# taz.de -- Polizei contra Verfassungsschutz: Schnüffler streiten um Kompetenzen
       
       > Die Hamburger Polizei möchte bereits schnüffeln, ohne dass es Hinweise
       > auf eine Straftat gibt – eigentlich ein Vorrecht des Verfassungsschutzes.
       
 (IMG) Bild: Eine Hamburger Polizeimütze ist kein Schlapphut: Hamburgs Verfassungsschutz-Chef Murck pocht auf die feinen Unterschiede
       
       HAMBURG taz |In der Hamburger Innenbehörde hängt der Haussegen schief. In
       den Amtsleiter-Besprechungen der letzten Monate ist es nach
       taz-Informationen mehrfach zum heftigen Disput zwischen dem Leiter des
       Verfassungsschutzes (VS) und der Polizeiführung gekommen.
       Verfassungsschutz-Chef Manfred Murck sei es „ein Dorn im Auge“, dass der
       polizeiliche Staatsschutz am liebsten die Aufgaben des Landesamtes
       übernehmen und auch im Vorfeld von Straftaten ermitteln möchte, berichten
       Insider übereinstimmend der taz. Die Staatsschützer würden sich immer mehr
       Kompetenzen anmaßen, um Vorfeldermittlungen unterhalb der Stufe eines
       Anfangsverdachts anzustellen.
       
       Weiterer Streitpunkt sei, dass Murck der Polizei vorwirft, ihrer
       Informationspflicht nicht nachzukommen, obwohl nach dem
       Verfassungsschutzgesetz eine Übermittlungspflicht besteht, so die Insider
       weiter.
       
       Offiziell wird ein Streit nicht eingeräumt. „An einen Eklat kann ich mich
       nicht erinnern“, sagt die Büroleiterin von Innensenator Michael Neumann
       (SPD), Swantje Glissmann. „Das sind interne Besprechungen“, mauert auch
       Polizeisprecher Mirko Streiber. „Wir tauschen uns aus und da gibt es
       sicherlich mal eine Schnittstelle – aber keinen Eklat.“
       
       Die grundsätzliche Diskussion über das Trennungsgebot gebe es seit dem 11.
       September 2001, bestätigt VS-Chef Manfred Murck der taz zurückhaltend. Es
       gehe darum, „was passiert, wenn sich die Polizei praktisch und tatsächlich
       auf einem Terrain bewegt, dass nach dem Trennungsgebot dem
       Verfassungsschutz vorbehalten ist“, sagt Murck.
       
       Eigentlich ist das Trennungsgebot zwischen Nachrichtendiensten und der
       Polizei ein Grundsatz des Rechtssystems. Doch seit den in Hamburg geplanten
       Flugzeug-Anschlägen von al-Qaida auf das World Trade Center habe bei der
       Polizei ein Paradigmenwechsel stattgefunden, berichtet der Kriminologe und
       frühere Hamburger Staatsschützer Charles von Denkowski. Der
       Gefährderbegriff sei neu definiert worden, sodass Personen oder
       Zusammenhänge auch ohne konkreten Anfangsverdacht und die Prognose einer
       Straftat mit Observationen oder verdeckten Ermittlungen und
       Telefonüberwachung durchleuchtet werden können – und dies ohne jegliche
       parlamentarische oder richterliche Kontrolle.
       
       Nun versucht der Staatsschutz offenbar, seinen Einfluss weiter auszubauen –
       und nutzt dabei die durch das Versagen in der NSU-Affäre angeschlagene
       Position des Verfassungsschutzes aus. „Es ist die Frage, ob das klug und
       richtig ist, wenn man sich gegenseitig auf die Füße tritt“, sagt Murck. Es
       gebe natürlich das grundsätzliche Problem, dass es immer „Schnittstellen“
       gebe. „Es gibt eine Tendenz bei der Polizei, weiter ins Vorfeld zu rücken
       und sich zu bewegen, als es die ursprünglichen Vorstellungen des
       Trennungsgebotes waren“, sagt Murck.
       
       Diese Debatte hat nun neue Nahrung bekommen durch das Urteil des
       Bundesverfassungsgerichts vom April zur seit 2007 von VS und Polizei
       gemeinsam geführten „Anti-Terror-Datei“. Die Karlsruher Richter haben den
       Gesetzgeber aufgefordert, einige Vorschriften zu ändern, um den
       Anforderungen des informationellen Trennungsprinzips gerecht zu werden.
       
       Ärger zwischen VS und Polizei gab es auch, weil die Hamburger Polizei
       antisemitische und rechtsradikale Tendenzen unter Polizeiangestellten im
       Objektschutz unter dem Deckel halten wollte. Im April hatte der
       Polizeiangestellte Andreas W., der für den Objektschutz der jüdischen
       Joseph-Carlebach-Schule in Hamburg-Rotherbaum eingesetzt war, das Bild
       eines Totenkopf-Schädels mit Polizeimütze vor dem Schulgebäude auf seine
       Facebook-Seite gestellt. Der Totenkopf galt im Nationalsozialismus als
       Symbol für den Tod des Feindes und wurde von den SS-Totenkopfverbänden
       getragen, die unter anderem die Konzentrationslager bewachten.
       
       Polizeipräsident Wolfgang Koptisch (SPD) suspendierte W. sofort mit dem
       Ziel Entlassung. Es stellte sich jedoch heraus, dass W. bereits vorher
       aufgefallen war, indem er Kollegen die Lektüre von Hitlers „Mein Kampf“
       empfohlen hatte. Der Fall wurde seinerzeit geheim gehalten, der VS nicht
       informiert. Die internen Ermittlungen wurden eingestellt und Andreas W.
       lediglich in eine andere Schicht versetzt.
       
       11 Aug 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Kai von Appen
       
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