# taz.de -- Mal nicht zum Höchstgebot: Gentrifizierung abgewendet
       
       > Die Finanzbehörde hat die ehemalige Kunstklinik Bethanien an den
       > Interessenten mit dem besten Konzept verkauft.
       
 (IMG) Bild: Schön wohnen statt gesund werden: ehemaliges Krankenhaus Bethanien.
       
       Bis zuletzt war es ein Kampf darum, dass nicht das Geld den Ausschlag gibt:
       Im schicken Eppendorf hat die Finanzbehörde ein großes attraktives
       Grundstück nicht an den Meistbietenden verkauft, sondern an den
       Interessenten mit dem besten Konzept. Den Zuschlag erhielt ein gemeinsames
       Projekt der Genossenschaft „Bauverein der Elbgemeinden“ (BVE) und des
       Stadtteilnetzwerks „Martini erleben“.
       
       Eppendorf ist bekannt für hohe Mieten, Schickimicki – und nicht zuletzt für
       eine weit fortgeschrittene Gentrifizierung. Umso verblüffter waren alle
       Beteiligten im November 2012, als die Ausschreibung des rund 10.000
       Quadratmeter großen Grundstücks des leer stehenden Krankenhauses Bethanien
       in der Martinistraße nicht ein profitorientierter Investor gewann – sondern
       der BVE und „Martini erleben“. Nach Informationen der taz lag das Gebot des
       BVE ein Drittel unter dem Höchstgebot.
       
       Ein Kulturbruch der Behörde sei das gewesen, sagt Klaus Kolb von „Martini
       erleben“, hätte sie doch einige Millionen mehr einnehmen können. „Wir
       mussten alle überzeugen, dass es mit unserem Stadtteil so nicht weitergehen
       kann“, sagt er. Ein großes Grundstück wie dieses, auch noch in Parknähe,
       werde alle 50 Jahre frei. So waren die InvestorInnen nicht weit, die dort
       hundert teure Eigentumswohnungen bauen würden. „Das mussten wir
       verhindern“, sagt Kolb.
       
       Aber wie? Sein Verein entwickelte mit dem BVE ein Konzept, in dem das
       Krankenhaus in ein sozial-kulturelles Quartierszentrum umgewandelt werden
       soll. Die Idee: 90 Wohnungen bauen, allesamt zu 100 Prozent mit
       öffentlichen Geldern gefördert, sodass die Kaltmiete pro Quadratmeter weit
       unter dem Eppendorfer Durchschnitt liegt.
       
       In den Altbau des Krankenhauses, der etwa 1.000 Quadratmeter umfasst, soll
       ein Zentrum für Soziales und Kultur einziehen, bestehend aus dem Kulturhaus
       Eppendorf, dem Stadtteilarchiv, einer Tagespflege und Beratungsstelle für
       ältere Menschen sowie dem Verein Crazy-Artist. Der vordere Teil des
       Krankenhauses, die alte Fassade, soll erhalten bleiben; der hintere Teil
       allerdings muss den Abrissbirnen weichen, um Platz zu schaffen für drei
       Neubauten.
       
       Das Konzept hat die Finanzbehörde überzeugt. Zuvor hatte sich auch die
       Bezirkspolitik in Eppendorf dahinter gestellt. „Letztlich hatten wir Glück,
       dass auch der Senat auf unseren Kurs geschwenkt ist“, sagt Thomas Domres,
       SPD-Fraktionschef im Bezirk Nord. Die Entscheidung markiere eine Abkehr vom
       Höchstpreisverfahren. „Wenn man ganze Stadtteile kaputt macht, alte und
       arme Menschen verdrängt, dann ist der Schaden für die Stadt viel größer“,
       findet Domres.
       
       Karin Haas von der Bezirksfraktion der Linken nennt das Projekt im
       Krankenhaus Bethanien eine erfreuliche Ausnahme. „Man kann sich nur mehr
       davon wünschen“, sagt sie. „Normalerweise sind soziale Komponenten im
       Hamburger Wohnungsbau ja Makulatur.“ Doch sei die Entscheidung um das
       Krankenhaus Bethanien wohl nur ein Tropfen auf den heißen Stein.
       
       Eines der zwei Vorstandsmitglieder des BVE, Michael Wulf, sagt, es sei
       nicht das oberste Ziel der Genossenschaft gewesen, Gentrifizierung in
       Eppendorf zu verhindern. Vielmehr habe ihr das Konzept gefallen. Mit
       hiesigen Initiativen und Baugemeinschaften zusammenzuarbeiten, Vereine in
       den Wohnungsbau zu integrieren – das könne auch in anderen Quartieren
       funktionieren, sagt Wulf – als Alternative zu teuren Eigentumswohnungen.
       
       Der Umbau des Krankenhauses solle nun schnellstmöglich beginnen. Wann die
       ersten Bagger anrollen, ist allerdings noch unklar. Ein Architekturbüro sei
       bereits gefunden, der Bebauungsplan werde verhandelt. Und wenn alles glatt
       laufe, seien die Gebäude im Herbst 2015 fertig.
       
       9 Jul 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Amadeus Ulrich
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Gentrifizierung
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Londoner Stadtplaner über Gentrifizierung: „Alles ist außer Kontrolle“
       
       Die Mietpreise in London steigen ein Jahr nach den Olympischen Spielen ins
       Unermessliche. Die Zustände des hässlichen 19. Jahrhunderts kehren zurück.
       
 (DIR) Gentrifizierung in Eppendorf: Teurer wohnen am Wasser
       
       Ein Investor klagt Mieter aus ihren Eppendorfer Wohnungen, um dort
       Luxus-Eigentum zu schaffen. Was das Bezirksamt Sanierung nennt, ist Abriss
       und Neubau.