# taz.de -- Integratives Volkstheater: Eine Feier der Freiheit
       
       > Die Heersumer Sommerfestspiele beweisen, dass Theater als integrative
       > Kraft stark genug ist, die Landbevölkerung zu mobilisieren.
       
 (IMG) Bild: Heersumer Handarbeit: die flotte Rakete im Besitz von Kim Bum Bum und dem Volk der Nordkoriander.
       
       HAMBURG taz | James Bond steht im Schatten der alten Rhener Mühle und
       trinkt Bierchen. „Hätte nicht gedacht, dass es so gut klappt“, sagt er zu
       seiner Gesprächspartnerin, die wie Bond aus der norddeutschen Tiefebene
       stammt. Gerade ist der erste Teil des Landschaftstheaters vorbei und Bond
       nutzt die Pause, um Freunde im Publikum zu begrüßen.
       
       Im wirklichen Leben heißt James Bond Bernhard Twickler, ist gelernter
       Metallgießer und ein alter Hase bei diesem Landschaftstheater, das seit
       1993 in der Gegend zwischen Hildesheim und Salzgitter stattfindet.
       Überrascht über das gute Ergebnis der ersten Hälfte ist Twickler, weil die
       Generalprobe mal wieder chaotisch war. Aber so ist es immer bei den
       Heersumer Sommerspielen.
       
       Das Konzept geht so: Regisseur Uli Jäckle inszeniert mit 130 Laien und ein
       paar wenigen Profis ein Stück, das einen besonderen Ort der Gegend als
       Kulisse nutzt – mal ist es ein Fluss, mal eine Müllkippe, in diesem Jahr
       ist es eine ausrangierte Mühle. Ein beachtlicher Teil der Heersumer
       Dorfbevölkerung spielt mit oder hilft, die opulenten Requisiten und Kostüme
       herzustellen. Längst kommen die Leute auch aus den umliegenden Gemeinden.
       
       Realisiert wird ein selbst geschriebenes Stück, das aus Versatzstücken aus
       Popkultur, Politik und Lokalgeschichte besteht. Erzählt wird jedes Mal eine
       hanebüchene, wild verästelte Geschichte, die darauf zielt, schräg-schöne
       Bilder zu generieren. Die Geschichte verstehen zu wollen, ist mühsam. In
       diesem Jahr heißt sie „Der Hakelmann stirbt nie“ und ist eine Persiflage
       auf James Bond. Der jagt den Hakelmann, der eine Figur aus aus einer
       örtlichen Sage ist: Der Hakelmann ziehe Kinder, die zu nahe am Fluss gehen,
       ins Wasser, erzählten früher die Eltern ihren Kindern, um sie vom Wasser
       fern zu halten.
       
       ## Schlägerei in Zeitlupe
       
       In der Heersumer Umsetzung fährt zunächst der Nachbau eines Londoner
       Sightseeing-Busses über einen leicht verwilderten Fußballplatz. Eine James
       Bond-typische Schlägerei wird in Zeitlupe dargeboten und Menschen in
       Ganzkörper-Telefonkostümen stehen am Wegesrand. James Bond selbst strampelt
       mit einem Kettcar im Aston Martin-Design durch die Gegend, während der
       Diktator Kim Bum Bum als Führer der „Nordkoriander“ einen LKW hat, auf
       dessen Ladefläche eine imposante Rakete aufgebaut ist.
       
       Die einzelnen Szenen finden an verschiedenen Orten in und um das Dorf Rhene
       statt. Das Publikum wandert von Station zu Station mit und sitzt auf
       tragbaren Campingstühlen. Es sieht souverän agierende Profischauspieler und
       weniger souveräne Laien – denen es oft schwer fällt, ausreichend laut und
       deutlich zu sprechen. Eine Band musiziert im Gras und die Rhener Bürger
       lassen in ihren Hofeinfahrten spielen. Alles in allem ist es trashige
       Unterhaltung für die ganze Familie und das bedeutet: Der Humor und die
       schauspielerische Überzeichnung der Figuren kommen aus dem Kindertheater.
       
       ## Unspießiges Ergebnis
       
       Für Zuschauer, die nicht mit Kind und Kegel angereist sind, ist das
       Interessante die Botschaft, die hinter diesem Projekt steckt: Das Theater
       schafft es, die Bevölkerung zu einer großen gemeinsamen kreativen
       Unternehmung zu mobilisieren. Die Mobilisierung gelingt durch alle
       Altersstufen und sozialen Schichten hindurch und führt zu einem unspießigen
       Ergebnis: Die Heersumer Sommerspiele feiern die künstlerische Freiheit und
       die Fantasie. Leute, deren Alltag alles andere als bunt ist, blühen auf.
       Nachbarn, die sich sonst über die Qualität des Heckenschnitts streiten,
       machen gemeinsam Blödsinn.
       
       Das ist erstmal toll, aber das Staunen über die integrative Kraft des
       Theaters trägt nicht die ganze fast vierstündige Inszenierung. Dem
       „Hakelmann“ geht die Luft aus: Statt poetischer Bilder versucht man hier,
       James Bond-typische Action hinzukriegen. Wenn sich Bond im Finale in der
       alten Mühle aus luftiger Höhe abseilt, dann erinnert das an die Bad
       Segeberger Winnetou-Festspiele. Zugleich gewinnt die Geschichte an Gewicht
       und das bedeutet: Es wird zäh.
       
       Ob der Hakelmann so bleibt, wie er bei der Premiere war, ist allerdings die
       Frage. Die Heersumer Sommerspiele müssen sich immer erst zurechtruckeln.
       Die Premiere ist für diesen Prozess erfahrungsgemäß nur der Auftakt.
       
       ## Aufführungen: 10.,11.,17.,18.,24.,25. und 31. August, 1. September 2013;
       an den Samstagen um 15 Uhr, an den Sonntagen um 10 Uhr
       
       15 Jul 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Klaus Irler
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Integration
 (DIR) Schauspieler
       
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