# taz.de -- DFB-Pokal: Publikumsliebling nach 30 Minuten
       
       > 70 Minuten hielt der SV Wilhelmshaven gegen Borussia Dortmund die Null.
       > Dabei sind Torwart Aaron Siegl und 18 andere Spieler erst seit wenigen
       > Tagen im Verein.
       
 (IMG) Bild: Hielt sein Tor ganze 70 Minuten gegen Borussia Dortmund sauber: Aaron Siegl vom SV Wilhelmshaven.
       
       WILHELMSHAVEN taz | Selten hat ein Fußballspieler weniger Zeit gebraucht,
       um Publikumsliebling zu werden wie Aaron Siegl vom SV Wilhelmshaven. Nach
       einer halben Stunde seines ersten Pflichtspiels ertönten erste Sprechchöre
       vom harten Kern der SVW-Fans auf seinen Namen. Es waren nicht die letzten,
       denn weitere 40 Minuten lang hielt der 23-Jährige die Hoffnung aufrecht,
       der Regionalligist könnte dem Championsleague-Finalisten Borussia Dortmund
       eine Sensation abringen.
       
       Allein drei Mal klärte er aus kürzester Entfernung mit blitzschnellen
       Reflexen gegen Borussias Neuzugang Pierre-Emerick Aubameyang, Freistöße von
       Ilkay Gündogan und Marco Reus fischte er aus dem Winkel, einen
       Hummels-Kopfball kratze er neben dem Pfosten von der Linie und das Dutzend
       halbschwerer Schüsse und Flanken klärte er so sicher und gelassen, als wäre
       das hier ein Trainingsspiel gegen den TSV Jahn Carolinensiel.
       
       Mehr Schwierigkeiten hatte er mit den Namen seiner Mitspieler. „Man kennt
       sie im Groben“, sagte der Bayer, der vor einer Woche noch auf der
       Reservebank beim FC Ingoldstadt saß. „Aber manchmal verredet man sich
       noch.“ Siegl war der letzte von 19 Neuzugängen, die in den letzten sechs
       Wochen in Wilhelmshaven angeheuerten haben.
       
       Es hätte nicht viel gefehlt und der SV Wilhelmshaven würde sich jetzt auf
       eine Saison in der 6. Liga vorbereiten. Eigentlich war der Klub als 16. der
       Regionalliga-Nord bereits abgestiegen, eine Lizenz für die Oberliga war
       nicht beantragt. Doch dann qualifizierte sich Holstein Kiel in den
       Aufstiegsspielen für die 3. Liga und die Wilhelmshavener durften
       drinbleiben. Da hatten die meisten Spieler schon das Weite gesucht. Als
       Mitte Juni die erste Runde im DFB-Pokal ausgelost wurde, hatten der neue
       Sportdirektor Reinhold Fanz und der neue Trainer Farat Toku gerade mal vier
       Spieler zur Verfügung.
       
       Das glückliche Pokal-Los war bei der Personalsuche hilfreich. Neu-Kapitän
       Matthias Tietz gab zu, dass die Aussicht auf diesen Pokalknaller das
       I-Tüpfelchen bei seiner Entscheidung gewesen sei, an den Jadebusen zu
       wechseln. „Nicht viele Regionalliga-Spieler können von sich sagen, gegen
       Borussia Dortmund gespielt zu haben“, sagte Tietz.
       
       Sogar nur wenige Bundesliga-Spieler konnten in den letzten Jahren von sich
       behaupten, 70 Minuten die Null gegen den BVB gehalten zu haben. Aber das
       bunt zusammengewürfelte Team setzte die drei Dinge, die Trainer Toku vor
       dem Spiel auf den Flipchart geschrieben hatte, konsequent um: Disziplin,
       Kampf, Leidenschaft. Angriffswelle auf Angriffswelle der Dortmunder prallte
       ab oder lief ins Leere.
       
       Vielleicht wäre beim Außenseiter auch nach vorne mehr möglich gewesen, wenn
       sich der viel beschworene 12. Mann gerührt hätte. Aber der Großteil der
       SVW-Anhänger im mit 8.000 Zuschauer ausverkauften Jadestadion ließ ihre
       zwei Dutzend tapferen Ultras bei der Anfeuerung weitgehend allein und
       schaute sich den hohen Gast ehrfürchtig an wie im Fernsehen.
       
       Und dann gab es doch noch diese eine Chance in der 67. Minute, kurz nach
       einer weiteren Glanztat von Keeper Siegl. „Ich sehe von hinten Tim allein
       aufs Tor zulaufen“, schildert der die Szene, „und denke: mach ihn irgendwie
       rein.“ Tat der Tim Scheffler aber nicht, sondern schoß BVB Torwart Mitchell
       Langerak an. Wenig später erlöste Kevin Großkreuz mit einer unhaltbaren
       Direktabnahme aus 20 Metern die Dortmunder von den Sorgen, die sie nach
       leicht überheblicher Aussage von Trainer Jürgen Klopp überhaupt nicht
       gehabt hatten. Anschließend machten die Gastgeber hinten auf und fingen
       sich noch zwei locker herausgespielte Treffer von Marvin Duksch und Robert
       Lewandowski ein.
       
       „Wir sind stolz auf unser Team“, sangen die Schlicktown-Supporters trotz
       der Niederlage. Und dieses Team, das zum Großteil aus U23- Spielern
       besteht, könnte tatsächlich nach turbulenten Jahren wieder für Kontinuität
       beim SVW sorgen. „Wir nehmen den Schub und die Euphorie mit, um in der
       Regionalliga unser Potenzial auszuschöpfen“, sagt Aaron Siegl. Und hofft,
       dass die Zuschauer auch dann kommen, wenn nicht gerade Borussia Dortmund da
       ist.
       
       4 Aug 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ralf Lorenzen
       
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