# taz.de -- Die Wahrheit: Das elende N-Wort
       
       > Blasig, aufgebläht und inhaltsleer: Die nichtsnutzige Nachhaltigkeit und
       > ihre immerhin 300 Jahre lange Geschichte – beginnend im Forst.
       
 (IMG) Bild: Nachhaltigkeit seit 1713: Abholzen, aber nicht alles wegholzen!
       
       Was ist das am nachhaltigsten nervende Wort der Jetztzeit? Die
       Nachhaltigkeit selbst, ein Begriff, blasig, aufgebläht und inhaltsleer wie
       Bauschaum. Nachhaltigkeit verspricht uns vollmundig, dass „etwas eine lange
       Zeit andauern wird“. Das sollte selbsterfüllend zutreffen, denn die
       Nachhaltigkeit gibt es immerhin schon 300 Jahre.
       
       Das haben findige Wortforscher herausgefunden, die das Wort erstmals in
       einem 500-Seiten-Wälzer des sächsischen Oberberghauptmanns Carl von
       Carlowitz entdeckten. In seiner „Haußwirthlichen Nachricht und Naturmäßigen
       Anweisung zur Wilden Baum-Zucht“ von 1713 taucht die Nachhaltigkeit noch
       nicht als eigener Begriff auf, wird aber in der Formulierung „nachhaltende
       Nutzung“ als „philologischer Keimling“ (Die Welt) in die Forstwelt gesät.
       Carlowitz forderte etwas hölzern: „Wird derhalben die größte Kunst hiesiger
       Lande darinnen beruhen, wie eine sothane (solche) Conservation und Anbau
       des Holtzes anzustellen, daß es eine continuierliche und beständige und
       nachhaltende Nutzung gebe.“ Mit anderen Worten, es galt für ihn, etwas
       abzuholzen, ohne alles wegzuholzen.
       
       Carlowitz hätte natürlich auch von einer zurückhaltenden Nutzung schreiben
       können, was wäre uns da alles nachhaltig erspart geblieben! Hat er aber
       nicht, was anfangs auch nicht schadete. Der Begriff Nachhaltigkeit
       verbreitete sich nur in der deutschsprachigen Fachliteratur und war
       lediglich bei Förstern und Waldarbeitern gebräuchlich. Hätte nicht der
       Hesse Wilhelm Schlich den Begriff des „nachhaltigen Ertrags“ aufgeschnappt
       und in seinem „Handbuch der Forstwirtschaft“ verwendet. Und hätte er sein
       Buch nicht ins Englische übertragen und so den Grundstein für das
       zungenbrecherische „sustainability“ gelegt. Tja, hätte, hätte,
       Motorsägenkette!
       
       So aber griffen nachhaltige Naturfreunde den Begriff auf, und das Unheil
       nahm seinen Lauf. Fehlt die Nachhaltigkeit in „Meyers Konversationslexikon“
       von 1877 noch gänzlich, so nennt sie der Sprach-Brockhaus von 1935 und 1949
       bereits, verortet die Nachhaltigkeit allerdings in der guten alten
       Goethezeit.
       
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       ## Nachhaltige Nutzlosigkeit
       
       Der Durchbruch gelang der unverwüstlichen Nachhaltigkeit im sogenannten
       Brundtland-Bericht der UNO im Jahr 1987. Die Norwegerin Gro Harlem
       Brundtland verbreitete den Begriff von der „nachhaltigen Entwicklung“
       zunächst in ganz Brundtland, und von dort wurde er rasch von
       orientierungslosen Ökologen übernommen. Die Ära der Nachhaltigkeit nahm
       ihren verhängnisvollen Verlauf: Es gab fortan nachhaltige Rückhaltebecken
       und nachhaltige Neubauvorhaben. Und als nachhaltiger Höhepunkt wurde eine
       „Stiftung Deutscher Nachhaltigkeitspreis“ geschaffen, der jährlich den
       Nachhaltigkeitspreis im Rahmen einer großen Gala verleiht!
       
       Seltsamerweise gibt es keine negative Nachhaltigkeit oder nachhaltige
       Nichtsnutzigkeit. Doch was soll das ganze Geraune von der immer guten
       Nachhaltigkeit? Das sei Carl von Carlowitz ins Stammbuch geschrieben: Vor
       der Nachhaltigkeit kommt immer noch die Vorhaltigkeit. Und wer das leidige
       N-Wort noch mal ohne Not benutzt, kommt zur Strafe ins schmutzige
       Vorhaltebecken!
       
       25 Jul 2013
       
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