# taz.de -- Gewerkschaft contra Handwerk: Weniger Lohn dank Rechtsbruch
       
       > Handwerksinnungen bieten Betrieben eine Mitgliedschaft ohne die Übernahme
       > von Tarifverträgen an. Das ist illegal, kritisiert der Gewerkschaftsbund.
       
 (IMG) Bild: Hoffentlich später mal gut bezahlt: Teilnehmer der Berufeweltmeisterschaft 2013.
       
       BERLIN taz | „Am Anfang waren Himmel und Erde. Den ganzen Rest haben wir
       gemacht“, ist ein Slogan, mit dem der Zentralverband des Deutschen
       Handwerks (ZDH) für seine Berufe wirbt. Es klingt selbstbewusst, doch die
       Realität ist ernüchternder: dem Handwerk, Brotgeber für rund 5 Millionen
       Beschäftigte, geht der Nachwuchs aus.
       
       Viele Jugendliche können mit Berufen wie Flechtwerkgestalter oder
       Rollladen- und Sonnenschutzmechatroniker nichts mehr anfangen. 24.000
       Lehrstellen sind bei den bundesweit 53 Handwerkskammern derzeit unbesetzt.
       Es dürften noch mehr sein, denn längst nicht alle Betriebe melden den
       Kammern ihre freien Plätze.
       
       Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) bot am Donnerstag eine Erklärung,
       warum die Jugend fernbleibt: „Gute handwerkliche Arbeit, die gute Bezahlung
       verdient, wird billig verschleudert“, sagte DGB-Vorstandsmitglied Dietmar
       Hexel, das Nachwuchsproblem sei „hausgemacht“. So manche der rund 5.000
       Innungen, in denen sich im Unterschied zu den Kammern nur die Unternehmer
       organisieren, begehe dabei Rechtsbruch, sagte Hexel.
       
       ## Schlechte Bezahlung ohne Tarifvertrag
       
       In der Kritik steht eine Praxis, die private Arbeitgeberverbände der
       Industrie seit Jahren praktizieren: Sie bieten Unternehmen alle Vorteile
       einer Mitgliedschaft – ohne dass der Betrieb auch die zwischen Verband und
       Gewerkschaft vereinbarten Tarifverträge übernehmen muss. Man spricht von
       Mitgliedschaften ohne Tarifbindung (OT). Ein Ergebnis: Für immer weniger
       Beschäftigte gilt ein Tarifvertrag. Und wer ohne arbeitet, wird meist
       schlechter bezahlt.
       
       Auch mehr und mehr Innungen böten Betrieben solche OT-Mitgliedschaften an,
       sagt nun der DGB. Satzungsänderungen, die die Innungen dafür vornehmen,
       sind jedoch nach Ansicht von Winfried Kluth, Professor für Öffentliches
       Recht an der Uni Halle-Wittenberg, „rechtswidrig“. Kluth stellte am
       Donnerstag ein für die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stifung erstelltes
       Gutachten dazu vor.
       
       Dass Innungen rechtsbrüchig werden, liegt laut Kluth an ihrer besonderen
       Organisationsstruktur. Anders als private Arbeitgeberverbände der Industrie
       sind die Innungen öffentlich-rechtliche Körperschaften mit freiwilligen
       Mitgliedschaften. Der Gesetzgeber hat ihnen die Fähigkeit zugesprochen,
       Tarifverträge abzuschließen. Historisch sei das auch geschehen, weil es ein
       besonderes Interesse gegeben habe, Tarifabschlüsse im kleinen und
       mittelständisch geprägten Handwerksbereich zu ermöglichen, so Kluth.
       
       Aus diesem Grund und wegen ihrer Struktur könne eine Innung nicht
       eigenmächtig ihre Satzung ändern, um OT-Mitgliedschaften zu ermöglichen.
       Handwerkskammern, die die Innungen beaufsichtigen, müssten solche
       Satzungsänderungen verweigern. Täten sie das nicht, sollten die
       Wirtschaftsministerien der Länder einschreiten, so Hexel.
       
       Wieviele Innungen OT-Mitgliedschaften anbieten, ist unklar. Der ZDH
       schätzt, es sind weniger als ein Prozent, und geht von etwas über 4.000
       Innungen aus. ZDH-Geschäftsführer Karl-Sebastian Schulte spricht von
       „Ausnahmerscheinungen“. Die Kfz-Branche ist in manchen Ländern solch eine
       Ausnahmeerscheinung. So sind in Thüringen laut Gewerkschaft IG Metall nur
       noch vier von 2.500 Betrieben tarifgebunden. Der ZDH sieht deswegen die
       Gewerkschaften in der Pflicht. „Sie müssen Tarifverträge abschließen, in
       denen sich auch kleine Betriebe wiederfinden“, so Sprecher Alexander
       Legowski.
       
       1 Aug 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Eva Völpel
       
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