern auf einen Wasserkrieg zu. Hintergrund: der
       ungelöste Streit um das größte Wasserkraftwerk Afrikas am Blauen Nil.
       
 (DIR) Riesen-Staudamm in Äthiopien: Das Wunder vom Blauen Nil
       
       In Äthiopien soll dieses Jahr ein riesiger Staudamm ans Netz gehen. Die
       Regierung will das Land so zum Entwicklungsmotor Ostafrikas machen.
       
 (DIR) Im Südsudan droht Bürgerkrieg: Einfach alle rausschmeißen
       
       Präsident Salva Kiir entlässt überraschend seinen Vize Riek Machar und alle
       Generäle. Der jüngste Staat der Welt könnte nun auseinanderbrechen.
       
 (DIR) Flüchtlinge in der Republik Puntland: Schlafen ohne Angst
       
       Immer mehr Flüchtlinge werden in Puntland sesshaft. Die Regierung hilft
       dabei, hat aber kein Geld. Ein Besuch dort, wo eine abschließbare Tür ein
       Segen ist.
       
 (DIR) Ägyptens Altertum: Kulturtourismus ohne Touristen
       
       Der Rückgang des Tourismus hat die vielen kulturellen Stätten des Landes am
       härtesten getroffen. So bleibt zumindest Raum und Ruhe zum Verweilen.
       
 (DIR) 50 Jahre Afrikanische Union: Wieder ein Klub für Diktatoren
       
       Die Afrikanische Union feiert 50 Jahre Einheitsstreben. Hinter
       vorausschauender Rhetorik verbirgt sich zunehmend rückständige Politik.