# taz.de -- Frollein-Tenniswunder Annika Beck: „Die besten Beine seit Steffi Graf“
       
       > Die 19-jährige Deutsche ist ehrgeizig und zäh. In Wimbledon kombiniert
       > Annika Beck schnelles Tennis mit strategischem Geschick. Alle sind
       > begeistert.
       
 (IMG) Bild: Tennis-Streberin Annika Beck.
       
       WIMBLEDON taz | Am Abend eines langen Grand-Slam-Tages ging Annika Beck
       noch mal kurz auf Spionage-Tour. Gerade hatte sie im Schnelldurchlauf zum
       ersten Mal die zweite Wimbledon-Runde erreicht (6:3, 6:2 gegen die Russin
       Nina Bratchikova) und ebenso eloquent wie zügig die üblichen
       Pressegespräche abgewickelt, da rückte sie energisch aus zur
       Gegnerbeobachtung – Profi durch und durch.
       
       Raus auf Platz acht marschierte sie, dort, wo die nächste Rivalin Klara
       Zakapalova aus Tschechien noch im letzten Tageslicht über den Rasen
       schlidderte. „Wenn es ums Tennis geht, kenne ich keine Kompromisse“, sagt
       Beck, „das muss man mit 100 Prozent machen – oder gar nicht.“
       
       Mit dieser Konsequenz und Leidenschaft hat es die 19-jährige Bonnerin schon
       weit gebracht im Haifischbecken des internationalen Tennisbetriebs. Ein
       Jahr nach ihrem Debüt in Wimbledon und nach den ersten internationalen
       Schlagzeilen über das „Toptalent“ (US-Tennis-Magazin) ist die
       selbstbewusste Teenagerin auf Platz 54 der Weltrangliste gelandet – zwar
       immer noch das Gesicht der Zukunft im deutschen Damentennis, aber auch
       bereits verdammt stark im Hier und Jetzt des Tennisgeschäfts.
       
       „Ich bin selbst überrascht, wie schnell und problemlos es nach oben
       gegangen ist“, sagt Beck. Andere sind es nicht, etwa Bundestrainerin
       Barbara Rittner: „Sie ist eine unheimlich fleißige, geradlinige Spielerin“,
       sagt die Chefin des Fed-Cup-Teams, „alles, was sie anpackt, tut sie mit
       vollem Einsatz. Mit Herz und Seele.“
       
       Diese Klarheit und Bedingungslosigkeit lebt die Tochter eines
       Professoren-Ehepaares schon seit Kinderjahren vor. Viele Talente und
       Interessen hatte die Überfliegerin, spielte Hockey, nahm Ballettunterricht,
       ging in den Geigenunterricht. Doch sich zu verheddern und verzetteln in
       diesen Neigungen kam für das junge Fräulein Beck nicht in Frage – mit 14
       entschied sie sich hellsichtig für die größte ihrer Leidenschaften, „das,
       was ich am besten konnte und was mir auch den meisten Spaß machte – und das
       war Tennis“.
       
       ## Die Alleskönnerin
       
       Dass sie am Bonner Liebfrauen-Gymnasium schnell mal ein Schuljahr
       übersprang und bereits mit 18 ein Einser-Abitur ablegte, wirkte da wie ein
       beispielhaftes Kapitel des großen Plans, so früh wie möglich ins
       Profitennis einzusteigen. „Bei Annika geht eben alles schnell“, sagt
       Rittner, „es ist schon unglaublich, wie sie die Dinge in den Griff kriegt.“
       Draußen im ganz normalen Leben und drinnen in der etwas weniger normalen
       Welt des Wanderzirkus.
       
       Seit die Doppelbelastung von Schule und Hochleistungssport weggefallen ist,
       bringt sich Beck mit noch größerem Elan und innerer Freiheit gegen das
       Tennis-Establishment in Stellung: „Es ist schon eine enorme Erleichterung,
       sich nur noch auf die Profikarriere konzentrieren zu können“, sagt die
       19-Jährige, die vom weitgereisten, sehr erfahrenen Coach Robert Orlik
       betreut wird. In dessen Akademie bei Köln schrubbt die Teenagerin ihr
       Trainingspensum klaglos über viele Stunden ab, ehrgeizig, zäh,
       perfektionistisch im Anspruch.
       
       „Manchmal muss ich sie sogar bremsen“, sagt Orlik, „aber es ist natürlich
       eine große Freude, mit so einer Spielerin zusammenzuarbeiten. Sie hat eine
       tadellose Einstellung, besser geht es nicht.“ Beck, so der Coach, „weiß
       ganz genau, was sie will. Und sie weiß auch, was sie tun muss, um
       erfolgreich zu sein.“
       
       ## Ihrem Alter weit voraus
       
       Nach zwölf Monaten im Nomadenbetrieb hat sie längst ihre eigenen Strategien
       entwickelt, um mit den Großen und Starken der Branche mithalten zu können,
       eben auch mit jenen, die körperlich viel stärker sind als sie selbst. Wie
       eine Schachspielerin setzt die eher klein gewachsene Bonnerin (1,70 Meter)
       ihre Züge auf dem Court, denkt und plant sorgfältig voraus – eine starke
       Athletin, die ihrem Alter weit voraus ist.
       
       Und dann wären ja noch die Beine von Beck, die schnellen Beine, die Beine,
       die Bundestrainerin Rittner „für die besten seit den Tagen von Steffi Graf“
       hält. Beck lächelt, wenn sie auf dieses Zitat angesprochen wird: „Ich bin
       ganz schön schnell. Das stimmt. Aber mit Steffi will ich mich doch nicht
       vergleichen.“ Sie will am liebsten nur Annika Beck sein – und das ist nicht
       nur ihr gut genug.
       
       Den Status quo, mit Platz 54 in der Rangliste, findet die
       Senkrechtstarterin „bemerkenswert“. Aber Stillstand ist Rückschritt, und so
       nimmt sie gerade die nächste Karriere-Offensive in Angriff, die Attacke auf
       die Eliten, die Spielerinnen, die in der Weltrangliste von Platz 30 an
       aufwärts stehen. „Was muss ich tun, um gegen die erfolgreich zu sein“, hat
       sich Beck in einer Selbstanalyse gefragt – und die Antwort gegeben: „Noch
       mutiger sein, noch aggressiver.“ Aber sie geht die Herausforderung mit
       gesundem Optimismus an, auch weil sie das erste schwere Jahr im
       Profibusiness so gut geschafft hat, diesen schwierigen Transfer vom
       Junioren- ins Erwachsenentennis.
       
       „Schwer ist das wirklich. Es gehört viel dazu, Profi zu sein. Das
       Herumreisen, das Aus-dem-Koffer-leben“, sagt Beck, „das stellt man sich von
       außen schön vor, es ist aber vor allem sehr anstrengend.“ Viel hat sie in
       den letzten Monaten gesehen von der Welt, viel aber auch noch nicht im
       Leben zwischen Flughäfen, Hotelzimmern und Tenniscourts. Am Mittwoch wollte
       sie zum ersten Mal reinfahren von Wimbledon nach London, ins wirkliche
       London, in die Stadt: „Da war ich noch nie.“
       
       26 Jun 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jörg Allmeroth
       
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