# taz.de -- Landwirtschaft: Antibiotikaland Niedersachsen
       
       > Nirgends gibt es mehr Tierfabriken als im Südwesten von Niedersachsen.
       > Und nirgendwo werden in der Geflügel- und Fleischmast auch mehr
       > Antibiotika eingesetzt - nicht nur im Krankheitsfall, sondern regelmäßig
       > als Teil der Nahrung.
       
 (IMG) Bild: Werden wie Hühner und Rinder mit Antibiotika gemästet: Schweine in Niedersachsen.
       
       HAMBURG taz | Der Einsatz ist rekordverdächtig. Mehr als die Hälfte aller
       bundesweit an Tierärzte ausgelieferten Antibiotika haben Pharmahersteller
       2011 an Veterinäre in Niedersachsen und den an Niedersachsen angrenzenden
       Regionen Nordrhein-Westfalens verkauft. Das geht aus einer am Dienstag
       veröffentlichten Datenerhebung des Bundesamtes für Verbraucherschutz und
       Lebensmittelsicherheit (BVL) hervor.
       
       Laut Bundesamt haben die Pharma-Konzerne alleine 700 von insgesamt 1.706
       Tonnen der Medikamente an Veterinäre im Postleitzahlenbereich 49 geliefert
       – die Region um Diepholz, Osnabrück und Vechta. Dieses Gebiet zeichnet sich
       auch durch die bundesweit größte Dichte an Tierhaltungsbetrieben aus.
       
       In dem postalischen Bereich 26, dem Gebiet um Oldenburg, wurden immerhin
       noch 62 Tonnen geliefert. Auch der Norden Schleswig-Holsteins (PLZ-Bereich
       24, 25) gehört zu den Gebieten mit weit überdurchschnittlichem
       Antibiotikaverbrauch.
       
       Zwar liefert die Studie des Bundesamtes keine Erkenntnisse, wo die
       Medikamente genau eingesetzt worden sind. Allerdings kommt das Amt zu dem
       Schluss, „dass in Gebieten mit höherer Nutzungsintensität auch größere
       Mengen antimikrobiell wirksamer Grundsubstanz abgegeben wurden“. Das trifft
       für Niedersachsen – dem Eldorado der Massentierhaltung besonders im
       Geflügelbereich – offenbar zu.
       
       Mehr als jedes zweite bundesweit verspeiste Hähnchen kommt heute aus
       Niedersachsen, der „Fleischkammer der Republik“. Weniger als ein Prozent
       des Geflügelfleisches kommt dabei von Bio-Bauernhöfen. Gerade in der
       Geflügelzucht ist der Antibiotikaeinsatz gang und gäbe. So ergab unlängst
       eine Studie in Mecklenburg-Vorpommern, dass dort in 33 von 34 überprüften
       Putenmastbetrieben Antibiotika eingesetzt wurde. Im Schnitt wurden die
       Tiere trotz kurzer Lebensdauer vier Mal mit Antibiotika behandelt; einzelne
       Puten aber bekamen bis zu 14 Dosen Antibiotika verpasst.
       
       Doch auch Schweine und Rinder schlucken kräftig den Bakterienkiller.
       Antibiotika im Futter bewirken, dass die Tiere weniger fressen aber
       trotzdem schneller wachsen. Dadurch steigert sich der Profit der
       Fleischproduzenten. Ein Euro, die in Antibiotika investiert wurden, bringen
       beim Verkauf des Fleisches eine Gewinnsteigerung von bis zu 16 Euro. Ein
       lohnendes Geschäft, das dazu führt, dass Antibiotika nicht nur im
       Krankheitsfall eingesetzt werden, sondern der Nahrung der zu mästenden
       Tiere regelmäßig beigegeben werden. So befinden sich nach einer aktuellen
       Untersuchung der Hochschule Bremen in einem Zentner Tierfutter bis zu zwei
       Kilo Antibiotika.
       
       Deutlich zu viel findet auch das Bundesverbraucherschutzministerium: „Der
       Einsatz von Antibiotika muss auf ein Mindestmaß gesenkt werden“, erklärt
       sein Sprecher Holger Eichele und ergänzt: „Die Gesamtmenge, die bei Haus-
       und Nutztieren verschrieben wird, ist einfach zu hoch.“ Das Ministerium
       verweist dabei auf die gerade im Vermittlungsausschuss verabschiedete
       Novelle des Arzneimittelgesetzes. Sie soll – so die hehre Hoffnung – ab
       2014 den Antibiotikaeinsatz in der Tierhaltung deutlich reduzieren.
       
       30 Jul 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Marco Carini
       
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