# taz.de -- Stress im dualen Studium: Ausgelaugt und heiß begehrt
       
       > Studierende von dualen Studiengängen, die Theorie und Praxis verbinden,
       > sind sehr gefragt. Jahrelang haben sie wenig Geld und Zeit, aber viel
       > Stress.
       
 (IMG) Bild: Nach der Arbeit geht es weiter: bis in die Nacht wird gebüffelt.
       
       BERLIN taz | Manchmal, wenn Samuel Baum nach Hause kommt und es draußen
       schon dunkel ist, wünscht er sich, sein Tag hätte mehr als 24 Stunden.
       Aufgestanden ist er um acht, zehn Stunden hat der 24-Jährige bei seinem
       Arbeitgeber, der Modekette Peek & Cloppenburg, verbracht. Wenn sich seine
       Kollegen in den Feierabend verabschieden, legt Baum ein zweites Mal den
       ersten Gang ein. Abendessen mit der Freundin. Bis in die Nacht hinein
       büffelt Baum, der in Wirklichkeit anders heißt, Mathematik und
       Mikroökonomik.
       
       Immer mehr junge Menschen machen wie er Ausbildung und Studium in einem
       Abwasch. Laut Bundesinstitut für Berufsbildung ist die Zahl der dualen
       Studienplätze 2012 um 7,5 Prozent gestiegen. Deutschlandweit gab es damit
       gut 64.000 Studenten in dieser Doppelrolle. Über 900 verschiedene
       Studiengänge umfasst das Angebot derzeit.
       
       Gute Aufstiegschancen spornen an: „Absolventen dualer Studiengänge sind
       heiß begehrt“, erklärt Susanne Walter, Sprecherin des
       Berufsbildungsinstituts. Auch Samuel Baum verspricht sich einen besseren
       Berufseinstieg. Denn eine Stelle ist ihm nach dem Abschluss sicher: „Ich
       muss mindestens ein Jahr lang bei dem Modekonzern bleiben. Das wird so
       gewünscht.“
       
       Doch ein duales Studium hat seine Schattenseiten. Für einen gesicherten
       Berufseinstieg investiert Baum viel: 46 Stunden muss er monatlich im
       Unternehmen in Essen arbeiten. Neben diesen sogenannten Praxisphasen
       absolviert er einen theoretischen Teil: Vierwöchige Lernblöcke, die Baum im
       Rahmen des Klassiker-Studiengangs Business Administration viermal im Jahr
       im Hörsaal an der Hochschule für Ökonomie und Management in Essen
       verbringt.
       
       ## Nicht genug zum Leben
       
       „Das Privatleben bleibt häufig auf der Strecke“, erzählt Baum. Als
       ehemaliger Leistungssportler hatte er früher mehrere Stunden Training
       täglich. Jetzt geht er nur noch einmal pro Woche, immer sonntags, mit
       seinen Freunden laufen. „Meine sozialen Kontakte pflege ich beim Sport.“
       Wenn Prüfungen anstehen, werden selbst die Abende nach Ladenschluss zum
       Lernen zu kurz. Dafür muss Baum Urlaub nehmen.
       
       Immerhin verdient er bereits – anders als viele Vollzeitkommilitonen. Leute
       aus einkommensschwachen Familien könnten ein Studium auf diese Weise ohne
       finanzielle Belastung absolvieren, heißt es. Eine nicht repräsentative
       Umfrage unter 600 dual Studierenden des Internetportals
       „Wegweiser-duales-Studium“ hat allerdings kürzlich ergeben, dass zwei
       Drittel der Befragten kaum bis gar nicht mit ihrem monatlichen Gehalt
       auskommen.
       
       Kein Wunder, sagt Kevin Heidenreich, Bildungsexperte beim Deutschen
       Industrie- und Handelskammertag: Oft kommen auf dual Studierende
       zusätzliche Kosten durch weite Fahrstrecken zu. Einige bezahlen zwei
       Wohnungen, eine am Studienort, eine in der Nähe des Unternehmens. Außerdem
       fallen an vielen privaten Hochschulen Studiengebühren an: Bei Samuel Baum
       etwa gehen dafür monatlich 295 Euro direkt von seinem Gehalt ab. Auch Milan
       Klesper, [1][Gründer des Wegweiser-Portals], rät daher: „Junge
       Studieninteressenten sollten sich nicht vom Gehalt blenden lassen.“
       
       ## Kein Anspruch auf Bafög
       
       Samuel Baum kommt mit 1.600 Euro brutto im ersten Ausbildungsjahr trotzdem
       vergleichsweise gut über die Runden. Aber das ist keine
       Selbstverständlichkeit: Nur in manchen Firmen gilt der Tarifvertrag der
       Lehre auch für die Studierenden. Tarifverträge könnten bei dual
       Studierenden leicht umgangen werden, indem das Gehalt „Stipendium“ genannt
       wird, so Klesper.
       
       Darüber hinaus haben dual Studierende keinen Anspruch auf Bafög, da sie,
       weil sie Geld verdienen, meist über der Höchstgrenze liegen. Hoffnung
       machen könnte die geplante Bafög-Reform der Bundesbildungsministerin
       Johanna Wanka (CDU). Die Förderung müsse sich für neue Formen akademischer
       Bildung öffnen, hatte die Ministerin angekündigt. Dazu gehörten auch duale
       Modelle.
       
       Kritik geht auch aus einem Aufsatz des Wissenschaftszentrums Berlin für
       Sozialforschung hervor. Die „Ganzheitlichkeit der akademischen und
       beruflichen Ausbildung“ sei durch duale Studiengänge gefährdet. Das
       bedeutet: Wer sich im Betrieb nur um spezielle Aufgaben kümmert, könnte
       Lücken bei den Grundlagen des Fachs aufweisen.
       
       Im Rückblick sieht Clara Hinze aus Köln genau darin einen Nachteil ihres
       dualen Studiums: „Wissen wird sehr komprimiert vermittelt. Dadurch fühle
       ich mich unsicher, wenn ich mich zum Beispiel um neue Projekte kümmern
       soll“, bemängelt die 29-Jährige, die ihr duales Wirtschaftsstudium in
       Bergisch Gladbach vor vier Jahren abgeschlossen hat. Ihr Fazit: „Ich würde
       ein duales Studium nicht empfehlen – trotz vieler Sicherheiten.“
       
       31 Jul 2013
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.wegweiser-duales-studium.de
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Carolin Seidel
       
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