# taz.de -- Konzert Hidden Cameras: Das Ende der Zombie-Chöre
       
       > Bekannt sind die Hidden Cameras für eingängigen Folk-Pop und grelle
       > Performances. Beim Konzert in Berlin klangen sie eher düster.
       
 (IMG) Bild: In Bewegung: Hidden-Cameras- Mastermind Joel Gibb.
       
       BELRIN taz | Sechs Musiker in schwarzen Röcken und weißen Hemden, die Haare
       gegelt, dazu Sänger Joel Gibb, ebenfalls mit Rock und weißem Tank Top – als
       die Hidden Cameras am Samstag die Bühne der Berghain Kantine in Berlin
       erklimmen, sieht es nach einem normal verrückten Konzert der kanadischen
       Indie-Folk-Band aus. Sieben Bühnenakteure, das ist eher die Spar-Version,
       die Hidden Cameras kommen oft im Dutzend, mit Streichern und Keyboards,
       manchmal mit Chor – damit stehen sie Folk-Pop-Kollektiven wie Arcade Fire
       in nichts nach.
       
       Mit ihren opulent-chaotischen Bühnenshows und Gogo-Tänzern in Lederhosen
       haben die Hidden Cameras bei vielen Fans Kultstatus gewonnen, die Band
       verschreckte 2007 beim Abschiedsspiel von Mehmet Scholl das Münchener
       Fußballpublikum, singt auch mal über Einläufe und andere Sexpraktiken, mal
       zieht sich der kahle Geiger während der Show aus, mal meuchelt der Chor die
       ganze Band – eine große Party.
       
       Und die bisherige Musik lädt auch dazu ein: gefälliger Indie-Pop, oft mit
       treibenden Drums, die zum Mitwippen und rhythmischen „Hey! Hey!“-Rufen
       animieren. Das letzte Album „Origin:Orphan“ entwickelte die Musik 2009
       weiter, es wurde düsterer und orchestraler, auch ein paar Synthie-Effekte
       des schwulen Disco-Revivals kamen hinzu. Nun steht das nächste Album an:
       „Age“ soll im Herbst erscheinen. Stilistisch hatte Cameras-Mastermind Joel
       Gibb mehrere Richtungen vorgegeben, der Presse mal gesagt, er arbeite
       gleichzeitig an einem Country- und einem Goth-Album, dann mit den Pet Shop
       Boys Musik aufgenommen und Songs von Duran Duran und Michael Jackson
       gecovert, was alles eher auf elektronischen Glitzerpop der Achtziger
       hindeutet – und definitiv im Berliner Zeitgeist läge.
       
       Das Konzert in der Berghain Kantine aber macht klar: Es wird düster. Die
       Hidden Cameras eröffnen mit zwei neuen Songs, „Doom“ und „Bread for Brad“,
       sphärisch und mit Hall-Effekten auf Gitarren sowie Joel Gibbs klangvollem
       Bariton. Es geht also tatsächlich in die Achtziger, wenn auch weder zu
       Electropop noch zu Goth, sondern eher zu Wave. Auch das neue „Carpe
       Jagular“ klingt nach New Order oder Joy Division, mit sonorem Gesang und
       federndem Synthie-Bass eine Steilvorlage für Dance-Remixe.
       
       ## Das Schlagzeug rettet
       
       Zunächst unspektakulär wirkt die gerade veröffentlichte Single „Gay Goth
       Scene“, dominiert von zwei Moll-Akkorden. Der Gesang ist Crooning,
       zurückhaltend und dunkel, melodisch nah an den Gitarrenlinien – einzig das
       treibende Schlagzeug rettet ein bisschen. Schon seit zehn Jahren spielen
       die Hidden Cameras den Song, und es ist nachvollziehbar, dass sie ihn lange
       nicht veröffentlicht haben.
       
       Erst im Kontext wird „Gay Goth Scene“ spannend. Es beschreibt die Angst
       paranoider Eltern, ihr frisch schwul verliebter Teenager-Sohn könnte in
       eine schwule Gothic-Szene abgleiten. „Schwul und Goth sind hier
       auswechselbare Zeichen für das Böse“, erklärt Joel Gibb. Der Berliner
       Regisseur Kai Stänicke hat dazu einen berührenden Kurzfilm gedreht, der
       einen Goth-Jungen zeigt, der auf der Schule schikaniert wird und sich
       schließlich wehrt. Es wird blutig.
       
       Das Publikum freut sich daher vor allem über alte Songs, feiert Hits wie
       „In the NA“ oder „I Believe in the Good of Life“, reckt auf Anweisung die
       Arme zu „Breathe on it“ in die Höhe und bejubelt das choreografierte Hüpfen
       der Musiker beim verspielten „Underage“ – Aktionen wie diese tun dem
       Konzert gut, das wissen die Hidden Cameras, aber es ist einfach nicht genug
       Show.
       
       Wer einmal meuchelnde Zombie-Chöre und Gogo-Tänzer in Lederhosen hatte,
       kommt mit einer eher konventionellen Choreografie nicht mehr davon. Die
       Musik macht Spaß, aber gerade mit den neuen Wave-Liedern werden die Hidden
       Cameras ihren selbst gesetzten Maßstäben nicht mehr gerecht. Aber
       vielleicht tut sich ja noch was bis zum Herbst, wenn das Album „Age“
       erscheint und die Band wieder auf Tour geht.
       
       The Hidden Cameras: „Age“ (Arts & Crafts), im Herbst 2013.
       
       14 Jul 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Malte Göbel
       
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