# taz.de -- Insolvenz des Suhrkamp-Verlags: Interesse an der Übernahme
       
       > Wie es ausschaut, ist die Suhrkamp KG tatsächlich überschuldet. So kommt
       > für den Fall einer Suhrkamp AG dtv ins Spiel.
       
 (IMG) Bild: Bald mit dtv? Verlagszentrale von Suhrkamp in Berlin.
       
       Die vergangene Woche war eine Suhrkamp-Woche! Am Dienstag hatte der
       renommierte Verlag Insolvenz anmelden müssen. Dies tat er mit einigem
       Vergnügen, so jedenfalls las sich die am Mittwoch verbreitete
       Presseerklärung des Verlages.
       
       Der Verlag werde, so sieht es ein Sanierungsplan des Sachwalters Rolf
       Rattunde vor, in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, infolgedessen verlöre
       Hans Barlach, der über seine Medienholding Winterthur AG
       Minderheitsgesellschafter der Suhrkamp KG ist, viele jener Rechte, die er
       sich beim Umzug des Verlags von Frankfurt nach Berlin hatte einräumen
       lassen.
       
       Viele Feuilletonisten mutmaßten bereits, dass dies das Ende von Barlachs
       Einfluss auf den Verlag sei, doch noch hat die zuständige Richterin am
       Amtsgericht Berlin-Charlottenburg, die das Insolvenzverfahren eröffnet hat,
       Rattundes Insolvenzplan nicht zugestimmt. Und selbst wenn sie es tun sollte
       – auch das könne durchaus von Vorteil für ihn sein, gab sich Barlach im
       Gespräch mit der taz siegesgewiss, denn das deutsche Aktienrecht ist sehr
       streng und erlaubt kaum taktische Spielchen.
       
       ## In Berufung gegangen
       
       Am Donnerstag dann scheiterte Barlach mit einem Antrag auf Erlass einer
       einstweiligen Verfügung zur sofortigen Absetzung der bisherigen
       Geschäftsführung. Denn bereits zuvor hatte Barlach erstinstanzlich erwirkt,
       dass die Geschäftsführung der KG, also Jonathan Landgrebe, Thomas Sparr und
       Ulla Unseld-Berkéwicz, zurücktreten sollen, doch dieses Verfahren ist in
       die Berufung gegangen.
       
       Ulla Unseld-Berkéwicz ist nicht nur die Verlegerin, sie verwaltet zugleich
       auch die 61-prozentige Anteilsmehrheit, die die Siegfried und Ulla Unseld
       Familienstiftung hält. Mit Barlach verbindet sie seit Jahren eine
       leidenschaftliche Feindschaft, die beiden Gesellschafter beharken sich mit
       Klagen und Widerklagen, beide haben schließlich auch auf den Ausschluss des
       jeweils anderen geklagt, ein Urteil dazu wird im September erwartet.
       
       Dass Barlach am Donnerstag seinen Antrag auf Erlass einer einstweiligen
       Verfügung nicht durchsetzen konnte, werteten viele Beobachter als letzten
       Triumph der Verlegerin, doch auch in diesem Verfahren steht noch immer das
       nächstinstanzliche Urteil aus.
       
       Die Zeit wiederum berichtete, dass Barlach eine seiner Immobilien „mit
       einem Sicherheitsdarlehen in Höhe von 2,8 Millionen Euro“ belastet habe.
       Das wurde wiederum damit in Zusammenhang gebracht, dass Barlach die Hälfte
       der Kaufsumme für seinen Anteil an der Suhrkamp KG noch immer nicht an den
       vormaligen Besitzer, den Schweizer Unternehmer Andreas Reinhart, überwiesen
       hatte, nun aber von einem Schweizer Gericht zur sofortigen Zahlung
       verurteilt wurde.
       
       ## Kontakt zum dtv-Verlag
       
       Und noch eine Nachricht kam am Freitag über den Ticker. Schon zuvor wurde
       ruchbar, der Insolvenzverwalter, Frank Kebekus, habe Kontakt zu den
       Gesellschaftern des Münchener Verlags dtv aufgenommen. Nun äußerten sich
       diese: „Die Gesellschafter des Deutschen Taschenbuch Verlags haben zusammen
       mit dem dtv den Gesellschaftern von Suhrkamp Interesse an der Übernahme
       einer Beteiligung signalisiert“. Und weiter hieß es: „Mit einer Beteiligung
       der familiengeführten, unabhängigen Verlage ist intendiert, Suhrkamp
       operativ zu stärken, die Unabhängigkeit langfristig zu sichern und in den
       sich rapide verändernden Marktbedingungen gemeinsame Synergien zu
       verwirklichen.“
       
       Ebenfalls in der vergangenen Woche hatte auch das Kunstsammlerpaar Sylvia
       und Ulrich Ströher, dessen großes Vermögen aus dem Verkauf der Firma Wella
       stammt, erneut sein Interesse an Suhrkamp-Anteilen betont. Das Angebot der
       Ströhers hatte Hans Barlach allerdings schon einmal ausgeschlagen, eine
       Beteiligung von dtv, so berichtete die Welt, sei Ulla Unseld-Berkéwicz
       dagegen nicht recht.
       
       Es ist also alles offen. Und wir Feuilletonisten stochern im Nebel. Ist
       denn eine Insolvenz überhaupt ein Mittel, ungeliebte Gesellschafter
       auszubooten? René Strien, verlegerischer Geschäftsführer des Berliner
       Aufbau Verlags, kennt sich mit solchen Fällen aus. Er selbst musste mit
       seinem Kollegen Tom Erben im Mai 2008 die Insolvenz beantragen, da der
       damalige Eigentümer des Aufbau Verlags, Bernd Lunkewitz, den Verlag als
       Instrument in seinem Kampf gegen die Treuhandanstalt (und ihre Nachfolger)
       einsetzte und dabei den traditionsreichen Verlag, den er zunächst
       erfolgreich saniert hatte, zu ruinieren drohte. Der Verlag wurde
       schließlich an den Unternehmer Matthias Koch verkauft, der bereit war, in
       den Verlag zu investieren – mit Erfolg.
       
       Kann sich ein Unternehmen also mithilfe einer Insolvenz vor seinen
       Eigentümern retten? René Strien winkt ab. „Eine Insolvenz als
       geschäftlichen Schachzug einzusetzen, ist sehr riskant“, sagt er. Er
       verweist darauf, dass man nicht darüber bestimmen könne, welcher
       Insolvenzverwalter, ein „Moderator mit Macht“, vom Gericht eingesetzt
       werde. „Auch habe ich das sichere Gefühl, dass es sich hier um mehr handelt
       als um einen Trick. Die Geschäftsführung des Suhrkamp Verlags ist zu
       seriös, um Spielchen zu spielen.“ Dass es sich um eine unechte Insolvenz
       handeln könne, schließt er aus. „Der Insolvenzverwalter bekommt Einblick in
       alle Zahlen und sieht schnell, ob da getrickst wurde.“
       
       ## dtv kennt die Zahlen
       
       Es ist folglich zu konstatieren, dass die Suhrkamp KG – wie zuvor schon der
       angegliederte Insel Verlag – tatsächlich überschuldet ist und dass die
       Freude, die aus der Suhrkamp-Pressemitteilung spricht, wohl eher daraus
       herrührt, dass die derzeitige Geschäftsführung den Nebeneffekt begrüßt,
       dass Hans Barlach bei der Umbildung des Unternehmens in eine
       Aktiengesellschaft weniger unmittelbaren Einfluss auf das alltägliche
       Geschäft hätte. Allerdings ist genauso wenig festgeschrieben, dass alle
       drei jetzigen Geschäftsführer dem Vorstand dieser AG angehören werden.
       
       Um den Verlag selbst ist es offenbar finanziell nicht gut bestellt. Die zu
       gründende Suhrkamp AG braucht Geld, beide Gesellschafter jedoch haben sich
       in ihrem juristischen Zwist derart verausgabt, dass sie wohl kaum noch
       größere Summen investieren könnten. Hier kommen nun Dritte ins Spiel. Das
       Ehepaar Ströher allerdings scheint Barlach als Agenten der Verlegerin zu
       betrachten, weswegen er an sie nicht verkaufen möchte.
       
       Und dtv? Der Deutsche Taschenbuchverlag wurde 1960 von elf Verlagen
       gegründet, darunter der Insel Verlag. Die heutigen vier Gesellschafter sind
       die Ganske Gruppe, der der Verlag Hoffmann und Campe angehört, die Verlage
       C. H. Beck und Hanser sowie die Verlagsgruppe Oetinger, zu der auch die
       Verlage Arche und Atrium gehören. All diesen Verlagen geht es gut und sie
       sind selbstverständlich Konkurrenten der bisherigen Suhrkamp KG. Die
       öffentliche Interessensbekundung dieser „familiengeführten, unabhängigen
       Verlage“ lässt vermuten, dass diesen Unternehmen zumindest die
       einschlägigen Kennzahlen aus den Suhrkamp-Geschäftsunterlagen bekannt
       gemacht worden sind.
       
       Für dtv wäre eine Beteiligung reizvoll, denn obzwar dieser Verlag in den
       letzten Jahren einen enormen Erfolg zu verzeichnen hatte, hat er zugleich
       einiges an literarischem Renommee verloren. Und gerade im
       Taschenbuchgeschäft, das in den Zeiten des E-Books schwerer geworden ist,
       ließen sich erhebliche Synergieeffekte erzielen. Suhrkamp-Taschenbücher
       könnten gemeinsam mit dtv-Büchern vertrieben werden, Suhrkamp-Titel bei dtv
       als Taschenbuch erscheinen. Stehen damit Titel zu fürchten wie: „Peter
       Weiss. Mein Urlaubslesebuch“ oder „Theodor W. Adorno. Der
       Fünf-Minuten-Philosoph“? Sicher nein. Nur wird sich Suhrkamp ändern müssen,
       um überleben zu können.
       
       11 Aug 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jörg Sundermeier
       
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