# taz.de -- Prozess gegen Radprofi Schumacher: Viagra? Voll normal
       
       > Beim Stuttgarter Betrugsprozess gegen den Radsportler Stefan Schumacher
       > agieren die Sportmediziner geschickt. Trotzdem tun sich Abgründe auf.
       
 (IMG) Bild: Gedopt wurde nicht im Verborgenen, sagt Stefan Schumacher.
       
       STUTTGART taz | So jung und schon so krank. Traurig, was der Profiradsport
       aus gesunden Menschen macht. Asthma haben so gut wie alle, Entzündungen und
       Verletzungen sowieso, und das Ganze oft garniert mit psychischen Problemen
       oder Schlafstörungen.
       
       Aber zum Glück gibt es Ärzte, die die bedauernswerten Berufsradler mit
       allem füttern, was es so gibt. Viagra, Herzmittel aus der Intensivmedizin,
       Schlaftabletten – der Doc hat und er gibt gerne. Weil das ja alles legal
       ist. Dopingmittel? Nein, das natürlich nicht.
       
       So könnte man den Auftritt der beiden Sportmediziner Ernst Jakob und Mark
       Schmidt als Zeugen im Betrugsprozess gegen den Radprofi Stefan Schumacher
       zusammenfassen. Die beiden früheren Mannschaftsärzte des Teams Gerolsteiner
       werden von Schumacher bezichtigt, Doping im Team toleriert und unterstützt
       (Jakob) oder sogar eigenhändig durchgeführt (Schmidt) zu haben.
       
       Für den einstigen Spitzenprofi ist die Mitwirkung der Ärzte ein zentraler
       Punkt. Doping, so seine Argumentation, war in der Mannschaft derart
       verankert, dass auch Teameigner Hans-Michael Holczer davon gewusst haben
       musste. Wenn das so ist, hätte er ihn nicht betrogen. „Natürlich haben sie
       falsch ausgesagt“, sagte der Radprofi. „Die Ärzte haben alle Angst um ihren
       Job. Ich habe ja früher auch gesagt, ich dope nicht“, sagte er am Mittwoch
       zum Ende des kurzen 13. Prozesstages.
       
       Aber zwischen den Zeilen, so die Lesart von Schumacher und seinem
       Verteidiger Michael Lehner, hätten Schmidt und Jakob ihre Position
       gestützt: Doping habe beim Team Gerolsteiner nicht im Verborgenen
       stattgefunden. Die beiden Mediziner hatten kein Interesse, Licht ins Dunkel
       und sich damit eventuell in Schwierigkeiten zu bringen.
       
       ## Unverdächtige Sprachhülsen
       
       Jakob und Schmidt ließen sich beim Stuttgarter Landgericht zunächst
       mehrfach entschuldigen, und als sie dann kamen, waren Anwälte dabei. Und
       die hatten die Ärzte mit unverdächtigen Sprachhülsen präpariert, mit denen
       sich die Weißkittel als hehre Mediziner beschrieben, die sich
       ausschließlich dem Wohl des Patienten verpflichtet fühlen.
       
       Beide bestritten vehement, Dopingmittel illegal beschafft, verabreicht oder
       Radprofis über Anwendung und Dosierung instruiert zu haben. Verständlich,
       für beide steht viel auf dem Spiel. Jakob, 63, ist Chefarzt der Sportklinik
       in Hellersen und ein Pfund in der Szene – Olympiaarzt bei den Winterspielen
       von 1988 bis 2006 und Teamarzt beim Deutschen Skiverband. Jakob, der ein
       Schüler des berüchtigten Freiburger Sportmediziners Joseph Keul ist, kann
       es sich nicht leisten, mit Doping in Verbindung gebracht zu werden. Der
       Erfurter Schmidt, 34, auch nicht. Der Allgemeinmediziner steht am Anfang
       seiner Karriere.
       
       Kritischen Nachfragen wichen sie aus. Sie beriefen sich zudem auf die
       ärztliche Schweigepflicht. Schumacher hat die beiden zwar davon entbunden,
       aber wenn es für Schmidt oder Jakob unangenehm wurde, zupften die Anwälte
       die Herren kurz am Ärmel.
       
       Ein bisschen gaben sie aber doch preis. Legale Dinge, aber halbwegs
       widerlich: Das Schlucken von Viagra zur besseren Atmung sei nicht verboten
       und normal, erklärte Mark Schmidt. Dass man zur Senkung des Blutdrucks kurz
       vorm Ziel eine Kapsel des Herz-Notfallmedikaments Nitrolingual zerbeißt,
       ebenso. Und wer abends nicht schlafen kann, was oft vorkommt, holt sich
       beim Doc Schlaftabletten. Oder auch zwei.
       
       Für Jakob ist es kein Problem, ein Attest für Cortison zu schreiben, auch
       wenn er den Patienten gar nicht persönlich untersucht hat, wie zum Beispiel
       Schumacher vor der Rad-WM 2007. Dessen angebliche Achillessehnenprobleme
       hat er sich von einem Kollegen schildern lassen. Überhaupt Cortison: Laut
       Jakob bringe das verbotene Mittel im Wettkampf fast nichts, allenfalls eine
       „leichte psychische Aufhellung“. Bei Epo gerät Jakob dagegen ins Schwärmen:
       „Das steigert die Leistung wirklich“, sagt er über das synthetische Hormon
       der Nebennierenrinde.
       
       Ein erstaunliches Wissen, denn natürlich hat er Epo weder Schumacher noch
       anderen Sportlern gegeben. Kurzum: Nach den Aussagen der Ärzte wird jeder
       Wirkstoff, der wirkt und nicht verboten ist, auch eingesetzt. Nach den
       Risiken und Nebenwirkungen dieser Aussagen für die Glaubwürdigkeit im Sport
       fragt man besser nicht. Am 19. August geht es weiter.
       
       9 Aug 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jürgen Löhle
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Radsport
 (DIR) Doping
 (DIR) Viagra
 (DIR) Doping
 (DIR) Radsport
 (DIR) Fußball
 (DIR) Doping
 (DIR) Doping
 (DIR) Doping
 (DIR) Doping
 (DIR) Doping
 (DIR) Doping
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Viagra für Frauen: Der weibliche Dauerständer
       
       In den USA steht die luststeigernde Pille kurz vor ihrer Zulassung. Der
       Effekt soll sehr bescheiden sein. Es müssen noch die Nebenwirkungen
       reduziert werden.
       
 (DIR) Doping-Radler Schumacher: Vom Betrug freigesprochen
       
       Radsportler Stefan Schumacher hat gedopt. Dass der Profi seinen damaligen
       Teamchef damit betrogen hat, lässt sich nicht beweisen. Er wird
       freigesprochen.
       
 (DIR) Debatte um Vuelta-Sieger: Der alte Mann und der Nebel
       
       Mit fast 42 Jahren gewinnt Chris Horner die Vuelta a España. Doch eine
       versäumte Kontrolle und eine insgesamt mangelhafte Dopingfahndung wecken
       Zweifel.
       
 (DIR) Doping und Fussball: Der Präsident will seine Ruhe
       
       Allenfalls mit Alibi-Aktionen treibt der DFB den Kampf gegen Doping voran.
       Das hat Tradition im Fußball-Verband. Doch nun steht der DFB unter Druck.
       
 (DIR) Kommentar Doping in Westdeutschland: Die Schuhe der Wahrheit
       
       Dass auch in der alten Bundesrepublik systematisch gedopt wurde, ist
       spätestens seit 1977 bekannt. Bereits neun Jahre zuvor wurde zum Thema
       geforscht.
       
 (DIR) Spitzensport in Westdeutschland: Für Doper „ein Paradies“
       
       Plötzlich erregen sich alle: Auch westdeutsche Spitzensportler waren
       gedopt. Wer lesen konnte, hätte das spätestens im Jahr 2001 wissen können.
       
 (DIR) Doping in der BRD: Gift im Organismus
       
       Im deutschen Sport setzten sich ab Mitte der 70er Jahre die
       Dopingbefürworter durch. Eine Allianz der Entscheider war für den
       Anabolikaeinsatz.
       
 (DIR) Sprinterin über BRD-Leistungssport: „Trainer dopten ihre Partnerinnen“
       
       Claudia Lepping ist von den jüngsten BRD-Doping-Berichten kaum überrascht.
       Die ehemalige Sprinterin sagt, bereits 1969 hätten alle Bescheid wissen
       können.
       
 (DIR) Kommentar Dopingstudie: Gleichgewicht der Aufbaumittel
       
       Doping-Ungleichgewicht zwischen Ost und West? Mit diesem Vorurteil räumt
       die Doping-Studie der Humboldt-Universität auf.
       
 (DIR) Kommentar Doping in Westdeutschland: Allein der Sieger wird gefeiert
       
       Ja, im Westen wurde systematisch gedopt. Ein ins Unendliche verlängerter
       Wettstreit Ost-West hilft bei dieser Problematik allerdings wenig.