# taz.de -- Feuerwehr stirbt aus: An die Schläuche!
       
       > Die Feuerwehren auf dem Land sind ehrenamtliche Organisationen und sollen
       > schnelle Einsatzzeiten garantieren. Das wird auf dem Land immer
       > schwieriger.
       
 (IMG) Bild: 2007 löste sich die freiwillige Feuerwehr Dachtmissen im Kreis Lüneburg auf. Ein Abschiedsfoto vor dem Gerätehaus.
       
       Es brennt in einem mehrgeschossigen Haus, irgendwo in den oberen
       Stockwerken. Menschen sind in Gefahr, die Zugangswege sind verqualmt. Nach
       dreieinhalb Minuten geht der Alarm bei der Notrufzentrale ein, 90 Sekunden
       später alarmiert die Zentrale die zuständige Feuerwehr.
       
       Ausgehend von diesem Szenario, dem sogenannten „kritischen
       Schadensereignis“ bei dem potenziell am meisten Menschen zu Schaden kommen,
       planen Städte und Gemeinden ihren Bedarf an Feuerwehren. Klar ist: In solch
       einem Fall sollte die Feuerwehr so schnell wie möglich da sein. Außerhalb
       von größeren Städten besteht die nur aus Ehrenamtlern, und dass diese
       tatsächlich vorhanden sind, ist nicht überall und immer sicher: In
       Niedersachsen nimmt die Zahl der Feuerwehrleute ab, dort waren es 2011
       124.740 Ehrenamtler und 2.314 Berufsfeuerwehrleute. In Schleswig-Holstein
       wird die Zahl von 50.000 ehrenamtlichen Feuerwehrleuten und 750
       Berufsfeuerwehrleuten im Landesschnitt etwa gehalten – trotzdem sind dort
       nicht alle Wehren so groß, wie sie die Brandschutzplaner gerne hätten. Und
       vor allem fehlen die Leute, die auch tagsüber im Ort sind.
       
       Die Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Berufsfeuerwehren hat für den Fall
       eines Wohnungsbrandes Fristen errechnet. Die zugrunde liegenden Annahmen:
       Eine Person kann es im Brandrauch circa 13 Minuten aushalten, ein Mensch
       kann noch reanimiert werden, wenn er 17 Minuten im Brandrauch steht, nach
       18 bis 20 Minuten kann das Feuer übergreifen. Deswegen lautet das Ziel: Die
       Feuerwehr soll in acht Minuten nach der Alarmierung mit zehn Personen vor
       Ort sein – fünf Minuten später sollen sechs weitere folgen, seien es
       Hauptberufler oder Ehrenamtler. Dieses Szenario wird unter
       Brandschutzplanern kritisch diskutiert. Und auch das Übertragen des Modells
       auf Dorffeuerwehren wird hinterfragt, denn ein solcher kritischer
       Wohnungsbrand mit Lebensgefahr kommt relativ selten vor.
       
       Aber noch heißt die Arbeitsgrundlage für die Ehrenamtlichen: Zehn
       Feuerwehrmänner und -frauen sollen innerhalb von vier bis fünf Minuten von
       zu Hause oder der Arbeit zur Wache eilen und dann mit den Wagen in drei bis
       vier Minuten beim Brand sein. Ein ehrgeiziges Ziel, besonders auf den
       Dörfern – auch wenn hier die benachbarten Wehren oft zusammenarbeiten.
       
       „Nachts ist das kein Problem“, sagt Detlef Radtke, der Landesbrandmeister
       von Schleswig-Holstein. „Tagsüber geht es – noch.“ In den letzten zwanzig
       Jahren hat er in Schleswig-Holstein einen starken Rückgang der
       Mitgliederzahlen beobachtet. Seit fünf Jahren stagnieren sie, doch die
       Verluste sind noch lange nicht aufgefangen, und mittelfristig gibt es
       gerade in Flächenländern wie Schleswig-Holstein ein Problem durch die
       Alterung der Gesellschaft. Aber Radtke sieht auch andere Ursachen: „Die
       Arbeitsplätze sind oft weit weg vom Heimatort“, sagt er. Und wegen der
       verlängerten Öffnungszeiten im Einzelhandel fehle oft die Zeit für Übungen.
       
       Bei der Feuerwehr hat man sich deshalb umgestellt: „Vor 20 Jahren musste
       der Feuerwehrmann alles können“, sagt Radtke. Heute könnten auch Leute, die
       wegen Rückenproblemen keine Atemschutzgeräte tragen können oder nicht mehr
       fit genug sind für einen Einsatz auf der Drehleiter, bei der Feuerwehr
       mitmachen: bei der Wartung der Geräte, in der Jugendfeuerwehr oder in der
       Ausbildung.
       
       Carsten Bruno Johannes Wittenberg arbeitet bei der Freiwilligen Feuerwehr
       Rendsburg und ist dort einer von drei Angestellten – eine Struktur, die in
       Städten dieser Größenordnung, etwa 30.000 Einwohner, häufig vorkommt. Eine
       seiner Aufgaben ist die Nachwuchsgewinnung. Wittenberg sagt, dass das
       Prinzip der freiwilligen Feuerwehr vielen nicht bekannt sei. Gerade in den
       Städten gingen viele Bürger davon aus, dass es eine Berufsfeuerwehr gebe.
       „Es muss erst mal in die Köpfe reingehen, dass jemand Bäcker sein, aber
       auch gleichzeitig die Feuerwehrdrehleiter steuern kann.“ Die
       Feuerwehrverbände reagieren mit Imagekampagnen, einem Ausbau der
       Jugendfeuerwehren und Werbung um Menschen mit Migrationshintergrund – die
       sind bisher in der Feuerwehr unterrepräsentiert.
       
       Und was passiert, wenn die Kampagnen der Wehren nichts nützen und die
       Freiwilligen fehlen? Die Brandschutzgesetze der Länder sehen die
       Möglichkeit vor, Pflichtwehren einzurichten, und die Bewohner einer
       Gemeinde zum Dienst zu verpflichten. Das ist nicht nur Theorie: In Burg in
       Dithmarschen und in List auf Sylt gibt es solche Pflichtwehren.
       Berufsfeuerwehren sind dagegen sehr teuer. Deswegen wird in der Fachwelt
       eine Zwischenlösung, die heute noch sehr utopisch klingt, diskutiert:
       nämlich in dünn besiedelten Gebieten Hubschrauber einzuführen. Die sollen
       geübte Spezialkräfte schnell zur Unterstützung von freiwilligen Feuerwehren
       einfliegen, wenn Leben bei einem Brand in Gefahr sind.
       
       Lesen Sie am Samstag mehr: Über den Versuch, MigrantInnen für die Feuerwehr
       zu gewinnen.
       
       12 Jul 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Daniel Kummetz
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Gentrifizierung
       
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