# taz.de -- Rollstuhl-Skater in der Halfpipe: Spaß mit Beinen als Ballast
       
       > „Man weiß nie, wie und ob man da wieder rauskommt.“ Der
       > querschnittsgelähmte David Lebuser startet bei der Chair-Skater-WM, die
       > am Samstag beginnt.
       
 (IMG) Bild: Angstfrei: David Lebuser auf der Rampe.
       
       BERLIN taz | Wenn David Lebuser in die Halfpipe rollt, dann sieht er aus
       wie ein Autorennfahrer in einem Cockpit kurz vor dem Start. Sperrige
       Ellenbogen- und Knieschützer und ein Vollvisierhelm sind Lebusers
       Sportkleidung. Mit zwei Riemen gurtet er sich an seinem Rollstuhl fest.
       
       Gut zwanzig Minuten braucht Lebuser für diese Ankleidungeprozedur, und dann
       rollt er los – hinab in die tiefe Betonschüssel. Das ist sein neues Leben.
       David Lebuser ist der einzige Chair-Skater Deutschlands. Jedenfalls kennt
       er keinen anderen. In den USA, in Kanada oder Australien gibt es bereits
       eine ganze Menge Rollstuhlfahrer, die über Rampen fliegen, Treppen hoch-
       und hinunterfahren oder in Halfpipes irre Figuren ausprobieren.
       
       Der US-Amerikaner Aaron „Wheelz“ Fotheringham ist der bekannteste dieser
       Extrem-Rollstuhlsportler. Legendär ist sein „Backflip“, ein Rückwärtssalto,
       mit dem er schon im Alter von 14 Jahren die Szene aufmischte. Vier Jahre
       später „stand“ Fotheringham den „Backflip“ gleich doppelt. Lebuser hat den
       globalen Superstar der Chair-Skater-Szene im vergangenen Jahr auf einen
       Wettbewerb in Venice Beach, Los Angeles, getroffen. Wenn er das heute
       erzählt, leuchten noch immer seine Augen.
       
       Lebuser wird Fotheringham schon bald wiedersehen. Am Samstag nämlich
       beginnt die Chair-Skater-Weltmeisterschaft auf den weltbesten Halfpipes in
       Venice Beach. Insgesamt acht der weltbesten Rollstuhlskater treten dort an.
       David Lebuser ist der einzige Europäer, der an diesem globalen Wettbewerb
       unter der Sonne Kaliforniens teilnimmt.
       
       Weil es auf dem alten Kontinent keinen wie ihn gibt, musste er sich nicht
       einmal dafür qualifizieren. „Ich wurde eingeladen“, so der 26-jährige
       Rollstuhl-Extremsportler stolz. Lebuser wurde im vergangenen Jahr auf
       Anhieb Fünfter. In diesem Jahr, bei der WM, möchte er zwei Plätze weiter
       nach vorne fahren. Dafür trainiert Lebuser täglich drei Stunden.
       
       ## Handgezogene Betonpisten
       
       „Kinderspielplätze“ nennt Lebuser die Skateranlagen in Deutschland.
       Zusammengesetzt seien sie aus schlecht angepassten Teer-Fertigbaurampen und
       nicht aus einem Guss wie in den USA, so der Sportler. In Venice Beach muss
       sich Lebuser auf handgezogenen Betonpisten beweisen, die gleich mehrere
       Ebenen umfassen.
       
       „Man fährt da in diese Schüssel rein und weiß eigentlich nie, wie und ob
       man da wieder rauskommt“, charakterisiert Lebuser respektvoll die
       WM-Sportstätte in Kalifornien. Allenfalls die Skateranlage in Frankfurt
       Osthafen und der erst kürzlich eröffnete Skaterpark in Hamburg-Wilhelmsburg
       bescheinigt Lebuser internationale Klasse. Das ist aber weit weg für ihn.
       Lebuser wohnt in der Ruhrgebietsstadt Dortmund. Er arbeitet dort bei einer
       Firma, die Rollstühle für aktive Rollstuhlfahrer verkauft.
       
       An den drei Wettbewerbstagen in Venice Beach wird Lebuser sein Können in
       zahlreichen Läufen beweisen müssen. Eine Jury benotet diverse Pflicht- und
       Kürelemente. Lebuser muss sich mindestens mit einem Rad sicher über die
       Kuppel schwingen können. Er muss aber auch mit nur einem Rad wieder aus der
       Anlage herauskommen, will er überhaupt eine Chance auf ein Preisgeld haben.
       Mit 10.000 US-Dollar ist die Chair-Skater-WM dotiert, verteilt auf die
       ersten fünf Ränge. Auf einen Salto, wie ihn der US-Amerikaner Fotheringham
       wieder präsentieren wird, will Lebuser verzichten. „Zu gefährlich“, lautet
       seine knappe Begründung.
       
       ## Im Suff abgestürzt
       
       Seit fünf Jahren sitzt David Lebuser in einem Rollstuhl. Nach einer
       Berliner Privatparty mit ein paar Kumpels und viel Alkohol rutscht er im
       August 2008 das Treppenhausgeländer runter. So wie immer. „Doch diesmal
       ging es schief“, erinnert er sich. Er rutscht vom Geländer ab und stürzt
       gut acht Meter durch das Treppenhaus tief in den Keller. Aufprall auf den
       Betonboden – sofortiger Filmriss inklusive.
       
       Als David Lebuser schließlich in einer Berliner Unfallklinik aufwacht, wird
       er mit einer Diagnose konfrontiert, die kaum schlimmer hätte ausfallen
       können. Seine Lendenwirbel sind vollständig zertrümmert –
       Querschnittslähmung. Als er das hört, liegt er bewegungslos im Bett und ist
       fassungslos. Seine Oma und seine Mutter weinen laut.
       
       Lebuser nennt heute das, was unterhalb seiner Knie zu finden ist, ziemlich
       emotionslos „Ballast“. Er spürt da nichts mehr, und er wird es auch in
       seinem Leben nie wieder tun können. Medizinische Wunder einmal
       ausgeschlossen. Der in Frankfurt (Oder) geborene Informatikkaufmann nimmt
       sein Handicap sportlich. „Wenn ich aus der Kurve fliege, dann spüre ich nur
       an ganz wenigen Stellen überhaupt noch einen Schmerz. Das ist ein echter
       Vorteil“, sagt er ziemlich abgeklärt.
       
       ## Selbstgestaltetes Leben
       
       Der Rollstuhl-Skater möchte ein möglichst selbstbestimmtes Leben führen.
       „Für mich bedeutete Rollstuhl vor meinem Unfall immer nur, dass man damit
       rumgeschoben wird. Ich konnte mir nicht einmal vorstellen, dass man damit
       überhaupt einen Bordstein hochkommt. Jetzt gestalte ich mein Leben alleine
       und das sogar ziemlich cool“, sagt Lebuser. Dennoch gibt es immer wieder
       Einschränkungen und Barrieren, die selbst einem derart mutigen Menschen wie
       Lebuser enge Grenzen setzen.
       
       Das Schlimmste sei für ihn, wenn sein rund 4.000 Euro teuer und mehrmals
       geschweißter Aktiv-Rollstuhl zur Reparatur muss, klagt der Extremsportler.
       „Das zieht mich völlig runter, weil der Rolli mich doch am Leben hält.“
       David Lebuser ist längst eine innige Symbiose mit seinem Sportgerät
       eingegangen.
       
       19 Jul 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Torsten Haselbauer
       
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